VwGH 90/02/0155

VwGH90/02/015523.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Mai 1990, Zl. MA 70-11/1053/89/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 17. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 16. März 1989 um 22.30 Uhr an einer bestimmten Örtlichkeit in Wien einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und sich geweigert habe, die Atemluft von einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht auf Alkoholgehalt messen zu lassen, obwohl habe vermutet werden können, daß sich der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer bei der Vornahme der Atemluftprobe mittels eines als "Alkomat" bezeichneten Gerätes im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b StVO 1960 ein Verhalten gesetzt habe, welches das gültige Zustandekommen eines Meßergebnisses verhindert habe. Traf diese Sachverhaltsannahme zu, so war darin - wie die belangte Behörde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richtig erkannt hat (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 28. Juni 1989, Zl. 89/02/0022, und vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0024) - grundsätzlich eine Verweigerung der Atemluftprobe gemäß § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu erblicken. Der Beschwerdeführer hat sich aber schon im Verwaltungsstrafverfahren darauf berufen, daß es ihm zufolge einer Lungenerkrankung nicht möglich gewesen sei, "den Alko-Test ordnungsgemäß durchzuführen", was er auch den beiden einschreitenden Polizeibeamten bei der betreffenden Amtshandlung - wie aus der Anzeige hervorgeht - mitgeteilt habe. Die belangte Behörde hat dazu den Standpunkt vertreten, daß die Rechtfertigung des Beschwerdeführers "nicht verifiziert werden konnte", weil er "einerseits selbst keine diesbezüglichen Beweismittel angeboten, andererseits die gutächtliche Stellungnahme des Amtssachverständigen die Unwahrscheinlichkeit dieser Verantwortung manifestiert hat".

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG 1950 verpflichtet war, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, und der Beschwerdeführer gar nicht aufgefordert wurde, geeignete Unterlagen über die von ihm behauptete Erkrankung beizubringen. Was aber die "gutächtliche Stellungnahme des Amtssachverständigen" vom 12. September 1989 anlangt, so entbehrt die darin enthaltene, abschließende (und in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene) Aussage, "auf Grund des lungenfachärztlichen Befundes vom 11.9.1989 erscheint es unwahrscheinlich, daß der Untersuchte infolge einer Erkrankung der Lunge nicht in der Lage ist, den Alkotest durchzuführen", der Schlüssigkeit. In dem genannten "lungenfachärztlichen Befund" heißt es lediglich, daß ein "Lungenfilm" vom 4. September 1989 beim Beschwerdeführer einen "normalen Lungenbefund" ergeben habe und die "Lungenfunktion" vom 8. September 1989 "nicht verwertbar" sei, "da der Patient behauptet, er kann nicht blasen, es ist ihm nicht einmal möglich, eine Kerze auszublasen, obwohl er beim Gehen und Laufen und bei Belastung ausreichend Luft bekommt". Es ist daraus nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Untersuchung stattgefunden hat bzw. unterblieben ist und welche Ergebnisse, mögen sie auch "nicht verwertbar" gewesen sein, sie erbracht haben; aus den Worten "nicht verwertbar" muß immerhin geschlossen werden, daß diesbezüglich irgendwelche Untersuchungsergebnisse vorgelegen sind. Ihre mangelnde Verwertbarkeit wäre auch näher zu begründen gewesen, konnte sie doch nicht in bloßen Behauptungen des Beschwerdeführers anläßlich dieser Untersuchung gelegen sein. Es ist daraus weiters nicht klar erkennbar, ob damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die vom Beschwerdeführer dabei gemachten Angaben widersprüchlich sind, und ob ihm auf Grund dessen faktisch unterstellt worden ist, simuliert zu haben. In der "gutächtlichen Stellungnahme" vom 12. September 1989 erfolgte damit keine Auseinandersetzung, und es ist die daraus abgeleitete Schlußfolgerung, die im übrigen das Vorliegen der vom Beschwerdeführer behaupteten Erkrankung (durch den Gebrauch des Wortes "unwahrscheinlich") keineswegs ausschließt, für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Dazu kommt, daß die belangte Behörde die schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 5. Oktober 1989 unberücksichtigt gelassen hat, in der er sich gegen die "gutächtliche Stellungnahme" vom 12. September 1989 gewandt und u.a. ausgeführt hat, "daß es mir nicht möglich ist zu laufen oder mich Belastungen auszusetzen und daher sicher ein Unterschied gegeben ist, ob man lediglich normal geht oder eine Tätigkeit ausführt, wobei die Lungenfunktion beansprucht wird"; dies wäre aber dann von Belang gewesen, wenn die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich der Lungenfunktionsprüfung als maßgeblich herangezogen worden sein sollten. Die belangte Behörde hätte auch diesbezüglich eine Klärung des maßgebenden Sachverhaltes herbeiführen müssen und insgesamt auf Grund der bisherigen (unzureichenden) Ermittlungsergebnisse nicht davon ausgehen dürfen, daß "die Verweigerung der Atemluftuntersuchung keine Rechtfertigung hatte".

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil in dem mit S 10.110,-- pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

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