Normen
StVO 1960 §17 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z29;
StVO 1960 §2 Abs1 Z30;
VStG §44a litb;
StVO 1960 §17 Abs1;
StVO 1960 §2 Abs1 Z29;
StVO 1960 §2 Abs1 Z30;
VStG §44a litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft worden ist, einschließlich des diesbezüglichen Ausspruches über die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 9. Mai 1989 um 12 Uhr in Wien 6., Mariahilferstraße, vor dem Hause Nr. 22, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges die auf der Fahrbahn deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie überfahren und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben. Ferner wurde dem Beschwerdeführer angelastet, zur angegebenen Zeit am angeführten Ort als Kraftfahrzeug-Lenker "beim Überholen der auf dem ersten (einzigen) dem Fließverkehr vorbehaltenen Fahrstreifen stadtauswärts fahrenden Fahrzeuge keinen der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h entsprechenden seitlichen Abstand von den Fahrzeugen, die überholt wurden, eingehalten" zu haben, "indem der seitliche Abstand maximal 20 cm betragen hat". Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs. 1 StVO 1960 begangen. Wegen beider Übertretungen wurden über den Beschwerdeführer jeweils Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1) ZUR ÜBERTRETUNG DES § 17 ABS. 1 StVO 1960:
Wie schon ausgeführt worden ist, hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer eine Übertretung dieser Bestimmung zur Last gelegt, weil er zur Tatzeit am Tatort "beim Überholen
der ... stadtauswärts fahrenden Fahrzeuge keinen ...
entsprechenden seitlichen Abstand von den Fahrzeugen, die überholt wurden, eingehalten" habe.
Gemäß § 17 Abs. 1 StVO 1960 ist das Vorbeifahren nur gestattet, wenn dadurch andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, weder gefährdet noch behindert werden. Für die Anzeige des Vorbeifahrens, die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und das Vorbeifahren an Schienenfahrzeugen gelten die beim Überholen zu beachtenden Vorschriften (§ 15). An einem entsprechend eingeordneten Fahrzeug, dessen Lenker die Absicht nach links einzubiegen anzeigt (§ 13 Abs. 2), ist rechts vorbeizufahren.
Diese Bestimmung gilt also für VORBEIFAHRENDE Fahrzeuge, wobei unter Vorbeifahren zufolge § 2 Abs. 1 Z. 30 StVO 1960 das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug zu verstehen ist.
Durch das dem Beschwerdeführer vorgeworfene "Überholen
der ... fahrenden Fahrzeuge ..." ohne Einhaltung eines
entsprechenden seitlichen Abstandes zu den überholten Fahrzeugen hat er daher nicht gegen § 17 Abs. 1 StVO 1960 verstoßen, weshalb die belangte Behörde hinsichtlich der in Rede stehenden Übertretung einen den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastenden Verstoß gegen die Vorschrift des § 44 a lit. b VStG 1950 zu vertreten hat, da der Beschwerdeführer ein Recht darauf hat, daß im Spruch die richtige Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt wurde, genannt wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1979, Slg. N. F. Nr. 9898/A).
2) ZUR ÜBERTRETUNG DES § 9 ABS. 1 StVO 1960:
Im Hinblick auf das im wesentlichen gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichtete Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß dem VwGH eine diesbezügliche Kontrolle nur in der Richtung obliegt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen, nicht aber, ob der Akt der Beweiswürdigung in dem Sinne richtig ist, daß z.B. eine den Beschwerdeführer belastende und nicht dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Der Meldungsleger hat in der Anzeige ausgeführt, daß der Beschwerdeführer die auf der Fahrbahn deutlich sichtbar angebrachte Sperrlinie überfahren habe, und bestätigte diese Aussage anläßlich seiner am 17. August 1989 erfolgten Einvernahme als Zeuge, bei welcher er noch ergänzte, es sei "überhaupt nichts davon zu bemerken" gewesen, daß der Beschwerdeführer durch ein anderes Fahrzeug zum Ausschwenken gezwungen worden sei. Der Beschwerdeführer habe lediglich versucht, die Kolonne in einem Zuge links zu überholen. Es habe sich keine Situation ergeben, derzufolge es durch das Fahrverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers "beinahe zu einer Unfallssituation" für den Beschwerdeführer gekommen wäre. Eine derartige Situation wäre lediglich durch das Verhalten des Beschwerdeführers "erfolgt". Im übrigen habe der Beschwerdeführer nach seiner Anhaltung "die Verwaltungsübertretungen an und für sich gar nicht bestritten, sondern lediglich bemerkt, daß er es eilig habe und ich ihn nicht schikanieren sollte".
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt, daß sie keine Veranlassung gesehen habe, die klaren und schlüssigen Angaben des Meldungslegers in Zweifel zu ziehen, da dieser nicht zuletzt als Zeuge zur Wahrheit verpflichtet sei und ihn im Falle der Verletzung dieser Pflicht dienst- und strafrechtliche Sanktionen treffen.
Der Gerichtshof kann diesen Erwägungen der belangten Behörde weder unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung noch etwa wegen Unschlüssigkeit entgegentreten und hält daher die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der zufolge § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG erforderlichen Relevanz des Verfahrensmangels für unbegründet, zumal für die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Teiles des Schuldspruches allein entscheidend ist, ob der Beschwerdeführer zur Tatzeit die im Tatortbereich befindliche Sperrlinie überfahren hat, und daher nicht wesentlich ist, ob die Auffassungen des Beschwerdeführers und der belangten Behörde über die Fahrbahnbreite im Tatortbereich divergieren. Es war daher auch der vom Beschwerdeführer für erforderlich erachtete Lokalaugenschein entbehrlich, weil selbst dann, wenn auf Grund der Fahrbahnbreite die Möglichkeit zum Überholen von Fahrzeugen ohne gleichzeitiges Überfahren der Sperrlinie bestanden hätte, nicht als erwiesen anzunehmen gewesen wäre, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit die Sperrlinie nicht trotzdem überfahren hat.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Bestrafung wegen Übertretung des § 9 Abs. 1 StVO 1960 richtet, war sie daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Hinsichtlich der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung des § 17 Abs. 1 StVO 1960 war der angefochtene Bescheid hingegen zufolge § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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