VwGH 87/07/0154

VwGH87/07/015419.1.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftsführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, über die Beschwerde der Firma X in W, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, Rechtsanwalt in Linz an der Donau, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. September 1987, Zl. 511.817/01-15/85, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs2;
AVG §66 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin verfügt laut Wasserbucheintragung für ihr Metallwerk in Linz über das Recht zur Versickerung von Kühlwässern, von mechanisch gereinigten Wasch- und Fäkalwässern und von säurehältigen Betriebsabwässern in den Y-bach. Aus Anlaß der Regulierung dieses Baches wurde der Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG mit Bescheid des Landeshauptmannes von O.Ö. (LH) vom 27. Oktober 1983 die Bewilligung erteilt, als Ersatz für die dabei verlorengegangene Einleitungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin in den Y-bach einen neuen Abwasserkanal zu errichten. In demselben Bescheid wurde auch der Beschwerdeführerin die wasserrechtliche Bewilligung zur Änderung ihrer Wasserbenutzungsanlagen entsprechend diesem Projekt zur Errichtung eines neuen Abwasserkanales erteilt.

Mit Bescheid vom 19. August 1985 hat der LH der

Beschwerdeführerin gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 aufgetragen,

"... bis zum 31. Dezember 1985 entweder unter Vorlage von

Projektsunterlagen bei der Wasserrechtsbehörde um die gegenüber

dem Bescheid des LH vom 18.2.1955 ... wasserrechtlich bewilligten

und mit ha. Bescheid vom 9.5.1959 ... überprüften und im

Wasserbuch ... eingetragenen Abwasser-(Vorreinigungs-) Anlagen im

Bereich des eigenen Betriebsareals in Linz ... geänderten Anlagen

samt geänderten Maßes der Wasserbenutzung anzusuchen, oder aber

bis zu diesem Zeitpunkt (31.12.1985) diese Neuerungen zu

beseitigen bzw. die konsenswidrige Einleitung einzustellen."

Der LH stellte ferner im Spruch dieses Bescheides fest,

" ... daß die im Jahre 1984/85 durchgeführte Errichtung eines

Kanalstranges ... durch die vorhandene rechtliche Deckung

(Bewilligung) mit Spruchabschnitt III des ha. Bescheides vom

27.10.1983 ... von dieser obgenannten Verpflichtung nicht berührt

ist."

Begründend führte der LH im wesentlichen aus, schon anläßlich des Verfahrens über die Regulierung des Y-baches (die zu einer Verlegung der Einleitungsstelle des Betriebskanals der Beschwerdeführerin geführt habe) sei von der Wasserrechtsbehörde auf die veralteten Abwasserbeseitigungsanlagen der Beschwerdeführerin hingewiesen worden. Im Zuge der im Ermittlungsverfahren des LH an Ort und Stelle abgehaltenen Verhandlung hätten die Amtssachverständigen eine Vielzahl von Veränderungen der Anlagen der Beschwerdeführerin gegenüber den dem Überprüfungsbescheid aus dem Jahre 1959 zugrunde gelegenen Ausführungsunterlagen festgestellt. Zu den Feststellungen der Amtssachverständigen habe die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme abgegeben, wonach eine Bewilligungspflicht für die festgestellten Änderungen nicht gegeben und daher auch die Anwendung des § 138 Abs. 2 WRG 1959 nicht möglich wäre. Dieser Auffassung habe sich der LH nicht anschließen können, weil eine Gegenüberstellung unschwer erkennen lasse, daß sich seit dem Jahre 1959 bis zum Verhandlungstag (14.3.1985) eine Reihe von wesentlichen Veränderungen ergeben habe. Erst ein entsprechend ausgearbeitetes Projekt, das Vorreinigungsanlagen nach dem heutigen Stand der Technik vorsehe, könne Aufschluß darüber geben, ob im öffentlichen Interesse der Reinheit der Gewässer die (mit dem Bescheid vom 27. Oktober 1983 bewilligte) Ableitung bestehen bleiben könne oder aber ein Kanalanschluß für notwendig erachtet werde.

Die belangte Behörde hat auf Grund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung diesen Bescheid mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. September 1987 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit an den LH zurückverwiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach einer zusammenfassenden Darstellung des Verfahrensverlaufes und der Rechtslage im wesentlichen aus, es sei im vorliegenden Fall unbestritten, daß die Abwasseranlagen der Beschwerdeführerin nicht der "seinerzeit erteilten" wasserrechtlichen Bewilligung entsprächen. Auch sei die Beschwerdeführerin nur zur Abwassereinleitung in den Y-bach berechtigt. Fest stehe ferner, daß die Betriebsweise der Metallwarenfabrik seit Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung wesentlich geändert worden sei. Wenn die Beschwerdeführerin meine, die §§ 9 und 138 WRG 1959 seien nicht anwendbar, dann sei sie im Irrtum. § 9 in Verbindung mit § 50 WRG 1959 verpflichte die Wasserberechtigten, jedenfalls um die wasserrechtliche Genehmigung der Änderung ihrer Anlagen einzukommen, und zwar unabhängig davon, ob dies auf das Maß der Wasserbenutzung Auswirkungen habe. § 32 finde zusätzlich dort Anwendung, wo die Einwirkungen auf Gewässer verändert würden. Es sei daher für die seit Erteilung der Bewilligung vorgenommenen Änderungen eine Bewilligungspflicht gegeben; da die Beschwerdeführerin dies nicht beachtet habe, habe der LH zu Recht von § 138 WRG 1959 Gebrauch gemacht.

Aus dem Bescheid des LH sei jedoch auch eindeutig zu erkennen, daß zumindest ernste Zweifel daran bestünden; ob die Abwassereinleitung in die Traun in der derzeitigen - mit der Bewilligung nicht übereinstimmenden - Form überhaupt mit öffentlichen Interessen in Einklang gebracht werden könne. Aus diesem Grunde habe der LH auch die an das geforderte Projekt gestellten Anforderungen näher beschrieben. Diese Vorgangsweise finde allerdings in § 138 Abs. 2 WRG 1959 keine Deckung. Wäre die Wassernutzung an sich rechtmäßig, die Reinhaltemaßnahmen aber unzulänglich, dann wäre mit einem Anpassungsauftrag nach § 33 Abs. 2 WRG 1959 vorzugehen gewesen. Seien der Abwassereinleitung in die Traun in der geübten Weise öffentliche Interessen entgegengestanden, dann hätte der LH mit einem Auftrag nach Absatz 1 des § 138 vorgehen müssen; ein Alternativauftrag nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 sei nur möglich, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstünden. Diese Frage sei nicht ausreichend geklärt, obwohl dies im Rahmen der Überwachung (insbesonders § 134) notwendig gewesen wäre. Auch eine zufolge der vorgenommenen Änderungen möglicherweise geringere Belastung des Vorfluters hätte an der Notwendigkeit einer Bewilligung dieser Änderungen nach den §§ 9 bzw. 32 WRG 1959 nichts zu ändern vermocht. Auch ein Einschreiten der Behörde nach § 33 Abs. 2 WRG 1959 wäre denkbar, weil die seinerzeit erteilte Bewilligung keinesfalls mehr der technischen und wasserwirtschaftlichen Entwicklung entspreche. Der LH sei daher zu Recht gegen die Beschwerdeführerin eingeschritten. Die Behebung des Bescheides des LH sei nur deshalb erforderlich gewesen, weil trotz entsprechender Hinweise noch nicht ausreichend klar sei, ob im vorliegenden Fall nicht mit einem wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 vorzugehen sein werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den aufhebenden Bescheid der belangten Behörde deshalb in ihren subjektiven Rechten verletzt, weil der LH im fortgesetzten Verfahren von der darin ausgesprochenen, für die Beschwerdeführerin nachteiligen Rechtsansicht der belangten Behörde auszugehen hätte.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten

a) eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen,

b) die durch eine Gewässerverunreinigung verursachten Mißstände zu beheben,

c) für die sofortige Wiederherstellung beschädigter gewässerkundlicher Einrichtungen zu sorgen.

Nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde in allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

Im Beschwerdefall hat der LH gegenüber der Beschwerdeführerin einen Alternativauftrag gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 erlassen, weil die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beschwerdeführerin nicht mehr dem dieser erteilten Konsens entsprächen; ausdrücklich von dieser Verpflichtung ausgenommen hat der LH dabei die gemäß Spruchabschnitt III des Bescheides vom 27. Oktober 1983 wasserrechtlich bewilligten Kanalstränge.

Diesen wasserpolizeilichen Auftrag hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 im wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, daß nicht ausreichend klargestellt sei, ob nicht im öffentlichen Interesse an der Reinhaltung der Gewässer gegen die Beschwerdeführerin mit einem Auftrag nach Absatz 1 des § 138 WRG 1959 vorzugehen sei. Die belangte Behörde ist dabei von der von ihr selbst in ihrer Gegenschrift als unrichtig erkannten Annahme ausgegangen, daß der Beschwerdeführerin eine Bewilligung zur Errichtung eines neuen Abwasserkanals nach der Regulierung des Y-baches nicht erteilt worden sei.

Nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

Außer dem im Absatz 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Ein auf § 66 Abs. 2 AVG 1950 gegründeter letztinstanzlicher Bescheid kann mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch einen solchen aufhebenden Bescheid kann einerseits darin gelegen sein, daß die Berufungsbehörde von dieser Regelung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung erlassen hat, aber auch darin, daß die Berufungsbehörde von einer für den Berufungswerber nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1986, Zl. 84/07/0256, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Die vorliegende Beschwerde ist daher zulässig; sie ist auch begründet.

"Sache" des bei der belangten Behörde anhängig gewesenen Berufungsverfahrens war ausschließlich die Frage, ob bei der gegebenen Sachlage gegen die Beschwerdeführerin mit einem Alternativauftrag gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 vorgegangen werden durfte. Der in der Berufung vertretenen Auffassung, eine einen solchen Auftrag rechtfertigende eigenmächtige Neuerung der Beschwerdeführerin liege nicht vor, ist die belangte Behörde - allerdings aufbauend auf der im nachhinein von ihr selbst als unzutreffend erkannten Sachverhaltsannahme, der bestehende Abwasserkanal sei wasserrechtlich nicht bewilligt worden - nicht gefolgt. Die belangte Behörde hat vielmehr, ebenfalls von dieser unzutreffenden Annahme ausgehend, deshalb an der Zulässigkeit eines solchen Alternativauftrages gezweifelt, weil einer allfälligen nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung der Abwasserbeseitigung der Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse an der Reinhaltung der Gewässer entgegenstehen könnte, dem nur im Wege eines Beseitigungsauftrages nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 oder allenfalls im Wege von Anpassungsaufträgen gemäß § 33 Abs. 2 WRG 1959 Rechnung getragen werden könnte.

Der belangten Behörde ist insoweit Recht zu geben, als ein Alternativauftrag nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 dann nicht dem Gesetz entspricht, wenn eine nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung nach den Gegebenheiten überhaupt nicht in Betracht kommen kann. Die belangte Behörde ist aber im Beschwerdefall jede Begründung dafür schuldig geblieben, warum die Prüfung dieser Voraussetzung eines Alternativauftrages nicht - etwa durch Einholung eines ergänzenden, dem Parteiengehör zu unterziehenden Gutachtens - im Zuge des Berufungsverfahrens, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden könnte. Es fehlt nämlich an eindeutigen Sachverhaltsfeststellungen dahingehend, inwieweit überhaupt von den der Beschwerdeführerin rechtskräftig erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen nicht gedeckte eigenmächtige Neuerungen im Sinne des § 138 WRG 1959 gegeben sind. Es bedarf aber nicht nur der Sachverhalt in diesem wesentlichen Punkt der Ergänzung, ein wesentlicher Verfahrensmangel haftet dem angefochtenen Bescheid auch deshalb an, weil es an einer zureichenden Begründung für die von der belangten Behörde gewählte Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 fehlt. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 19. Jänner 1988

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