VwGH 90/19/0598

VwGH90/19/059816.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in I, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 8. November 1990, Zl. III 94-2/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
TilgG 1972;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
TilgG 1972;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 8. November 1990 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 und § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 24. August 2000 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. März 1990, Zl. 22 Vr 785/88, Hv 110/89, in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 10. Mai 1990, Zl. 8 Bs 166/90, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 148 zweiter Fall StGB sowie wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach § 224 (§ 223 Abs. 1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei, wovon ein Teil von 14 Monaten bedingt nachgesehen worden sei. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer in zahlreichen Fällen Kontroll- und Abmeldekarten des Arbeitsamtes verfälscht habe. Dadurch sei es zur Täuschung von Bediensteten des Arbeitsamtes Innsbruck und zur Auszahlung von Unterstützungsbezügen nach dem AlVG gekommen, auf welche die betreffenden Personen infolge ihrer Auslandsaufenthalte keinen Anspruch gehabt hätten. Der Beschwerdeführer habe außerdem einen Führerschein verfälscht, indem er das Lichtbild und die Personalien des rechtmäßigen Inhabers entfernt und durch das eigene Lichtbild und seine Personalien ersetzt habe.

Außerdem sei der Beschwerdeführer im Jahre 1986 von der Bundespolizeidirektion Innsbruck wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 11.000,-- rechtskräftig bestraft worden. Ihm sei deshalb für mehrere Monate die Lenkerberechtigung entzogen worden.

Gegen den Beschwerdeführer sei bereits im Jahre 1979 ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieser Maßnahme seien zwei gerichtliche Verurteilungen wegen Hehlerei bzw. Diebstahles zugrunde gelegen. Von der Vollstreckung dieses Aufenthaltsverbotes sei jedoch Abstand genommen worden. Der Beschwerdeführer habe zwischen 1980 und 1983 mehrfach Übertretungen nach dem Fremdenpolizeigesetz begangen, derentwegen über ihn Geldstrafen verhängt worden seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, auf Grund des oben näher bezeichneten Urteils des Landesgerichtes Innsbruck in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck sei der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt und damit die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme berechtigt. Dazu komme noch das "aktenkundige, nicht gerade gesetzestreue Vorverhalten" des Beschwerdeführers. Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens dürfe entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch auf getilgte Vorstrafen Bedacht genommen werden. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zwar zugunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß er sich seit 1973 in Österreich aufhalte und mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei sowie daß dieser Ehe ein Kind entstamme, das sich noch im schulpflichtigen Alter befinde. Trotz der Integration des Beschwerdeführers und der Intensität seiner familiären Bindungen an Österreich sei jedoch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten, weil im Hinblick auf das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers den hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentlich größeres Gewicht beizumessen sei als den privaten Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

2.1. Der Beschwerdeführer tritt der Auffassung der belangten Behörde, daß auf Grund der im Jahre 1990 erfolgten rechtskräftigen Verurteilung zu einer (teilweise bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von 18 Monaten der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz erfüllt und damit die im § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht entgegen. Diese Auffassung steht mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1990, Zl. 90/19/0236, vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0335, und vom 28. Oktober 1991, Zl. 90/19/0329) im Einklang.

2.2. Der Beschwerdeführer meint, daß getilgte gerichtliche Verurteilungen oder Verwaltungsstrafen bei der Entscheidung, ob ein Aufenthaltsverbot erlassen werden soll, keine Rolle spielen dürften.

Diesen Ausführungen ist - abgesehen davon, daß die im Jahre 1986 über den Beschwerdeführer verhängte Verwaltungsstrafe wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht getilgt war (vgl. § 55 Abs. 1 VStG) - zu erwidern, daß es zwar der Behörde nach Eintritt der Tilgung verwehrt ist, auf die Verurteilung bzw. Bestrafung als solche - etwa bei Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 1 bis 4 Fremdenpolizeigesetz erfüllt sind - zurückzugreifen, doch besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Einwand, die der getilgten Verurteilung bzw. Bestrafung zugrundeliegende Straftat zu berücksichtigten (siehe das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0284).

Soweit der Beschwerdeführer konkrete Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend die Bestrafung wegen der Übertretung nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. a StVO vermißt, ist ihm entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde diesbezüglich auf die Feststellungen im Bescheid der erstinstanzlichen Behörde verwiesen hat, wo unter anderem die Aktenzahl betreffend diese Bestrafung zitiert und das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers näher umschrieben wurde. Diesen Sachverhaltsfeststellungen ist der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht entgegengetreten.

3. Soweit der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit der Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes aus triftigen Gründen hinweist, brauchte darauf nicht näher eingegangen zu werden, weil Gegenstand des angefochtenen Bescheides nicht die Entscheidung über einen Vollstreckungsaufschub - ein solcher wurde dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage auf Grund seines Antrages vom 10. Dezember 1990 mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 17. Jänner 1991 gewährt - ist; mit dem vorliegenden Bescheid wurde vielmehr ausschließlich über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 24. August 1990, mit dem ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, abgesprochen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die belangte Behörde bei der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe es verabsäumt, um die österreichische Staatsbürgerschaft anzusuchen, ist nicht zu erkennen, inwieweit dies für die Interessenabwägung von Bedeutung sein soll. Der Beschwerdeführer vertritt dazu selbst die Auffassung, daß die diesbezüglichen Überlegungen für das gegenständliche Verfahren bedeutungslos seien.

Mit seinem Vorbringen, die Verfälschung der Kontroll- und Abmeldekarten des Arbeitsamtes Innsbruck sei ihm geradezu leicht gemacht worden, den verfälschten Führerschein hätte er nicht gebraucht, weil er selbst die entsprechende Lenkerberechtigung besessen habe, vermag der Beschwerdeführer schon im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung keine bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte aufzuzeigen.

Auf die für ihn sprechenden Umstände im Sinne des § 3 Abs. 3 Z. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid entsprechend Bedacht genommen. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, im Hinblick auf diese Umstände hätte es genügt, das Aufenthaltsverbot - allenfalls um einige Jahre verkürzt - lediglich anzudrohen, ist ihm zu erwidern, daß die Androhung eines Aufenthaltsverbotes im Fremdenpolizeigesetz nicht vorgesehen ist. Überdies hat der Beschwerdeführer durch sein Verhalten gezeigt, daß ihn nicht einmal die Erlassung eines auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes im Jahre 1979, dessen Vollstreckung in der Folge jeweils aufgeschoben wurde, davon abhalten konnte, weitere Straftaten, und zwar noch schwerere als die dem Aufenthaltsverbot aus dem Jahre 1979 zugrunde liegenden, zu begehen.

5. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte