VwGH 89/08/0351

VwGH89/08/035122.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der S gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 20. Oktober 1989, Zl. 124.697/9-7/1989, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. R, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in Wien X, Wienerbergstraße 15-19, 3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter in Wien IX, Roßauer Lände 3, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AlVG 1977 §1 Abs1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §45 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß der Erstmitbeteiligte in der Zeit vom 25. Juli 1986 bis 31. Oktober 1986 auf Grund seiner Beschäftigung als Botendienstfahrer bei der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Versicherungspflicht in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung unterliege. Die Begründung des Bescheides unterscheidet sich von jener des zur Zl. 89/08/0349 angefochtenen, die Versicherungspflicht eines anderen Botendienstfahrers, nämlich des M, betreffenden Bescheides (sie ist in dem zu dieser Zahl am heutigen Tag ergangenen Erkenntnis wiedergegeben) nur in folgendem: Die belangte Behörde zitiert die Aussage des Erstmitbeteiligten vom 29. Jänner 1988. Danach sei zwischen ihm und der Beschwerdeführerin vormals ein Arbeitsverhältnis für länger als eine Woche vereinbart worden. Sämtliche Arbeitsleistungen für sie seien von ihm selbst und persönlich erbracht worden. Seine Aufgabe habe darin bestanden, mit dem Pkw-Kastenwagen über Funk diverse Aufträge durchzuführen. Von ihm selbst seien nie irgendwelche Funkaufträge abgelehnt worden. Während seiner Tätigkeit sei er wöchentlich 40 Stunden und mehr im Einsatz gewesen. Jeden Freitag sei der Pkw bei der Beschwerdeführerin abgestellt worden und zugleich sei an diesem Tag die wöchentliche Abrechnung erfolgt. Durch die Beschwerdeführerin sei sehr wohl darauf geachtet worden, daß er das Firmenauto voll zum Einsatz bringe. Im Anschluß an die ebenfalls wiedergegebene Aussage des M vom 9. Februar 1987 heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter:

Die belangte Behörde sei bei Würdigung der schriftlichen Vereinbarungen im Zusammenhalt mit den zitierten Angaben des Erstmitbeteiligten und des M zu der Auffassung gelangt, daß die übereinstimmenden Sachverhaltsdarstellungen des Erstmitbeteiligten und des M als erwiesen anzunehmen seien und daß sich daraus ein Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit ergebe. Die anschließenden rechtlichen Überlegungen unterscheiden sich lediglich in der Begründung für das von der belangten Behörde angenommene Weisungsrecht der Beschwerdeführerin. Diesbezüglich heißt es nämlich: Daß im vorliegenden Fall trotz des weitgehenden faktischen Verzichtes auf Weisungen ein Weisungsrecht der Beschwerdeführerin als Dienstgeberin bestanden habe und der Erstmitbeteiligte auch Ordnungsvorschriften unterlegen sei, gehe schon daraus hervor, daß das zur Verfügung gestellte Kraftfahrzeug zur anderweitigen Verfügung zurückzustellen gewesen sei, wenn es wegen tageweiser Abwesenheit der Fahrer nicht vereinbarungsgemäß benützt worden sei und die Beschwerdeführerin so und überhaupt auf die Auslastung ihres Firmenfahrzeuges geachtet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin aus denselben Gründen wie in ihrer Beschwerde zur Zl. 89/08/0349 (auch diese Ausführungen sind in dem zu dieser Zahl ergangenen Erkenntnis vom heutigen Tag wiedergegeben) inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Wiener Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 89/08/0349, hat der Verwaltungsgerichtshof näher dargelegt, aus welchen Gründen in der Beschäftigung des M als Botendienstfahrer der Beschwerdeführerin dann, wenn man hinsichtlich der Art dieser Beschäftigung von seinen Aussagen ausgeht, die Merkmale persönlicher Unabhängigkeit überwogen. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Im Falle der von der belangten Behörde angenommenen "Übereinstimmung" der Aussagen des Erstmitbeteiligten mit jener des M (dem Wortlaut oder zumindest der rechtlichen Bewertung nach) wäre daher auch der in diesem Verfahren angefochtene Bescheid - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen - schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Aussage des Erstmitbeteiligten unterscheidet sich aber von jener des M zumindest dem Wortlaut nach in zwei Punkten:

  1. 1. sei er wöchentlich 40 Stunden und mehr im Einsatz gewesen;
  2. 2. sei von der Beschwerdeführerin "sehr wohl darauf geachtet" worden, "daß ich das Firmenauto voll zum Einsatz bringe".

Diese sich hinsichtlich ihres Wortlautes von der Aussage des M unterscheidenden Bekundungen des Erstmitbeteiligten schließen freilich nicht notwendig eine Übereinstimmung in ihrer auf die persönliche Abhängigkeit des Erstmitbeteiligten bezogenen rechtlichen Bewertung aus. Sollte nämlich - zufolge der Zugrundelegung der Aussage des M - auch dem Erstmitbeteiligten das Recht zugekommen sein, Aufträge ohne Sanktion abzulehnen (seine Aussage, er habe keine Aufträge abgelehnt, schließt ein solches Recht nicht aus), so könnte das Achten der Beschwerdeführerin auf den vollen Einsatz des Autos nur als bloßes, weithin sanktionsloses Bemühen verstanden werden; trotz des Einsatzes des Erstmitbeteiligten durch 40 Stunden und mehr wöchentlich änderte sich daher an der im Erkenntnis zur Zl. 89/08/0349 dargelegten rechtlichen Bewertung nichts.

Die Aussage des Erstmitbeteiligten, die Beschwerdeführerin habe darauf geachtet, daß er das Auto voll zum Einsatz bringe, könnte aber auch dahin verstanden werden, es habe ein solches Ablehnungsrecht gefehlt und es sei daraus, wie dies die belangte Behörde abschließend tut, auch auf ein Weisungsrecht der Beschwerdeführerin zu schließen. Dies indizierte unter Bedachtnahme auf die Arbeitszeit des Erstmitbeteiligten eine andere rechtliche Beurteilung als im Fall zur Zl. 89/08/0349.

Da aus diesen Gründen die ihrem Wortlaut nach unterschiedlichen Aussagen des Erstmitbeteiligten des M doch auch eine unterschiedliche Bewertung zur Folge haben können, hätte die belangte Behörde eindeutig feststellen müssen, welchen der insofern unterschiedlichen Versionen sie im Beschwerdefall (bezogen auf die Beschäftigung des Erstmitbeteiligten) folgt. Da sie dies - offensichtlich auf Grund ihrer im Erkenntnis zur Zl. 89/08/0349 als unrichtig dargestellten Auffassung - nicht getan hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Begehren auf Stempelgebührenersatz war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.

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