Normen
KFG 1967 §71 Abs3;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
KFG 1967 §71 Abs3;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 20. Februar 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 22. Oktober 1989 um 22,30 Uhr in Wien 19., Grinzinger Straße 129, ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt und anläßlich der durchgeführten Lenker- und Fahrzeugkontrolle einen am 9. 1. 1960 von der Bundespolizeidirektion Graz ausgestellten Führerschein vorgewiesen zu haben, "wobei dieser Führerschein ungültig geworden war, da das im Führerschein befindliche Lichtbild mit" dem "Aussehen" des Beschwerdeführers "vom 22. 10. 89 nicht mehr ident war und auch keine Ähnlichkeit mehr erkannt werden konnte. Weiters waren weder der Name noch das Geburtsdatum leicht und sicher abzulesen". Der Beschwerdeführer habe es "daher unterlassen, zeitgerecht einen Antrag auf einen neuen Führerschein zu stellen". Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 71 Abs. 3 KFG 1967 begangen, weshalb über ihn eine Geld- und Ersatzarreststrafe verhängt worden ist.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Juni 1990 wurde dieses Straferkenntnis auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in der Schuldfrage bestätigt, die Strafe jedoch herabgesetzt.
In der Begründung dieses Bescheides führte die Berufungsbehörde aus, daß der Meldungsleger anläßlich einer am 22. Oktober 1989 durchgeführten Fahrzeugkontrolle festgestellt habe, daß im Führerschein des Beschwerdeführers weder dessen Name noch dessen Geburtsdatum leicht und sicher abzulesen seien. Außerdem sei das im Führerschein befindliche Foto mit dem jetzigen Aussehen des Beschwerdeführers nicht mehr ident und könne auch keine Ähnlichkeit mehr erkannt werden. Die Berufungsbehörde habe zur eigenen Beurteilung den fraglichen Führerschein beim Verkehrsamt Wien eingeholt, da der Beschwerdeführer mittlerweile einen am 28. Dezember 1989 ausgestellten Führerschein erhalten habe, um diese Fragen aus eigener Anschauung zu beurteilen. Zur Lesbarkeit des Namens und des Geburtsdatums werde bemerkt, daß der obere Rand des Führerscheines schon so abgenützt sei, daß der obere Querbalken des "T" von "T..." überhaupt nicht mehr erkennbar sei. Auch hinsichtlich des vorgestellten "Dr. iur." ergäben sich deutliche Ableseschwierigkeiten. So sei die obere Hälfte des "D" nicht mehr sichtbar und auch das "r" von "Dr." könne nur mehr erahnt werden. Die Ziffer "2" von "1932" könne ebenfalls nur sehr ungenau erkannt werden. Jedenfalls müsse objektiv behauptet werden, daß ein Teil der Schrift unkenntlich oder zumindest schwer erkennbar geworden sei, weshalb die diesbezügliche Anlastung im Straferkenntnis durchaus zutreffend sei. Hinsichtlich des Aussehens des Beschwerdeführers und seiner Erkennbarkeit auf dem seinerzeitigen Führerscheinfoto verweise die Berufungsbehörde auf die im Akt befindliche Fotokopie des alten Fotos und auf ein neues Foto des Beschwerdeführers im Akt über die Erteilung des Duplikatführerscheines. Außerdem sei der Beschwerdeführer am 2. April 1990 persönlich in der Mag. Abt. 70 erschienen, wobei sich der Referent von dem derzeitigen Aussehen des Beschwerdeführers selbst habe überzeugen können. Im Hinblick darauf müsse objektiv festgestellt werden, daß die beiden Fotos selbstverständlich verschieden seien, schließlich würden ja fast 30 Jahre (so groß sei der Unterschied zwischen den beiden Fotos) an keinem spurlos vorübergehen. Eine gewisse Ähnlichkeit in den Gesichtszügen könne auch nicht abgesprochen werden, jedoch sehe der Beschwerdeführer auf dem alten Foto im Vergleich zu seinem heutigen Aussehen aus wie sein eigener Sohn. Es möge sein, daß der Beschwerdeführer für einen Verwandten oder näheren Bekannten anhand des alten Fotos einwandfrei erkennbar gewesen sei, jedoch keinesfalls für einen Fremden, wie im gegenständlichen Fall für den Meldungsleger. Obwohl selbstverständlich nicht anzunehmen gewesen sei, daß sich der Beschwerdeführer eines falschen Führerscheines bedient habe, habe doch im Hinblick auf die verstrichene Zeit von fast 30 Jahren die einwandfreie Erkennbarkeit des Beschwerdeführers gelitten, weshalb auch die diesbezügliche Anlastung im Spruch des Straferkenntnisses zutreffend sei. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 3 KFG 1967 ist ein Führerschein ungültig, wenn die behördlichen Eintragungen, Unterschriften oder Stempel unkenntlich geworden sind, das Lichtbild fehlt oder den Besitzer nicht mehr einwandfrei erkennen läßt oder Beschädigungen oder Merkmale seine Vollständigkeit, Einheit oder Echtheit in Frage stellen. Der Besitzer des ungültig gewordenen Führerscheines hat unverzüglich die Ausstellung eines neuen Führerscheines oder die Vornahme der erforderlichen Ergänzungen zu beantragen.
Gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Daraus folgt, daß im Spruch eines wegen einer Übertretung des § 71 Abs. 3 KFG 1967 ergehenden Straferkenntnisses neben dem Vorwurf, daß der Führerscheinbesitzer die Stellung eines Antrages auf Ausstellung eines neuen Führerscheines unterlassen hat, das Tatbestandsmerkmal enthalten sein muß, wodurch der Führerschein ungültig geworden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 13. März 1979, Zlen. 3489, 3490/78).
Die belangte Behörde hat den Schuldspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses bestätigt und ist daher u. a. davon ausgegangen, daß der Führerschein des Beschwerdeführers deshalb ungültig war, weil das im Führerschein befindliche Lichtbild mit dem "Aussehen" des Beschwerdeführers "nicht mehr ident war", und darüber hinaus "weder der Name noch das Geburtsdatum leicht und sicher abzulesen waren". Diese Feststellungen stimmen allerdings mit dem Wortlaut des § 71 Abs. 3 KFG 1967 insofern nicht überein, als im Gesetz für die Ungültigkeit des Führerscheines, wie dem vorstehend wiedergegebenen Wortlaut dieser Norm zu entnehmen ist, u.a. verlangt wird, daß das Lichtbild den Besitzer nicht mehr einwandfrei erkennen läßt. Es ist also nicht entscheidend, ob das Aussehen des Beschwerdeführers auf dem im Führerschein befindlichen Lichtbild mit jenem zur Tatzeit "ident" ist, weil sonst jede Veränderung im Aussehen (wie etwa eine geänderte Frisur oder gar die auf einem Farbfoto erkennbare Veränderung der Gesichtsfarbe des Führerscheininhabers) die Ungültigkeit des Führerscheines zur Folge hätte. Ferner kommt es nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 3 leg. cit. nicht darauf an, ob der Name und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers im Führerschein "leicht und sicher abzulesen" waren, sondern darauf, ob die diesbezüglichen Eintragungen "unkenntlich geworden sind", wovon jedenfalls dann nicht die Rede sein kann, wenn diese Eintragungen zwar nicht "leicht und sicher", aber doch noch lesbar gewesen sind. Die belangte Behörde hat demnach einen Schuldspruch bestätigt, welcher dem Erfordernis des § 44a lit. a VStG 1950 insofern nicht entspricht, als er im aufgezeigten Sinn nicht mit allen Tatbestandsmerkmalen der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b leg. cit. übereinstimmt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N. F. Nr. 11.466/A).
Der angefochtene Bescheid ist daher schon aus diesem Grunde inhaltlich rechtswidrig, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß die belangte Behörde die BEGRÜNDUNG des angefochtenen Bescheides teilweise auf die verba legalia des § 71 Abs. 3 KFG 1967 gestützt hat.
Im übrigen soll aus prozeßökonomischen Gründen nicht unerwähnt bleiben, daß nach der im Akt erliegenden Ablichtung des im Beschwerdefall entscheidenden Teiles des inkriminierten Führerscheines von einer "Unkenntlichkeit" der den Namen und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers betreffenden Eintragungen nicht die Rede sein kann, und hinsichtlich der einwandfreien Erkennbarkeit des Beschwerdeführers auf dem in diesem Führerschein befindlichen Lichtbild auf den Aktenvermerk vom 2. April 1990 des Referenten der belangten Behörde zu verweisen ist, in welchem dieser festgehalten hat, daß er an dem betreffenden Tag im Stiegenhaus (offenbar des Amtsgebäudes) mit dem Beschwerdeführer zusammengetroffen ist und "ihn (auf Grund des abgelichteten Führerscheins im Akt ...) sofort erkennen und mit Namen ansprechen konnte". Der Referent habe nach den weiteren Ausführungen in diesem Aktenvermerk feststellen können, "daß das heutige Aussehen" des Beschwerdeführers "im wesentlichen im Vergleich zu dem alten Foto unverändert geblieben ist". Man könne den Beschwerdeführer "anhand des alten Fotos einwandfrei identizifieren" und es habe "das Bild große Ähnlichkeit mit dem derzeitigen Aussehen". Im Gegensatz dazu hat die belangte Behörde in der schon wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung vertreten, es möge sein, daß der Beschwerdeführer "für einen Verwandten oder näheren Bekannten anhand des alten Fotos einwandfrei erkennbar gewesen wäre, jedoch keinesfalls für einen Fremden". Dieser Widerspruch stellt einen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen Verfahrensmangel dar, der in dem wegen dieses Faktums allenfalls fortzusetzenden Verfahren zu beseitigen sein wird.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß der angefochtene Bescheid schon wegen der weiter oben aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, wobei die in der Beschwerde aufgeworfene Verschuldensfrage erst zu erörtern sein wird, wenn die nach der derzeitigen Aktenlage bestehenden Zweifel an der Verwirklichung des Tatbestandes beseitigt sind.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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