VwGH 90/19/0107

VwGH90/19/010718.6.1990

N gegen Landeshauptmann von Niederösterreich vom 1. September 1989, Zl. VII/1-V-1008/43/2-89, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes.

Normen

AAV §13 Abs1;
AAV §13 Abs2;
AAV §13 Abs3;
AAV §85 Abs3;
AAV §86 Abs1;
VStG §27 Abs1;
AAV §13 Abs1;
AAV §13 Abs2;
AAV §13 Abs3;
AAV §85 Abs3;
AAV §86 Abs1;
VStG §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 31. März 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 14. September 1988 als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma U-GmbH, H, X-Straße 11, "1.) nicht jedem der fünf bei der Firma U-GmbH in Wien VI, A, beschäftigten Arbeitnehmern einen ausreichend großen, luftigen und versperrbaren Kasten zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung zur Verfügung gestellt, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche, geschützt ist;

2.) den bei der U-GmbH in Wien VI, A, beschäftigten Arbeitnehmern nicht eine den Bestimmungen des § 85 Abs. 3 AAV entsprechende Abortanlage zur Verfügung gestellt, als die Abortanlage mit dem Arbeitsraum für Blumenbinderarbeiten und, nachdem dieser Raum zum Verkaufsraum in offener Verbindung steht, auch dieser Verkaufsraum, nicht durch einen direkt ins Freie entlüftbaren Vorraum getrennt war; 3.) nicht dafür gesorgt, daß die Lüftung in den Arbeitsräumen der Betriebsanlage in Wien VI, A, den Vorschriften des § 13 Abs. 1, 2 und 3 AAV entspricht, weil im Verkaufsraum und im Nebenraum (Arbeitsplatz für Blumenbinder) weder durch eine natürliche Lüftung z.B. über Fenster, noch über eine künstliche Lüftung z. B. Ventilatoren, für die Zufuhr frischer und die Abfuhr verunreinigter Luft Sorge getroffen war." Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1.) gemäß § 86 Abs. 1 AAV, zu 2.) gemäß § 85 Abs. 3 AAV und zu 3.) gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 und 3 AAV begangen. Hiefür wurden über ihn je eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzarreststrafe je 5 Tage) gemäß § 31 AnSchG verhängt.

Mit Bescheid vom 1. September 1989 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) der vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis erhobenen Berufung gemäß § 51 VStG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte das angefochtene Straferkenntnis. Gleichzeitig wurden die Übertretungsnormen auf a) § 14 Abs. 3 AnSchG in Verbindung mit § 86 Abs. 1 AAV sowie § 31 Abs. 3 lit. b AnSchG, b) § 85 Abs. 3 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p AnSchG, c) § 13 Abs. 1 bis 3 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p AnSchG und die Strafnormen auf a) § 31 Abs. 3 AnSchG, b) § 31 Abs. 2 AnSchG und c) § 31 Abs. 2 AnSchG richtiggestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Vom Beschwerdeführer wird - im Ergebnis - allein geltend gemacht, daß die belangte Behörde (richtig wohl: die Behörde erster Instanz) örtlich unzuständig gewesen sei und der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält die Behörde erster Instanz (Bezirkshauptmannschaft Korneuburg) in erster Linie deshalb zur Strafverfolgung der ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen örtlich für unzuständig, weil er die Ansicht vertritt, im gegenständlichen Verfahren handle es sich um Verpflichtungen, die am Standort Wien VI., A, zu erbringen gewesen wären. Es sei daher die für den Standort Wien VI., A, örtlich zuständige Behörde zur Entscheidung über die ihm vorgeworfenen Übertretungen berufen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag dem Beschwerdeführer in dieser Hinsicht nicht zu folgen. In dem von der Beschwerde zitierten, eine Beschwerde des Beschwerdeführers betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1988, Zlen. 87/08/0307, 0308, 0332, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, daß für die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden nichts anderes als zum Arbeitszeitgesetz und zum Arbeitsruhegesetz gilt. Für den Bereich des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung etc. beziehen - und dies trifft auch auf in Filialen gegliederte Unternehmungen zu -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird (also insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes), an. Vielmehr ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Als der Ort, an dem die in der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, ist der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen. Aus den weiteren, vom Beschwerdeführer zur Stützung seiner Ansicht herangezogenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1988, Zl. 88/04/0121, und vom 23. Mai 1989, Zl. 88/04/0344, die ebenfalls in den Beschwerdeführer betreffenden Beschwerdefällen ergangen sind, kann für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen werden. Beide Fälle betrafen nämlich Verwaltungsübertretungen des § 367 Z. 26 GewO 1973. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesen Erkenntnissen dargelegt, daß dadurch, daß diese Gesetzesstelle auf die in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen und Aufträge verweist, das jeweilige, in einem solchen Bescheid enthalte Gebot oder Verbot Teil des Straftatbestandes werde. Ausgehend davon könne aber in Ansehung dieses Straftatbestandes, der auf beim Betrieb der Anlage einzuhaltende Auflagen abgestellt sei, entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht angenommen werden, daß diese Verwaltungsübertretung - bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen - nicht am Standort der Betriebsanlage, sondern am hievon abweichenden Sitz der Unternehmensleitung begangen worden wäre. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesen Erkenntnissen noch betont, daß die zur Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde auf den Sitz der Unternehmensleitung abstellende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung andere Verwaltungsstraftatbestände betreffe.

Für den Fall, daß der Verwaltungsgerichtshof den ersten Einwand, die örtliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz betreffend, nicht teilen sollte, führt die Beschwerde weiters aus, daß auch dann die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg zur Strafverfolgung örtlich unzuständig gewesen wäre, weil zum Tatzeitpunkt (14. September 1988) die U-GmbH ihren handelsrechtlichen Sitz in S/K gehabt habe. Laut Handelsregister sei die Sitzverlegung nach H erst am 8. Februar 1989 erfolgt.

Vom Beschwerdeführer - wie offenbar auch von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift - wird bei Berufung auf die Rechtsprechung verkannt, daß der Verwaltungsgerichtshof darin durchaus nicht den Standpunkt eingenommen hat, für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde sei ausschließlich der Ort maßgebend, den das Handelsregister als Sitz des Unternehmens nennt. Diese Auffassung wäre mit den bereits zitierten Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2 und 27 Abs. 1 VStG 1950 unvereinbar, da sich aus diesen klar ergibt, daß eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder, bei Unterlassungsdelikten, handeln hätte sollen. Da dem Beschwerdeführer die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet wird, ist auch im gegenständlichen Fall für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend, an dem der Beschwerdeführer tätig hätte werden sollen ("handeln hätte sollen"). Das ist aber jener Ort, von dem aus der Beschwerdeführer die ihm obliegende Unternehmensleitung im Tatzeitpunkt tatsächlich ausgeübt hat bzw. ausüben hätte sollen. Dieser Ort kann und wird in der Regel identisch sein mit dem Firmensitz, der im Handelsregister eingetragen ist, doch ist für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1950 nur der Ort maßgebend, an dem die Unternehmensleitung tatsächlich ausgeübt wird. Ist dies ein anderer Ort als der im Handelsregister angegebene Firmensitz, so kann aus letzterem nicht auf die örtlich zuständige Behörde geschlossen werden (vgl. insbesondere das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. März 1990, Zlen. 90/19/0091, 0092, 0093, und die dort zitierten weiteren Erkenntnisse, sowie das zuletzt ergangene Erkenntnis vom 14. Mai 1990, Zlen. 90/19/0018, 0019, 0020, 0115).

Aus den in den Verwaltungsakten festgehaltenen Ergebnissen der vor der Abtretung des Verfahrens von der Bezirkshauptmannschaft Baden an die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg gemäß § 29 a VStG 1950 durchgeführten Erhebungen ist zu entnehmen, daß zum Tatzeitpunkt im Handelsregister der Firmensitz der U-GmbH mit S/K eingetragen war, daß aber von diesem Ort keine Unternehmensleitung ausgeübt wurde. Die ihm als Geschäftsführer obliegende Tätigkeit (Unternehmensleitung) hat der Beschwerdeführer seit eh und je - also auch zum Tatzeitpunkt - an dem Sitz einer Filiale der U-GmbH in H, X-Straße 11, wo der Beschwerdeführer gleichzeitig seinen Wohnsitz hat, ausgeübt.

Da diesen Erhebungsergebnissen vom Beschwerdeführer nicht widersprochen wurde, und sie überdies in zahlreichen anderen den Beschwerdeführer betreffenden Beschwerdeverfahren ihre Bestätigung finden, kann ohne Zweifel davon ausgegangen werden, daß die im gegenständlichen Fall eingeschrittene Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die zur Verfolgung der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretungen örtlich zuständige Behörde war. Wenngleich auch die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg im gegenständlichen Fall ihre Zuständigkeit nur abgeleitet aus der erfolgten Abtretung des Strafverfahrens gemäß § 29 a VStG 1950 wahrgenommen hat, so kann dies im Ergebnis nichts daran ändern, daß sie aus den dargelegten Gründen als die zur Strafverfolgung örtlich zuständige Behörde tätig geworden ist. Die von der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung liegt daher nicht vor.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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