Normen
AVG §13a
AVG §43 Abs2
GewO 1973 §356 Abs3
GewO 1973 §359 Abs4
GewO 1973 §74 Abs2 Z1
GewO 1973 §74 Abs2 Z2
GewO 1973 §74 Abs2 Z3
GewO 1973 §74 Abs2 Z5
GewO 1973 §75 Abs2
GewO 1973 §77 Abs1
GewO 1973 §77 Abs2
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1987040129.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Juli 1986 wurde die Änderung der im Standort Wien XIX, H‑straße 77, gelegenen Tankstelle mit Servicestation der M AG nach Maßgabe der angeschlossenen Pläne sowie der Betriebsbeschreibung gemäß § 81 GewO 1973 unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie vom 8. Oktober 1986 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, wie sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und insbesondere aus der Verhandlungsschrift vom 24. April 1986 ergebe, habe der Beschwerdeführer bei dieser Verhandlung ausgeführt, daß er sich den Anschluß an die Fernwärmeleitung wünsche, wenn diese in unmittelbarer Nähe vorbeigeführt werden sollte. Außerdem seien im Fall der Erneuerung der Waschmaschine der Autowaschanlage und des Hochdruckreinigungsgerätes leisere Maschinen einzubauen. Weiters habe er erklärt, grundsätzlich keine Einwendungen gegen die Genehmigung der Änderung der Tankstelle, des Werkstättentraktes, der Heizanlage und des Espressos zu erheben. Dieses Vorbringen stelle sich nicht als Erhebung von Einwendungen im Sinne des nach § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 dar. Die Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte durch die verfahrensgegenständliche Änderung sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Das Vorbringen bezüglich der Autowaschanlage sei unbeachtlich, weil diese vom gegenständlichen Verfahren nicht betroffen worden sei. Da somit eine Parteistellung nicht begründet worden sei, das Recht der Berufung aber nur Nachbarn zustehe, die Parteien seien, sei die Berufung mangels Parteistellung zurückzuweisen. Bei dieser Rechtslage sei es entbehrlich gewesen, auf die Berufungsausführungen einzugehen. Es sei noch darauf hinzuweisen, daß Parteienrechte auch durch die Zustellung eines Bescheides nicht begründet werden könnten.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 11. Juni 1987 abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Sachentscheidung über die von ihm erhobene Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Juli 1986 verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, dem angefochtenen Bescheid liege insbesondere dadurch ein Begründungsmangel zur Last, daß nicht auf die als Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Verhandlungsschrift vom 24. April 1986 anzusehende Eingabe vom 27. April 1986 und auf die ausdrücklich als „Einwendungen gegen die Verhandlungsschrift vom 24. April 1986“ bezeichnete Eingabe vom 27. Mai 1986 eingegangen worden sei. Bei einer Auseinandersetzung mit diesen Eingaben wäre die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführer die in diesen Eingaben angegebenen Einwendungen erhoben habe, daß ihm also Parteistellung und Berufungsrecht zukomme und dementsprechend über seine Berufung meritorisch zu entscheiden gewesen wäre. Aus den Äußerungen des Beschwerdeführers hätte der Verhandlungsleiter der Verhandlung vom 24. April 1986 mit völliger Eindeutigkeit entnehmen müssen, daß der Beschwerdeführer der Anlagengenehmigung nur unter den von ihm genannten Bedingungen zustimme bzw. nur unter diesen Voraussetzungen keine Einwendungen gegen die Bewilligung an sich erhebe. Er hätte den Beschwerdeführer davon ausgehend darüber belehren müssen, welches die richtige rechtliche Vorgangsweise zur Wahrung seiner Rechte sei. Es sei unzulässig gewesen, daß der Verhandlungsleiter dem Beschwerdeführer erklärt habe, nach Beendigung seiner Ausführungen sei die Sache für ihn erledigt und er könne gehen, wodurch dem Beschwerdeführer insbesondere die Information durch die Sachverständigen und ihre Gutachten vorenthalten geblieben sei, sodaß er überhaupt nicht in der Lage sein konnte, auf Grund eines ihm zustehenden vollen Kenntnisstandes seinen Standpunkt zu beziehen und seine Einwendungen zu formulieren. Weiters sei es auch unzulässig, daß der Verhandlungsleiter dem Beschwerdeführer die unvollständige Verhandlungsschrift unterfertigen habe lassen. Überdies sei selbst hinsichtlich des dem Beschwerdeführer möglich gewesenen Vorbringens eine nicht nur verkürzende, sondern auch sinnentstellende Protokollierung vorgenommen worden. Unter Berücksichtigung des Schreibens des Beschwerdeführers vom 27. April und 27. Mai 1986 sei davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer gänzlich gegen die Heizanlage ausgesprochen habe. Auch bezüglich der bei der Betriebsform einer Selbstbedienungstankstelle wegen deren Gefährlichkeit erhobenen Einwände gehe ebenfalls bereits aus den Schreiben des Beschwerdeführers vom 27. April und 27. Mai 1986 hervor, daß der Beschwerdeführer Bedenken hatte. Der Verhandlungsleiter hätte den Beschwerdeführer darüber belehren müssen, daß der Beschwerdeführer seine Einwände zwecks Erlangung der Parteistellung im Zweifel geltend machen müßte.
Nach § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind in Verfahren über ein Ansuchen um Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Diese Rechtslage gilt auch uneingeschränkt in einem gemäß § 81 GewO 1973 durchzuführenden Verfahrens über die gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage.
Eine Einwendung in diesem Sinn liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A, und die dort zitierte Vorjudikatur). D. h. es muß auf einen oder mehrere der im § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973, im Falle des § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder „in anderer Weise“ auftretende Einwirkungen) abgestellt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1985, Zlen. 84/04/0069, 0111, u. a.).
Laut der Niederschrift über die am 24. April 1986 durchgeführte Augenscheinsverhandlung gab der Beschwerdeführer folgende Erklärung ab:
„Herr AR wünscht sich den Anschluß an die Fernwärmeleitung, wenn diese in unmittelbarer Nähe vorbeigeführt wird; sollte die Waschmaschine der Autowaschanlage erneuert werden, dann soll eine leisere eingebaut werden; das gleiche gelte auch für das Hochdruckreinigungsgerät. Herr Dipl.‑Ing. AR führt weiters aus, daß, wenn eine Betriebsanlage erweitert wird, die gesamte Anlage in die Verhandlung miteinzubeziehen sei. ....... Die hinteren Parkplätze sollen nur für Betriebszwecke benützt werden. ....... Grundsätzlich erhebt Dipl.-Ing. AR jedoch gegen die Genehmigung der Änderung der Tankstelle, des Werkstättentraktes, der Heizanlage als auch des Espressos keine Einwände und entfernt sich nach Unterschriftsleistung.“
Ausgehend von dieser Erklärung kann der belangten Behörde keine rechtswidrige Gesetzesanwendung angelastet werden, wenn sie vom Mangel einer Parteistellung des Beschwerdeführers im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren mangels Erhebung geeigneter qualifizierter Einwendungen im Sinne der oben dargestellten Rechtslage ausging; der Erklärung läßt sich nämlich nicht einmal entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt erachtet.
An dieser Beurteilung vermag auch nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer nach Zustellung der Verhandlungsschrift, die in Kurzschrift errichtet und sodann übertragen worden war, mit Schreiben vom 27. Mai 1986 Einwendungen gegen die Protokollierung der Verhandlung vom 24. April 1986 erhoben hatte. Wie eine vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte Kopie dieses - in den vorgelegten Verwaltungsakten nicht enthaltenen - Schreibens zeigt, wurde dieses am 27. Mai 1986 laut Eingangsstempel auch beim Magistratischen Bezirksamt für den 19. Bezirk eingebracht. In diesem Schreiben führte der Beschwerdeführer u. a. aus, er habe nicht gesagt, daß er gegen die Genehmigung der Änderung der Tankstelle, des Werkstättentraktes, der Heizanlage als auch des Espressos grundsätzlich keine Einwände erhebe, sondern er habe folgendes gesagt: „Ich bin jedoch grundsätzlich nicht dagegen, mit Ausnahme obiger Einwendung natürlich.“ Daraus folge jedoch eindeutig, daß er gegen die Genehmigung der Errichtung der Heizanlage einen Einwand erhoben habe.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, daß der Beschwerdeführer in der Augenscheinsverhandlung vom 24. April 1986 sein Vorbringen so formulierte, wie er in seinem Schreiben vom 27. Mai 1986 behauptet, so weist dieses Vorbringen nicht die Gestaltung auf, daß aus seinem Inhalt die für die Erlangung der Parteistellung essentielle Behauptung der Verletzung eines subjektiv‑öffentlichen Rechtes hervorgeht. Ist doch dem Vorbringen ‑ auch in der im Schreiben vom 27. Mai 1986 behaupteten Gestaltung ‑ nicht zu entnehmen, inwiefern der Beschwerdeführer ein nach der dargestellten Gesetzeslage verfolgbares Nachbarrecht geltend gemacht hätte, nämlich im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 nicht gefährdet oder - jenseits der Zumutbarkeitsgrenzen (§ 77 Abs. 1 und 2) ‑ nicht belästigt, nicht beeinträchtigt oder nachteilig betroffen zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1985, Zlen. 84/04/0069, 0111). Daran vermag auch die Erklärung, grundsätzlich ‑ mit Ausnahme obiger Einwände ‑ nicht gegen die Erteilung der Betriebsanlagengenehmigung zu sein, nichts zu ändern, da das vom Beschwerdeführer als „Einwände“ bezeichnete Vorbringen eben nicht als Einwendung im Rechtssinn zu qualifizieren ist.
Wenn der Beschwerdeführer sich darauf beruft, es sei unzulässig gewesen, daß der Verhandlungsleiter dem Beschwerdeführer erklärt habe, nach Beendigung seiner Ausführungen sei die Sache für ihn erledigt und er könne gehen, wodurch ihm die Informationen durch die Sachverständigen und ihre Gutachten vorenthalten geblieben seien, sodaß er überhaupt nicht in der Lage sein konnte, auf Grund eines ihm zustehenden vollen Kenntnisstandes seinen Standpunkt zu beziehen und seine Einwendungen zu formulieren, so vermag er auch mit diesem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun. Auch wenn dem Beschwerdeführer die Gutachten dgr Sachverständigen nicht bekannt gewesen waren, war er nicht daran gehindert darzulegen, welche seiner subjektiven Rechte ‑ behauptungsmäßig ‑ durch das fragliche Projekt verletzt würden. Dadurch war er allenfalls gehindert, die Verletzung eines behaupteten subjektiven Rechtes näher zu begründen, was aber zur Begründung der Rechtsfolge des § 356 Abs. 3 GewO 1973 nicht erforderlich gewesen wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A); zumal auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet wird, er sei vom Verhandlungsleiter an der (weiteren) Teilnahme an der Verhandlung und damit an der Mitwirkung bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes gehindert worden.
Aber auch das Vorbringen, der Verhandlungsleiter hätte aus den Äußerungen des Beschwerdeführers mit völliger Eindeutigkeit entnehmen müssen, daß er der Anlagengenehmigung nur unter den von ihm genannten Bedingungen zustimme, und ihn davon ausgehend darüber hätte belehren müssen, welches die richtige rechtliche Vorgangsweise zur Wahrung seiner Rechte sei, vermag an der vorgenommenen rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 42 AVG 1950 als auch zu § 356 Abs. 3 GewO 1973 ausgesprochen hat (vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 1985, Slg. N. F. Nr. 11.745/A, und die dort zitierte Vorjudikatur), besteht eine Manuduktionspflicht des Verhandlungsleiters dann nicht, wenn an den betreffenden Beteiligten des Verwaltungsverfahrens eine rechtzeitige Verständigung von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die sich aus § 42 AVG 1950 ergebenden Rechtsfolgen unterlassener Einwendungen erging. Der Beschwerdeführer wurde durch Anschlag im Haus Wien, B-gasse vom Gegenstand und Ort und Zeit der Augenscheinsverhandlung verständigt. Diese Verständigung enthält auch den Hinweis, daß gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 Nachbarn in diesem Verfahren nur dann Partei sind, wenn sie spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 1 Z. 1, 2, 3 oder 5 GewO 1973 erheben; Einwendungen gegen den Gegenstand der Verhandlung, die nicht spätestens am Tag vor der Verhandlung der Behörde bekanntgegeben oder während der Verhandlung vorgebracht werden, können keine Berücksichtigung mehr finden und es wird angenommen, daß sie dem Gegenstand bei der Verhandlung zustimmen. Da der Beschwerdeführer von der Verhandlung am 24. April 1986 ordnungsgemäß verständigt wurde, bestand im Hinblick auf die in der Kundmachung zur Verhandlung enthaltene Rechtsbelehrung keine darüber hinausgehende Manuduktionspflicht der Behörde.
Die Beschwerde erweist sich somit nicht als begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 22. November 1988
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