VwGH 88/17/0203

VwGH88/17/02035.7.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des H R in E, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in K gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 23. Juni 1988, Zl. MDR - R 64/87 u. R 65/87, betreffend Vergnügungssteuer, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §138 Abs1;
LAO Wr 1962 §107 Abs1;
LAO Wr 1962 §90 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1963 §22 Abs1 idF 1986/035;
BAO §115 Abs1;
BAO §138 Abs1;
LAO Wr 1962 §107 Abs1;
LAO Wr 1962 §90 Abs1;
VergnügungssteuerG Wr 1963 §22 Abs1 idF 1986/035;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 4/7, vom 13. November 1987, Zl. MA 4/7-K 174/87, wurde dem Beschwerdeführer "gemäß §§ 1, 2, 6, 8 und § 22 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963 in der Fassung des LGBl. für Wien Nr. 35/1986, sowie des § 149 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO - LGBl. für Wien Nr. 21/1962 in der derzeit geltenden Fassung, für die Vorführung von Filmen (Videofilmen) in seinem Betrieb N-Kino, Wien, während des Abrechnungszeitraumes (Kalendermonates) 1. bis 31. Juli 1987," eine Vergnügungssteuer von insgesamt S 20.293,-- zuzüglich eines Säumniszuschlages von S 406,-- vorgeschrieben. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, vom Beschwerdeführer seien in seinem oben genannten Betrieb nachstehend genannte Filme vorgeführt worden, in denen in mehr als 10 v.H. der Filmlänge bzw. Vorführdauer sexuelle Handlungen dargestellt würden:

"FILMTITEL: AMTLICHE FEST- VERANSTALTUNGSTAGE:

STELLUNG VOM:

 

... ... ...

... ... ...

'Angelina' 24. Juli 1987 31. Juli 1987."

 

Mit weiterem Bescheid vom 13. November 1987,

 

Zl. MA 4/7-K 175/87, wurde dem Beschwerdeführer in gleicher

 

Weise für den Abrechnungszeitraum 1. bis 31. August 1987 eine

 

Vergnügungssteuer in Höhe von S 6.085,-- zuzüglich eines

 

Säumniszuschlages von S 122,-- vorgeschrieben. In der

 

Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt:

 

"FILMTITEL: AMTLICHE FEST- VERANSTALTUNGSTAGE:

STELLUNG VOM:

'Angelina -

von allen

begehrt' 24. Juli 1987 1. bis 6. August 1987."

In der gegen diese beiden Bescheide unter einem erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der Film "Angelina - von allen begehrt" sei laut Begründung des erstinstanzlichen Bescheides am 24. Juli 1987 amtlich geprüft worden. Das N-Kino habe jedoch diesen Film erst ab 31. Juli 1987 in der gekürzten Fassung eingesetzt. In diesem Film schienen nicht mehr als 10 v.H. an sexuellen Handlungen auf.

In seinen nach Ergehen abweisender Berufungsvorentscheidungen erstatteten Vorlageanträgen brachte der Beschwerdeführer inhaltlich übereinstimmend weiters vor, die "amtliche Feststellung" vom 24. Juli 1987 habe im N-Kino, Wien, nicht getroffen werden können, da zu diesem Zeitpunkt der Film dort nicht gelaufen sei.

Mit Vorhalt vom 15. Februar 1988 forderte die Magistratsdirektion der Stadt Wien, Rechtsmittelbüro, den Beschwerdeführer auf, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens konkrete Beweismittel für seine Behauptung vorzulegen oder namhaft zu machen, der Film "Angelina - von allen begehrt" sei in der "Soft-Version" gelaufen.

Mit Schriftsatz vom 3. März 1988 brachte der Beschwerdeführer hiezu vor, die in Rede stehende Kopie des genannten Filmes befinde sich in seinem eigenen Verleih; der Beschwerdeführer habe diese persönlich auf eine "Soft-Version" geschnitten. Die Sexszenen seien absichtlich entfernt worden, damit keine 20 % "Pornosteuer" zu bezahlen seien.

Mit weiterem Vorhalt vom 7. März 1988 wurde der Beschwerdeführer "eingeladen", binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens für das erstattete Vorbringen konkrete Beweismittel vorzulegen oder namhaft zu machen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die Berufung gegen die beiden gegenständlichen Abgabenbescheide der ersten Instanz als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die der Steuerbemessung zugrundeliegenden Filme erfüllten nach den Feststellungen des Revisionsorganes die Voraussetzungen des steuerpflichtigen Tatbestandes nach § 22 Abs. 1 VergnStG. In den auf eigenen Wahrnehmungen beruhenden Berichten seien jene Handlungen so detailliert beschrieben, daß ein Urteil, ob sie als Darstellung sexueller Handlungen zu werten seien, leicht möglich sei. Die Zeitdauer sei mit einer Stoppuhr festgehalten worden. Hinsichtlich des Filmes "Angelina" sei einzuräumen, daß die Feststellungen des Revisionsorganes nicht anläßlich einer Vorführung im N-Kino erfolgt seien. Allerdings habe der Beschwerdeführer trotz behördlicher Aufforderung für seine Behauptung keine Beweismittel vorlegen oder namhaft machen können. Die Abgabenberufungskommission habe daher den nicht belegten Angaben des Beschwerdeführers über eine "Soft-Version" des Filmes keinen Glauben schenken können.

Weiters begründete die belangte Behörde die Verhängung des Säumniszuschlages.

Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 26. September 1988, B 1396/88-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß ihm für die Vorführung der genannten Filme Vergnügungssteuer nicht vorgeschrieben werde. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 1 des Vergnügungssteuergesetzes für Wien 1963, LGBl. für Wien Nr. 11, idF LGBl. Nr. 35/1986 beträgt die Vergnügungssteuer vom Entgelt 20 v.H. des steuerpflichtigen Entgeltes, wenn Filme (Videofilme) vorgeführt werden, in denen in mehr als 10 v.H. des Filmes sexuelle Handlungen dargestellt werden. Die Pauschsteuer nach § 20 ist mit dem Zweifachen des dort angeführten Satzes zu entrichten.

Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung der Einholung eines Sachverständigengutachtens im vorliegenden Fall rügt, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des gleichfalls den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnisses vom heutigen Tage, Zl. 88/17/0197, verwiesen.

Zutreffend macht der Beschwerdeführer als weiteren Verfahrensmangel geltend, daß die belangte Behörde sein Vorbringen hinsichtlich des Filmes "Angelina - von allen begehrt" nicht überprüft habe.

Gemäß § 90 Abs. 1 WAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabenpflicht und die Verwaltung der Abgaben wesentlich sind. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle haben die Abgbenbehörden Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen. Gemäß § 144 Abs. 1 WAO sind Beweise von Amts wegen oder auf Antrag aufzunehmen.

Zwar normiert § 107 Abs. 1 WAO die Obliegenheit der Abgabepflichtigen, in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Die Nichtvorlage der von der Partei verlangten Nachweise enthob jedoch die belangte Behörde bei der gegebenen Sachlage nicht der Aufgabe, den maßgebenden Sachverhalt erschöpfend von Amts wegen zu ermitteln, zumal eine amtswegige Beweisaufnahme weder unmöglich noch unzumutbar war. Dies träfe nur dann zu, wenn Umstände vorlägen, die die belangte Behörde ohne Mitwirkung des Abgabepflichtigen unvollständig oder gar nicht ermitteln könnte (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 84/16/0100, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer hat - wie oben dargestellt - in seinem Schriftsatz vom 3. März 1988 ausgeführt, er habe den gegenständlichen Film PERSÖNLICH "auf eine Soft-Version geschnitten". Nichts hinderte die belangte Behörde daran, den Beschwerdeführer, der offenbar selbst am besten in der Lage war, über diese Behauptung Auskunft zu geben, als Partei einzuvernehmen (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 27. Juni 1985), und - falls sie dies für erforderlich hielt - etwa auch die Vorführung der gekürzten Filmversion zu verlangen. Dies wäre umso notwendiger gewesen, als der gegenständliche Film, wie aus dem im Akt erliegenden Bericht vom 24. Juli 1987 hervorgeht, tatsächlich an diesem Tage nicht im N-Kino, sondern im Kino "X3" überprüft wurde. Es ist daher nicht von vornherein von der Hand zu weisen, daß die im N-Kino ab 31. Juli 1987 gezeigte Version von jener, die im Kino "X3" lief, sich in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sinne unterschied.

Die nochmalige Aufforderung vom 7. März 1988 war daher entbehrlich; daraus, daß der Beschwerdeführer ihr nicht nachkam, können keine für ihn nachteiligen Folgerungen abgeleitet werden.

Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist und gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG der Beschwerdeführer als obsiegende Partei lediglich Anspruch auf Ersatz jener Stempelgebühr hat, die er im Verfahren vor dem VERWALTUNGSGERICHTSHOF zu entrichten hatte (vgl. hiezu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 681, wiedergegebene Rechtsprechung).

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