VwGH 90/19/0014

VwGH90/19/001414.5.1990

H gegen Landeshauptmann von Steiermark vom 14. Dezember 1989, Zl. 5-212 Ha 27/2-89, betreffend Aufhebung eines Straferkenntnisses wegen örtlicher Unzuständigkeit

Normen

AZG §9;
VStG §27 Abs1;
AZG §9;
VStG §27 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.550,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur vom 5. Mai 1989 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe "als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Arbeitgeber der Firma A-GmbH mit Standort G, X-Straße 25", nicht dafür Sorge getragen, daß, wie bei einer am 15. Feber 1989 im genannten Unternehmen durch ein Organ des Arbeitsinspektorates Leoben durchgeführten Arbeitszeiterhebung für den Monat Jänner 1989 festgestellt worden sei, in Ansehung zweier namentlich genannter Arbeitnehmer die tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit von fünfzig Stunden (laut beiliegender Aufstellung) nicht überschritten werde. Er habe dadurch § 9 Abs. 1 VStG 1950 in Verbindung mit § 9 erster Halbsatz bzw. § 9 zweiter Halbsatz des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, verletzt. Es wurden deshalb über den Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 des zuletzt genannten Gesetzes Geldstrafen (Ersatzarrest) verhängt.

2. Aus Anlaß der gegen dieses Straferkenntnis sowohl vom Arbeitsinspektorat Leoben als auch vom Beschwerdeführer erhobenen Berufungen erließ der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Dezember 1989, mit dem das Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 24 VStG 1950 im Grunde des § 27 Abs. 1 VStG 1950 wegen örtlicher Unzuständigkeit aufgehoben wurde.

Begründend führte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1989, Zl. 88/08/0208, aus, daß es für den Bereich des VStG 1950 auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung usw. bezögen, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort ankomme, an dem das Unternehmen betrieben werde, also insbesondere nicht auf den Ort, wo die einzelnen Arbeitnehmer tatsächlich ihre Arbeit versehen hätten. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen worden seien, um die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Übertretungen an den Arbeitsstellen in Kapfenberg zu vermeiden, sei der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen. Wie anhand eines vom Handelsgericht Wien übermittelten Handelsregisterauszuges vom 29. November 1989 festzustellen gewesen sei, befinde sich der Sitz der A-GmbH in Wien. Da der Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufenes Organ bestraft worden sei, sei die Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur örtlich nicht zuständig gewesen.

3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens vor der örtlich zuständigen Behörde verletzt und begehrt die Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In Ausführung des Beschwerdepunktes bringt die Beschwerde vor, daß die gesamte Geschäftsleitung (einschließlich des Beschwerdeführers) ihren Sitz in G habe; alle Weisungen und Anordnungen der Geschäftsleitung würden von

G aus wirksam. Die belangte Behörde, die im bekämpften Bescheid auf den Sitz der Unternehmensleitung abstelle, meine damit offensichtlich den handelsrechtlichen Sitz. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stütze diese Ansicht nicht. Vielmehr ergebe sich aus den Erkenntnissen Zl. 88/08/0075 und Zl. 88/08/0049 ganz klar, daß unter dem Sitz der Unternehmensleitung der Ort zu verstehen sei, an dem die Unternehmensleitung tatsächlich handle. Daß damit der handelsrechtliche Sitz gemeint sei (an dem nicht gehandelt werde), sei diesen Erkenntnissen nicht zu entnehmen. Der Ort des tatsächlichen Handelns aber sei im Beschwerdefall, was an sich nicht einmal von der belangten Behörde bestritten werde,

G. Die Zuständigkeit der in erster Instanz tätig gewordenen Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur sei damit eindeutig gegeben. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde im Recht.

2. Für den Bereich des VStG 1950 kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung usw. beziehen, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird, an. Vielmehr ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, um die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen im Betrieb in G zu vermeiden, ist der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Erkenntnisse vom 19. Mai 1988, Zl. 88/08/0075, vom 31. März 1989, Zl. 88/08/0049, vom 31. März 1989, Zl. 88/08/0208 und zuletzt vom 12. März 1990, Zlen. 90/19/0091, 0092, 0093). Mit dem Beschwerdeführer und entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zum Ausdruck gebrachten Meinung ist festzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof dazu nie, und somit auch nicht in den von der belangten Behörde ins Treffen geführten Erkenntnissen Zl. 88/08/0075 und Zl. 88/08/0208, die Auffassung vertreten hat, es sei unter dem "Sitz der Unternehmensleitung" der handelsrechtliche Sitz des Unternehmens zu verstehen. Das Gegenteil ist der Fall: In seinem Erkenntnis Zlen. 90/19/0091, 0092, 0093 hat der Gerichtshof auf einen diesbezüglichen Einwand der in jenen Beschwerdefällen belangten Behörde bezugnehmend ausgesprochen, dem Umstand, daß das Unternehmen "laut dem Handelsregister seinen Firmensitz in Wien hat, kann angesichts der Tatsache, daß dessenungeachtet die Unternehmensleitung die Geschäftsführung in P ausübt, für die Frage der örtlichen Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde keine rechtliche Bedeutung zukommen".

Die Unternehmensleitung der A-GmbH befindet sich nach der Aktenlage in G. Dort hat nach den insoweit unwiderlegt gebliebenen Beschwerdeausführungen die "gesamte Geschäftsleitung" ihren Sitz, von dort aus werden "alle Weisungen und Anordnungen der Geschäftsleitung" wirksam. Wenn die belangte Behörde dazu in ihrer Gegenschrift vorbringt, es sei lediglich behauptet worden, alle Weisungen und Anordnungen "würden von G aus wirksam, nicht aber, daß diese auch dort gegeben worden sind", so ist dieser Einwand nicht verständlich, kann doch der Hinweis, alle Weisungen und Anordnungen würden "von G aus wirksam" nur dahin verstanden werden, daß diese dort ihren Ursprung hätten, also eben an diesem Ort erteilt würden.

Da der Beschwerdeführer als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung der A-GmbH nach außen berufenes Organ bestraft worden ist, war dafür die Bezirkshauptmannschaft Bruck a. d. Mur die örtlich zuständige Strafbehörde.

3. Die mit dem bekämpften Bescheid ausgesprochene Aufhebung des gegenüber dem Beschwerdeführer erlassenen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bruck a.d. Mur vom 5. Mai 1989 wegen deren örtlicher Unzuständigkeit entspricht somit nicht der Rechtslage. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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