VwGH 88/08/0075

VwGH88/08/007519.5.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Liska und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kirchner, über die Beschwerde des ME in G, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien IX, Wasagasse 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. November 1987, Zl. MA 63-E 6/87/Str, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §81 Abs3;
AAV §81 Abs5;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
VStG §27 Abs1;
AAV §81 Abs3;
AAV §81 Abs5;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
VStG §27 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Straferkenntnis des Magistratischen Bezirksamtes für den

10. Bezirk vom 19. November 1986 wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer am 29. April 1986 in der Betriebsanlage in Wien 10, als zur Vertretung nach außen Berufener (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der H-Gesellschaft m.b.H. die Vorschriften der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, wonach

1. eine ausführliche Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung, Vermerke mit den Namen der für die Erste-Hilfe-Leistung ausgebildeten Personen sowie je nach den Erfordernissen Vermerke über Unfallmeldestelle, Krankentransportmittel, Ärzte und Krankenhäuser in jedem Behälter nach § 81 Abs. 2 enthalten oder an bzw. neben diesem angebracht sein müssen, insofern nicht eingehalten, als in der Betriebsanlage bzw. im Behälter für die Mittel zur Ersten-Hilfe-Leistung keine Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung und keine entsprechenden Vermerke vorhanden waren,

2. in Betrieben bis zu vier Arbeitnehmern sowie auf auswärtigen Arbeitsstellen bis zu 19 Arbeitnehmern eine Person für die Erste-Hilfe-Leistung nachweislich ausgebildet sein soll, in Betrieben mit 5 bis 20 Arbeitnehmern sowie auf auswärtigen Arbeitsstellen, auf denen regelmäßig 20 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigt werden, mindestens eine Person diese Voraussetzungen erfüllen muß, insofern nicht eingehalten, als in Betrieben mit 9 Arbeitnehmern keine Person für die Erste-Hilfe-Leistung nachweislich ausgebildet war und

3. für den Aufenthalt während der Arbeitspausen den Arbeitnehmern zumindest entsprechende freie Plätze mit einer ausreichenden Zahl von Sitzgelegenheiten und Tischen für das Einnehmen der Mahlzeiten sowie Einrichtungen für das Wärmen mitgebrachter Speisen zur Verfügung stehen müssen, insofern nicht eingehalten, als den Arbeitnehmern keine Einrichtung für das Wärmen mitgebrachter Speisen zur Verfügung gestellt wurde. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 81 Abs. 3 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. g Arbeitnehmerschutzgesetz, § 81 Abs. 5 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. g Arbeitnehmerschutzgesetz und § 87 Abs. 1 AAV in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz sowie in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 begangen. Über den Beschwerdeführer wurden Geldstrafen von dreimal je S 1.000,--, insgesamt S 3.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafen, Ersatzarreststrafen von dreimal je 36 Stunden, insgesamt 108 Stunden, verhängt. Außerdem habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG 1950 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens dreimal je S 100,--, insgesamt S 300,--, zu bezahlen und gemäß § 67 VStG 1950 die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Über diese Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid entschieden, wobei Punkt 1 hinsichtlich des Vorwurfes, daß in der Betriebsanlage bzw. im Behälter für die Mittel zur Ersten-Hilfe-Leistung keine entsprechenden Vermerke vorhanden waren, behoben und das Verfahren in dieser Hinsicht gemäß § 45 Abs. 1 lit. a des Verwaltungsstrafgesetzes 1950 eingestellt wurde. Im übrigen wurde das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz mit der Maßgabe bestätigt, daß im Punkt 1 der letzte Halbsatz "insofern nicht eingehalten, als im Behälter für die Bereithaltung der Mittel zur Ersten-Hilfe-Leistung keine Anleitung zur Ersten-Hilfe-Leistung enthalten war und eine solche auch nicht an dem Behälter oder neben diesem angebracht war" zu lauten habe; die Strafe hiefür wurde mit S 500,--, bei Uneinbringlichkeit 18 Stunden Arrest, neu bemessen und der diesbezügliche erstinstanzliche Kostenbeitrag mit S 50,-- festgesetzt. Die Bestätigung erfolgte überdies mit der Maßgabe, daß durch die in den Punkten 1. bis 3. umschriebenen Verhalten zu 1. § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 81 Abs. 3 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), zu 2. Punkt 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 81 Abs. 5 AAV und zu Punkt 3. § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 87 Abs. 1 AAV verletzt wurden, sowie mit der Änderung, daß die bei der Verhängung der Strafen angewendete Gesetzesbestimmung "§ 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz" zu lauten habe. Zu den Verwaltungsübertretungen Punkt 2. und 3. wurde gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 ein Betrag von je S 100,--, zusammen S 200,-- als Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Bereich des VStG 1950 kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung usw. beziehen - und dies trifft auch auf in Filialen gegliederte Unternehmungen zu -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort, an dem das Unternehmen betrieben wird (also insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes), an. Vielmehr ist gemäß § 27 Abs. 1 VStG 1950 örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen wurden, um die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in der Filiale in Wien 10 zu vermeiden, ist der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen (vgl. insbesondere die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0231, vom 26. März 1987, Zl. 87/08/0031, vom 17. März 1988, Zlen. 87/08/0307, 0308 und 0332, sowie vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0013).

Wie sich aus einer Mitteilung des Kreis- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt ergibt, befindet sich der Sitz der H-Gesellschaft m. b.H. in E. Weil der Beschwerdeführer als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1950 zur Vertretung dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach außen berufenes Organ bestraft wurde, war das Magistratische Bezirksamt für den 10. Bezirk (Magistrat der Stadt Wien) örtlich nicht zuständig.

Die belangte Behörde nahm diese örtliche Unzuständigkeit nicht wahr und belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der infolge dessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.

Ungeachtet des diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers konnte von der Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden, weil der angefochtene Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 19. Mai 1988

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