VwGH 90/04/0311

VwGH90/04/031126.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 31. August 1990, Zl. 312.493/1-III-3/89, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren wegen Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A in X), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §74 Abs2 Z3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z5;
AVG §42;
GewO 1973 §356 Abs3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §74 Abs2 Z2;
GewO 1973 §74 Abs2 Z3;
GewO 1973 §74 Abs2 Z5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der Änderung ihrer dem Betrieb eines Gastgewerbes gewidmeten Betriebsanlage in Wien 5, B-Gasse 20, hielt der Magistrat der Stadt Wien am 31. August 1988 eine mündliche Augenscheinsverhandlung ab. In der darüber errichteten Niederschrift findet sich eingangs im Rahmen der Bezeichnung der erschienen Personen folgender Satz:

"Nachbarn: C, f.d. D, f. Hrn. N ..."

Ferner findet sich darin folgende Protokollierung:

"Herr C gibt für den Hauseigentümer Herrn N folgende

Stellungnahme zum Ansuchen ab:

Es wird beantragt, daß die Tür vom Extrazimmer zum Hausstiegenhaus auch außerhalb der Betriebszeiten geschlossen zu halten ist. Weiters wird beantragt, daß die Abluftleitung, da zu befürchten ist, daß es selbst wenn das Abzugsrohr bis über 1 m über den Dachfirst herausragt, zu Geruchsbelästigungen der Nachbarn kommt, zumindest 2,5 m über den Dachfirst herausragen muß."

Mit Bescheid vom 15. November 1988 erteilte der Magistrat der Stadt Wien der mitbeteiligten Partei die beantragte Genehmigung unter Vorschreibung mehrerer Auflagen.

Über Berufung des Beschwerdeführers änderte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 31. August 1989 den erstbehördlichen Bescheid durch Abänderung von Auflagen und Vorschreibung neuer Auflagen ab.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid vom 31. August 1990 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten diese Berufung gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 in der bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung in Verbindung mit § 359 Abs. 4 leg. cit. mangels Parteistellung als unzulässig zurück. Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Verfahrensganges und des Inhaltes der §§ 356 Abs. 3 und 359 Abs. 4 GewO 1973 aus, damit Nachbarn einer Betriebsanlage in einem Genehmigungsverfahren gemäß § 356 Abs. 1 leg. cit. Parteisteilung erhielten, sei es erforderlich, daß sie eine Gefährdung des Lebens oder ihrer Gesundheit, ihres Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte oder eine Belästigung durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen und dergleichen geltend machten. Eine solche Rechtsbelehrung sei in der Kundmachung des Magistratischen Bezirksamtes für den 4/5. Bezirk vom 4. Juli 1988 enthalten gewesen. Trotzdem sei von dem während der mündlichen Verhandlung des Magistratischen Bezirksamtes für den 4./5. Bezirk vom 31. August 1988 rechtsfreundlich vertretenen Berufungswerber lediglich vorgebracht worden, die Türe vom Extrazimmer zum Hausstiegenhaus sei auch außerhalb der Betriebszeiten geschlossen zu halten und, da Geruchsbelästigungen der Nachbarn zu befürchten seien, sei das Abzugsrohr der Abluftleitung zumindest 2,5 m über First des Hauses zu führen. Diese Einwendungen seien jedoch nicht solche im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973. Mit dem Antrag, die Türe vom Extrazimmer zum Hausstiegenhaus geschlossen zu halten, habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, in welchen subjektiv-öffentlichen Rechten er selbst dadurch betroffen sei. Mit der Behauptung, es seien Geruchsbelästigungen der Nachbarn zu befürchten, habe er - ohne dazu bevollmächtigt zu sein - subjektiv-öffentliche Rechte der Dritten, jedoch nicht seiner Person, geltend gemacht. Diese Einwendungen seien somit nicht geeignet, eine Parteistellung des Beschwerdeführers zu begründen. Damit fehle dem Beschwerdeführer auch die Legitimation, gegen verwaltungsbehördliche Entscheidungen in diesem Verfahren Rechtsmittel zu ergreifen, da diese Möglichkeit gemäß § 359 Abs. 4 leg. cit. nur den Parteien offenstehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf materielle Erledigung seiner Berufung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im wesentlichen vor, aus den protokollierten Anträgen des Beschwerdeführers in der mündlichen Augenscheinsverhandlung vom 31. August 1988 sei ersichtlich, daß er in seinen Einwendungen die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet und auch ausgeführt habe, welcher Art dieses Recht sei. Unzweifelhaft habe er eine Geruchsbelästigung seiner Person (dies sei auch aus der Textierung im Verhandlungsprotokoll, "Geruchsbelästigung der Nachbarn" eindeutig ersichtlich), behauptet, da ja der Beschwerdeführer auch ein Nachbar sei und er sohin als Nachbar behauptet habe, in einem subjektiven Recht - nämlich der unzumutbaren Geruchsbelästigung - beeinträchtigt zu werden. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer eine Verletzung der Bestimmung des § 13 a AVG 1950 geltend.

Nach § 356 Abs. 3 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, sind im Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.

Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.

Diese Rechtslage gilt auch uneingeschränkt in einem gemäß § 81 GewO 1973 durchzuführenden Verfahren über die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage.

Wie auch die belangte Behörde nicht verkennt, liegt eine Einwendung in diesem Sinn dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11745/A, und die dort zitierte Vorjudikatur). Das heißt, es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs.2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder "in anderer Weise" auftretende Einwirkungen) abgestellt sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1988, Zl. 87/04/0129).

Die belangte Behörde meint, das eingangs wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers, in dem ausdrücklich eine Geruchsbelästigung behauptet werde, sei deshalb nicht als Einwendung in diesem Sinne zu qualifizieren, weil der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf "Nachbarn" Bezug nehme, weshalb dieses Vorbringen als Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte dritter Personen, nicht jedoch seiner Person anzusehen sei.

Dieser Rechtsansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, da eingangs der in Rede stehenden Verhandlungsschrift der Beschwerdeführer ausdrücklich als "Nachbar" bezeichnet wurde, sodaß dieses Vorbringen wohl nur dahin verstanden werden kann, daß der Beschwerdeführer in den genannten Geruchsbelästigungen eine Verletzung (zumindest auch) seiner subjektiv-öffentlichen Rechte erblickte.

Die belangte Behörde verkannte daher die Rechtslage, wenn sie dem in Rede stehenden Vorbringen des Beschwerdeführers die rechtliche Qualifikation einer Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 absprach. Sie belastete daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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