VwGH 90/08/0094

VwGH90/08/00948.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Josef K in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. März 1990, Zl. SV - 992/7 - 1990, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei:

Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, 4010 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §11 Abs2;
ASVG §49 Abs3;
ASVG §539;
ASVG §11 Abs2;
ASVG §49 Abs3;
ASVG §539;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zwischen den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht folgender Sachverhalt außer Streit:

Mit einer am 7. Oktober 1986 beim Arbeitsgericht Braunau eingebrachten Klage (4 Cga 14/87) wurde der Beschwerdeführer von seinem früheren Dienstnehmer F. auf Zahlung von S 53.123,25 Provision, S 13.520,03 Gehalt, S 7.820,07 Kündigungsentschädigung, S 6.933,34 anteilige Sonderzahlung, S 4.200,03 Urlaubsentschädigung und S 17.887,84 Überstundenentgelt in Anspruch genommen.

Am 16. November 1988 schlossen der Beschwerdeführer und F. im genannten Verfahren einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

"1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, dem Kläger einen

Gesamtbetrag von S 80.000,--, der sich zusammensetzt aus

S 13.000,-- an offenen Provisionen sowie S 8.000,-- netto an

Kündigungsentschädigung und S 5.000,-- netto an

Urlaubsentschädigung und S 54.000,-- an Kostenbeitrag ... zu

bezahlen.

2. Die beklagte Partei verpflichtet sich des weiteren, zu

Handen des Klagevertreters einen Kostenbeitrag von S 40.000,--

... zu bezahlen, womit sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus

dem Verfahren zu 2 Cg 230/86 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis verglichen und abgegolten sind, mit Ausnahme des Unterlassungsanspruches, der weiterhin aufrecht bleibt.

...

4. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Streitteilen aus dem gegenständlichen Verfahren zu 4 Cga 14/87 sowie aus dem Verfahren zu 2 Cg 230/86 ... wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung verglichen und abgegolten, mit Ausnahme des Unterlassungsanspruches, der weiterhin aufrecht bleibt."

Mit Bescheid vom 9. Mai 1989 schrieb die Mitbeteiligte dem Beschwerdeführer als Dienstgeber gemäß § 58 Abs. 2 ASVG nachverrechnete allgemeine Beiträge, Sonderbeiträge und einen Beitragszuschlag in der Höhe von insgesamt S 18.023,90 vor. Aus der einen Bestandteil des Bescheides bildenden, auf Grund einer Beitragsprüfung erstellten Beitragsrechnung ergibt sich, daß der genannte Nachzahlungsbetrag unter anderem nachverrechnete Beiträge für den Dienstnehmer F. für den Zeitraum 1. März bis 9. Juni 1986 und für den Dienstnehmer H. für den Zeitraum 17. bis 30. Juni 1986 im Gesamtbetrage von S 11.566,20 beinhaltet.

In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch und in weiteren im Einspruchsverfahren überreichten Eingaben brachte der Beschwerdeführer (zusammengefaßt) vor, die Einstufung des Dienstnehmers F. mit der Höchstbeitragsgrundlage in der Zeit vom 1. März bis 9. Juni 1986 entspreche nicht den "tatsächlichen Provisionen". Die auf die sozialversicherungspflichtigen Entgelte dieses Dienstnehmers entfallenden Beiträge habe der Beschwerdeführer stets ordnungsgemäß abgerechnet und abgeführt. Von der auf Grund des oben erwähnten Vergleiches geleisteten Zahlung von S 80.000,-- entfielen S 54.000,-- an Verfahrenskosten aus zwei mit dem Dienstnehmer geführten Prozessen, S 13.000,-- auf Provision für Mai 1986 und der Rest auf Kündigungsentschädigung. Für den Dienstnehmer H. seien im Zeitraum 17. Juni bis 30. Juni 1986 aliquotes Fixum und Provision in der Höhe von S 2.701,-- abgerechnet worden. Die Einstufung dieses Dienstgebers in die Höchstbeitragsgrundlage für den genannten Zeitraum durch die Mitbeteiligte sei daher ebenfalls zu Unrecht erfolgt. Den Beitragszeitraum Juli 1986 betreffend habe der Beschwerdeführer der Beitragsanmeldung für H. (einen Handelsvertreter) die Provisionen ausgehend vom Wert der von H. nach dessen Angaben vermittelten Aufträge zugrunde gelegt; erst nachträglich habe er feststellen müssen, daß die Aufträge fingiert gewesen seien. Der tatsächliche Arbeitsverdienst des Dienstnehmers H. sei im Juli 1986 geringer als im Juni gewesen. Der Beschwerdeführer legte im Einspruchsverfahren unter anderem das vom Kreisgericht Ried im Innkreis im Strafverfahren gegen den ehemaligen Dienstnehmer H. aufgenommene Entschädigungsanerkenntnis vor, wonach sich dieser verpflichtete, dem Privatbeteiligten (dem Beschwerdeführer) einen Betrag von S 515.639,-- zu bezahlen. Weiters legte er ein - offenbar dem bereits erwähnten Verfahren 2 Cg 230/86 des Kreisgerichtes Ried im Innkreis zuzuordnendes - Schreiben der Vertreter des Dienstnehmers F. vor, wonach er aufgefordert wurde, zur Abwendung einer Urteilsveröffentlichung zu den Kosten des genannten Verfahrens einen Kostenbeitrag von S 60.000,-- zu leisten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges traf sie zunächst Feststellungen über den oben wiedergegebenen Inhalt des zwischen dem Beschwerdeführer und F. abgeschlossenen Vergleiches und der dem Verfahren zugrundeliegenden Klage. Sie führte weiters aus, gemäß § 539 ASVG seien Vereinbarungen, wonach die Anwendung der Bestimmungen des ASVG zum Nachteil der Versicherten beschränkt wird, ohne rechtliche Wirkung. Ein Vergleich sei demnach so zu verstehen, wie er abgeschlossen worden wäre, wenn an eine Umgehung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nicht gedacht worden wäre. Diese eigenständige sozialversicherungsrechtliche Betrachtungsweise des Umgehungsvergleiches nähme dem tatsächlich geschlossenen Vergleich durchaus nicht seine arbeitsrechtliche Wirkung, er sei also nicht ungültig. Seine inhaltliche Ausgestaltung sei aber für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unmaßgeblich. Da F. unter dem Titel "Provisionen" S 53.123,25 eingeklagt habe, gehe die Mitbeteiligte richtigerweise von der Annahme aus, daß es sich hiebei um Entgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handle. Diese Summe sei in den vorgelegten Lohnzetteln nicht enthalten und habe daher teilweise in die Nachverrechnung einbezogen werden müssen, wobei die Mitbeteiligte ohnedies nur S 16.000,-- als beitragspflichtig angesehen habe, da mit dem restlichen Betrag die Höchstbeitragsgrundlage überschritten worden sei. Der Beschwerdeführer habe einen Beweis dafür, daß diese Ansicht der Mitbeteiligten nicht den Tatsachen entspreche, nicht erbracht. Er habe zwar eine Kostennote vorgelegt, diese stamme jedoch aus einem Verfahren der klagenden Parteien Alfred H. und Josef F. betreffend Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung. Der Vergleichsbetrag von S 13.000,-- unter dem Titel "Provisionen" entspreche der Gehaltsforderung des Dienstnehmers F. in der Höhe von S 13.520,03 und sei daher ohne Zweifel allgemeine Beitragsgrundlage. Im Falle des Dienstnehmers H. habe der Beitragsprüfer bei Einsicht in die Unterlagen des Beschwerdeführers die Beitragsgrundlagen für Juni und Juli 1986 festgestellt. Dagegen stehe die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, H. habe den Betrieb erst kennenlernen müssen. Für die belangte Behörde sei die Feststellung des Kassenprüfers aus den Buchhaltungsunterlagen glaubwürdiger, wonach in der Beitragsgrundlagenmeldung für Juli 1986 von S 40.831,-- Beiträge enthalten gewesen seien, auf die H. bereits im Juni 1986 Anspruch erworben habe. Der Beschwerdeführer habe keine Beweise erbringen können, die die Feststellungen der Mitbeteiligten widerlegt hätten. Auch die im Zuge des weiteren Verfahrens vorgebrachte Behauptung, daß H. überhaupt nicht gearbeitet habe, sei durch nichts bewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Nachverrechnung von Beiträgen für den Dienstnehmer F.:

Für die Beurteilung der beitragsrechtlichen Auswirkungen des zwischen dem Beschwerdeführer und dessen Dienstnehmer F. über die Ansprüche des Letzteren abgeschlossenen Vergleiches kommen - unter anderem im Hinblick darauf, daß nicht festgestellt wurde, ob der Klagsanspruch ausschließlich nach Beendigung des Dienstverhältnisses gebührende Ansprüche oder auch Entgeltansprüche aus der Zeit vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses umfaßte - folgende Vorschriften in Betracht:

Nach § 11 Abs. 1 ASVG erlischt die Pflichtversicherung der in § 10 Abs. 1 bezeichneten Personen, soweit in den Abs. 2 bis 6 nichts anderes bestimmt wird, mit dem Ende des Beschäftigungs-, Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses. Fällt jedoch der Zeitpunkt, an dem der Anspruch auf Entgelt endet, nicht mit dem Zeitpunkt des Endes des Beschäftigungsverhältnisses zusammen, so erlischt die Pflichtversicherung mit dem Ende des Entgeltanspruches.

Wird ein gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleich über den dem Dienstnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses gebührenden Arbeitslohn oder Gehalt abgeschlossen, so verlängert sich die Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG um den Zeitraum, der durch den Vergleichsbetrag (Pauschbetrag) nach Ausscheidung allfälliger, gemäß § 49 nicht zum Entgelt im Sinne dieses Bundesgesetzes gehörender Bezüge, gemessen an den vor dem Austritt aus der Beschäftigung gebührenden Bezügen gedeckt ist.

Nach § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Gemäß § 539 ASVG sind Vereinbarungen, wonach die Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zum Nachteil der Versicherten (ihrer Angehörigen) im voraus ausgeschlossen oder bschränkt wird, ohne rechtliche Wirkung.

Die belangte Behörde vertritt - gestützt auf die zuletzt zitierte Vorschrift - im angefochtenen Bescheid die Auffassung, die inhaltliche Ausgestaltung des abgeschlossenen Vergleiches sei für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unmaßgeblich; davon ausgehend legt sie der beitragsrechtlichen Beurteilung die vom Dienstnehmer F. klageweise geltend gemachten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bzw. nach dessen Beendigung zugrunde. Damit verkennt die belangte Behörde jedoch, daß nach § 539 ASVG (nur) jene Vereinbarungen ohne rechtliche Wirkung sind, wonach die Anwendung der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zum Nachteil der Versicherten (ihrer Angehörigen) im voraus ausgeschlossen oder beschränkt wird. Voraussetzung dafür, daß der Vergleich - insbesondere die darin von den Parteien vorgenommene Widmung des Vergleichsbetrages - im Sinne der zitierten Vorschrift für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unmaßgeblich (wirkungslos) ist (vgl. hiezu Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis 272 ff, Nott, Arbeitsrechtliche Vergleiche und Sozialversicherung, VersRdSch 1962, 285), wäre somit die auf einen konkreten Tatsachenkomplex gegründete Feststellung, daß durch die Vereinbarung zum Nachteil des Versicherten bzw. seiner Angehörigen die Anwendung der Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts im voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden sollte, mit anderen Worten, die auf bestimmte Tatsachen gegründete Annahme der Umgehungsabsicht. So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. April 1961, Zl. 1641/60, die rechtliche Wirkungslosigkeit eines Vergleiches, in dem der Vergleichsbetrag als "Abgangsentschädigung" bezeichnet wurde, deshalb bejaht (und den Vergleichsbetrag als aliquote Abgeltung der klageweise geltend gemachten, im Zuge des Prozesses eingeschränkten Gehalts- und Abfertigungsansprüche aufgefaßt), weil feststand, daß die Bezeichnung "Abgangsentschädigung" von den Vergleichsteilen (insbesondere vom Dienstgeber) nur deshalb gewählt worden war, um vom Vergleichsbetrag keine Sozialversicherungsbeiträge leisten zu müssen.

Die Auffassung, daß der Eintritt der Rechtsfolgen des § 539 ASVG von der Feststellung abhängt, daß der Parteiwille auf die Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften gerichtet war, hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinen Erkenntnissen vom 28. November 1962, Zl. 2031/61, und vom 7. Juli 1965, Zl. 1566/64, beibehalten.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - offenbar von der Rechtsansicht ausgehend, ein arbeitsrechtlicher Vergleich sei in jedem Fall für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung unmaßgeblich - den abgeschlossenen Vergleich als rechtsunwirksam angesehen und der Nachverrechnung von Beiträgen ohne weitere Prüfung die vom Dienstnehmer klageweise geltend gemachten (vom Dienstgeber zunächst offenbar zur Gänze bestrittenen) Ansprüche aus bzw. nach dem Arbeitsverhältnis zugrundegelegt, ohne konkrete Feststellungen darüber zu treffen, ob der Wille der Vergleichsparteien auf eine Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften gerichtet war. Sie hat schon deshalb ihren Bescheid, der eine inhaltliche Trennung in einzelne Punkte nicht zuläßt, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist zu bemerken, daß der Wortlaut eines Vergleiches (die Bezeichnung der verglichenen Ansprüche) für die Beurteilung des Fortbestandes der Pflichtversicherung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0058) und die Beitragsberechnung insoweit unmaßgeblich ist, als beitragspflichtige Entgelte - zur Beitragsvermeidung - fälschlich als beitragsfreie Lohnbestandteile oder sonstige, nicht der Beitragspflicht unterliegende Ansprüche des Dienstgebers bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0058, dargelegt, daß die Behörden der Sozialversicherung bei der Feststellung der sich aus einer vergleichsweisen Vereinbarung ergebenden Ansprüche des Arbeitnehmers an den Wortlaut dieser Vereinbarung insoweit nicht gebunden sind, als Entgeltansprüche im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG allenfalls fälschlich als beitragsfreie Lohnbestandteile im Sinne des § 49 Abs. 3 ASVG deklariert wurden. Derartige, der Beitragsvermeidung dienende Fehlbezeichnungen sind schon deshalb unwirksam, weil § 11 Abs.2 ASVG nur die Nichtberücksichtigung von gemäß § 49 nicht zum Entgelt gehörenden Bezügen erlaubt: Es kommt daher auch im Zusammenhang mit § 11 Abs. 2 ASVG nicht darauf an, welche Bezeichnung die Parteien im Vergleich wählen, sondern darauf, ob die Voraussetzungen für die Beitragsfreiheit tatsächlich vorliegen. Soweit die Feststellung der Beitragsfreiheit hinsichtlich eines bestimmten Betrages nicht möglich ist, liegt im Zweifel jedenfalls beitragspflichtiges Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG vor. Wenn und soweit aber die nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses noch offenen (strittigen) Ansprüche eines Arbeitnehmers tatsächlich teils aus beitragspflichtigen, teils aus beitragsfreien Entgeltbestandteilen bestehen, sind die Parteien eines darüber abgeschlossenen Vergleiches durch keine Rechtsnorm dazu verpflichtet, etwa die Anerkennung der beitragspflichtigen vor den beitragsfreien Ansprüchen zu vereinbaren. Die Vertragsparteien sind vielmehr in der vergleichsweisen Disposition über diese Ansprüche insoweit frei, als durchaus die Leistung der beitragsfreien Ansprüche vereinbart und auf die beitragspflichtigen Gehaltsbestandteile verzichtet werden kann. Eine Grenze fände diese Dispositionsbefugnis jedoch, wenn etwa ein höherer Betrag an beitragsfreien Ansprüchen verglichen worden wäre, als gemessen an den Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 tatsächlich zustünde.

Diese Grundsätze lassen sich sinngemäß auch auf die beitragsrechtliche Beurteilung eines Vergleiches über arbeitsrechtliche Ansprüche übertragen, dessen Gegenstand sowohl die klageweise geltend gemachten Entgeltsforderungen des Dienstnehmers als auch dessen allfälliger Anspruch auf Ersatz der Verfahrenskosten sind: Nicht nur die vom Dienstnehmer geltend gemachten Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bzw. dessen Beendigung, sondern auch der im Prozeß entstehende Anspruch auf Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung stellt einen offenen strittigen Anspruch im oben dargelegten Sinn dar. Im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis steht es den Parteien somit frei, im Vergleichsweg die Befriedigung des dem Dienstnehmer - nach den Vorschriften des Prozeßkostenrechtes und den Tarifvorschriften fiktiv vom vollständigen Obsiegen des Dienstnehmers im Prozeß ausgehend - erwachsenen Kostenersatzanspruch bei gleichzeitigem (allenfalls teilweisem) Verzicht auf die Leistung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu vereinbaren. Ihre Grenze - im Sinne des Verbotes der Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften - fände diese Dispositionsbefugnis dort, wo der verglichene Kostenbetrag den dem Dienstnehmer nach den erwähnten Vorschriften des Kostenrechtes bemessenen Ersatzanspruch bzw. dessen tatsächliche Aufwendungen, insbesondere an Gebühren und Vertretungskosten, überstiege. Im vorliegenden Fall könnte somit ein "Umgehungsvergleich" dann angenommen werden, wenn der verglichene Kostenbetrag die tatsächlichen, in der Zahlung insbesondere von Gebühren und Anwaltskosten bestehenden Aufwendungen des Dienstnehmers bzw. den nach den oben dargelegten Grundsätzen berechneten Kostenersatzanspruch des Dienstnehmers im Prozeß überstiege.

Für den vorliegenden Fall ist - im Hinblick darauf, daß der Vergleich der Bezeichnung nach auch eine Forderung aus einem anderen zwischen den Parteien des Vergleiches geführten Prozeß bereinigt - weiters darauf hinzuweisen, daß es den Prozeßparteien freisteht, in einen Vergleich Forderungen einzubeziehen, die zuvor nicht Gegenstand des Prozesses waren. Sollte der Beschwerdeführer somit tatsächlich, worauf auch die von ihm im Einspruchsverfahren vorgelegte, in der Darlegung des Verfahrensganges erwähnte Anwaltskorrespondenz hindeutet, die Zahlung des im Vergleich genannten Betrages zur Abwendung einer Urteilsveröffentlichung übernommen und tatsächlich geleistet und der Dienstgeber diesen Betrag ebenfalls zur Gänze zur Begleichung von Verfahrenskosten verwendet haben, liegt auch in dieser Vorgangsweise kein Hinweis für die Absicht, sozialversicherungsrechtliche Vorschriften zu umgehen.

Ergäbe somit eine im weiteren Verfahren vorzunehmende Prüfung, daß der Dienstnehmer die unter dem Titel des Kostenersatzes verglichenen und vom Dienstgeber bezahlten Beträge zur Gänze tatsächlich zur Begleichung von Gebühren und Anwaltskosten verwendet hat, so läge in der Aufteilung des Vergleichsbetrages auf Entgelt und Kostenersatz kein Hinweis auf eine Umgehungsabsicht.

Zur Nachverrechnung von Beiträgen für den Dienstnehmer H.:

Die belangte Behörde begründet ihre Auffassung, den Dienstnehmer H. betreffend seien Beträge für Juni 1986 nachzuverrechnen, damit, daß der Beschwerdeführer "Entgelte, auf welche H. bereits im Juni 1986 Anspruch gehabt habe, erst im Juli 1986 verrechnet" habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, daß H. überhaupt nicht gearbeitet habe, sei nicht bewiesen worden.

Ob ein Anspruch auf Geld- oder Sachbezüge im Sinne des § 49 Abs. 1 ASVG besteht, ist nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1990, Zl. 89/08/0185, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Dem angefochtenen Bescheid kann in keiner Weise entnommen werden, auf welcher Tatsachengrundlage die belangte Behörde zur Auffassung gelangte, dem Dienstnehmer H. seien (nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen) bestimmte, vom Dienstgeber im Juli 1986 "verrechnete" Entgeltansprüche nicht erst im Juli, sondern bereits im Juni 1986 entstanden. Der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Sachverhalt ist daher auch die Nachverrechnung der Beiträge des Dienstnehmers H. betreffend - selbst abgesehen davon, daß sich die belangte Behörde nicht mit dem Einwand des Beschwerdeführers, die vorgeblichen Ansprüche des Dienstnehmers beruhten auf fingierten Auftragsvermittlungen, und dem als Beweismittel hiefür vorgelegten Entschädigungsanerkenntnis des Dienstnehmers über einen Betrag von S 515.639,-- auseinandergesetzt hat - ergänzungsbedürftig.

Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Stempelgebühren waren im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG nicht zuzusprechen.

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