VwGH 91/07/0117

VwGH91/07/011710.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des LH von Stmk vom 26.7.1991, Zl. 3-30 P 231-91/18, betreffend Behebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG in einer Wasserrechtssache (mitbeteiligte Partei:

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Bereich der sogenannten K-Schütt, einem Schuttkegel im S-Tal in der Gemeinde S im Hochschwabgebiet, wird seit Jahrzehnten Schotter abgebaut. Für bereits durchgeführte Schotterabbaumaßnahmen liegen wasserrechtliche Bewilligungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 9. November 1959 und 7. Februar 1979 vor.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 1990 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur dem Beschwerdeführer die wasserrechtliche Bewilligung "für die Sanierung bzw. Schotterentnahme" auf den Grundstücken Nr. X und Y KG und Gemeinde S im Ausmaß von 480.000 m3.

Auf Grund der Berufungen des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei (mP) gegen diesen Bewilligungsbescheid behob der Landeshauptmann von Steiermark mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §§ 66 Abs. 2 AVG den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 19. Dezember 1990 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurück. Begründend führte der Landeshauptmann im wesentlichen aus, daß die letzte wasserrechtliche Bewilligung zur Schotterentnahme vom 7. Februar 1979 bis zum 31. Dezember 1987 befristet gewesen sei; die seither unbestrittenermaßen vorgenommenen Schotterentnahmen seien daher konsenslos erfolgt; das bei der Behörde erster Instanz zur wasserrechtlichen Bewilligung eingereichte Projekt, beinhaltend eine "Sanierung" und eine "Erweiterung", sollte offenbar den Zweck erfüllen, ohne detaillierte Hinterfragung der Rechts- und Sachlage über den 1979 konsentierten Rechtsbestand hinaus vorgenommene Abbaumaßnahmen im Rahmen eines neuen wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides nachträglich zu sanktionieren; hinsichtlich dieser Sanierung habe der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens seinen Bewilligungsantrag zurückgezogen, sodaß für die belangte Behörde nur mehr die Erweiterung der Schotterentnahme zur Diskussion gestanden sei; die belangte Behörde habe am 10. April, 3. Mai und 18. Juni 1991 Berufungsverhandlungen durchgeführt und dabei - jedoch letztlich erfolglose - "Einigungsversuche" zwischen den beiden Berufungsgegnern unternommen; anläßlich dieser Berufungsverhandlungen, insbesondere der am 18. Juni 1991 durchgeführten, habe sich gezeigt, daß der Konsenswerber eine Nachprüfung seines Projektes auf die nun tatsächlich vorliegenden Geländegegebenheiten sowie eine Projektsabänderung beabsichtige; der von der belangten Behörde beigezogene wasserbautechnische Amtssachverständige habe gefordert, daß aus fachlicher Sicht das Erweiterungsprojekt auf die rechtlich abgedeckte Ausgangssituation (d.h. die wesentlichen Bewilligungsbescheide aus 1959 und 1979) abzustimmen sei; zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei unklar und bedürfe "weiterer Erhebungen und Überprüfungen, ob die Anknüpfung des Erweiterungsprojektes bei durch die Bescheide 1959 und 1979 auch rechtlich abgedeckten Situation erfolgt oder ob nicht das Projekt auf Geländegegebenheiten (Sohle und Flanken)" aufbaue, welche von der rechtlichen Ausgangslage abwichen; in diesem Falle müßte das Projekt mangels Übereinstimmung mit der rechtlichen Ausgangslage als unzulässig zurückgewiesen werden; da die mP mittlerweile bei der Behörde erster Instanz hinsichtlich des sogenannten Sanierungsbereiches einen Antrag auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 gestellt habe und das Erweiterungsverfahren im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ergebnis dieses Verfahrens stehe, werde die Behörde erster Instanz "zweckmäßigerweise" beide Verfahren unter einem abzuführen haben.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende inhaltliche sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mP eine Gegenschrift erstattet, worin die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 66 Abs. 1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann nach Abs. 2 dieses Paragraphen die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen. Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden (Abs. 4 Satz 1 des zitierten Paragraphen).

Durch diese gesetzliche Regelung sollte gesichert werden, daß ein im Stadium der Berufung befindliches Verfahren möglichst auch zu einer Berufungsentscheidung in der Sache führt. Die Verweisung des Verfahrens in ein von der unteren Instanz zu besorgendes Stadium soll daher nur ausnahmsweise möglich sein. Es soll vermieden werden, daß die mit dem Zurücktritt eines Verfahrens in ein früheres Stadium verbundenen Rechtsfolgen, wie etwa die Wiedereröffnung des Instanzenzuges, zu einer Verlängerung des Verfahrens führen (vgl. etwa VfSlg. 8153). Sind daher Ergänzungen des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens notwendig, so hat die Berufungsbehörde die Frage zu prüfen, ob der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache Beteiligten und aller sonst für seine Ermittlung (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen daher gleichzeitig versammelt werden müssen, oder ob sich zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein einfacherer Weg anbietet. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, daß die Berufungsbehörde nur in jenen Fällen nach § 66 Abs. 2 AVG vorgehen darf, in welchen der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (siehe die Rechtsprechung bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 522 ff.).

Im Lichte dieser Judikatur ist zum angefochtenen Bescheide festzuhalten:

Die belangte Behörde hat anläßlich der Berufung des Beschwerdeführers sowie der mP drei Verhandlungen (am 10. April, 3. Mai und 18. Juni 1991) durchgeführt; der Beschwerdeführer hat durch die mit Schreiben vom 13. Juni 1991 erfolgte "Teilrücknahme des Bewilligungsantrages" sein bisheriges "Sanierung" und "Erweiterung" umfassendes Konsensbegehren auf die bloße "Erweiterung" reduziert. Die belangte Behörde hat diese "Teilrücknahme" dahin gehend rechtlich bewertet, daß ihr damit eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung auch über mit der "Sanierung" in Verbindung stehende Vorschreibungen verwehrt sei. Die die Kassation tragende Begründung stützt sich darauf, daß zur Beurteilung des Erweiterungsprojektes noch Ermittlungen durchgeführt werden müßten; da aber ohnehin über Antrag der mP bei der Behörde erster Instanz gegenüber dem Beschwerdeführer ein wasserpolizeiliches Verfahren anhängig sei, könne "zweckmäßigerweise" das gesamte Wasserrechtsverfahren in der ersten Instanz abgewickelt werden.

Der angefochtene Bescheid entbehrt aber jeder Begründung, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht durch die Berufungsbehörde, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/07/0154). Der Hinweis auf das bei der Behörde erster Instanz im Gegenstand über Antrag der mP anhängige wasserpolizeiliche Verfahren vermag ebensowenig eine Behebung und Zurückverweisung zu rechtfertigen wie jener auf die von der belangten Behörde zu lösenden Rechtsfragen hinsichtlich Art und Umfang der seinerzeit erteilten wasserrechtlichen Konsense aus 1959 und 1979.

Die belangte Behörde hat sohin durch diese unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheides Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufgehoben werden.

Im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung in der Hauptsache erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG und die Verordung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrgebehrens betrifft zuviel entrichtete Stempelgebühren in der Höhe von S 240,-- sowie den Schriftsatzaufwand, der nur einfach gebührt.

Abschließend sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zur Bemerkung veranlaßt, daß nach den vorgelegten Verfahrensakten dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvorgänger zwar seinerzeit (1959 und 1979) wasserrechtliche Bewilligungen erteilt worden sind, zumindest der (erstgenannte) Konsens jedoch offenbar keinem Kollaudierungsverfahren unterzogen wurde. Gerade das im § 121 WRG 1959 zwecks Feststellung der Übereinstimmung der ausgeführten Anlage mit den seinerzeit erteilten Konsensen vorgesehene Instrumentarium wäre zur Klärung jener Fragen vorgesehen, die nach Ansicht der belangten Behörde im Wege des § 66 Abs. 2 AVG von der Behörde erster Instanz gelöst werden sollten.

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