Normen
ABGB §1002;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §63;
AVG §71 Abs1 lita;
VStG §51;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
ABGB §1002;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §63;
AVG §71 Abs1 lita;
VStG §51;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
I.
(zur hg. Zl. 90/18/0050)
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Jänner 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, vom 26. April 1989, Zl. Pst. 8751/Mg/88, mit welchem über den Beschwerdeführer Verwaltungsstrafen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 verhängt worden waren, gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 "als unbegründet abgewiesen".
II.
(zur hg. Zl. 90/18/0051)
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. Jänner 1990 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, vom 26. April 1989, Zl. Pst. 8751/Mg/88, mit welchem gegen den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 verhängt worden war, gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 "als unbegründet abgewiesen".
III.
Gleichzeitig wurden mit den erwähnten Bescheiden die
jeweiligen Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet
zurückgewiesen.
IV.
In den Begründungen beider Bescheide wurde im Zusammenhang mit der Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer geltend gemacht habe, zur ÖAMTC-Rechtsberatung gegangen zu sein und gebeten zu haben, die vorliegende Berufungsschrift auf ihre rechtliche Relevanz zu prüfen. Auf Grund des Umstandes, daß die Rechtsabteilung des ÖAMTC andauernd mit der Abfassung von Berufungen befaßt sei, habe der Beschwerdeführer der ihm durch Frau Mag. XY. gemachten Zusage vertraut, daß noch nie ein Fall einer Verspätung vorgekommen sei. Daher sei er nicht gehalten gewesen, die rechtzeitige Einbringung der Berufung zu überrüfen. Das Versehen beim ÖAMTC sei auf Grund einer entschuldbaren Fehlleistung der zuverlässigen Sekretärin, Frau HZ., entstanden, welcher noch nie ein Fristversäumnis assiert sei. Des weiteren wurde in den Begründungen der in Rede stehenden Berufungsbescheide auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 1978, Slg. N. F. Nr. 9706/A, verwiesen, in welchem der Gerichtshof zum Ausdruck gebracht habe, daß derjenige, der von der artei (in diesem Fall Vater - Sohn) bloß beauftragt sei, eine Bescheidausfertigung zum bevollmächtigten Rechtsanwalt zu bringen, damit dieser gegen den Bescheid ein Rechtsmittel ergreife, "Bote" und nicht Bevollmächtigter sei. Versäume der Bote den Auftrag, so könne darin für die artei nur dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das ohne ihr Verschulden die Einhaltung der Frist verhindere, erblickt werden, wenn sie der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungsflicht nachgekommen sei. Tatsache sei, daß im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführer keine andere erson zu seiner Vertretung bevollmächtigt habe. In Anlehnung an das zitierte Erkenntnis habe sich der Beschwerdeführer der genannten ersonen, Frau Mag. XY . und Frau HZ ., gleichsam als Boten bedient, die er offenbar mit der Verfassung des Textes des Rechtsmittels und der ostaufgabe beauftragt habe. Von der Auftragserteilung abgesehen gehe aus dem Antrag auf Wiedereinsetzung eindeutig hervor, daß sich der Beschwerdeführer um die Erfüllung seines Auftrages, nämlich die rechtzeitige ostaufgabe (Einhaltung der Rechtsmittelfrist) nicht weiter gekümmert habe, sondern sich vielmehr auf eine Zusage verlassen habe, daß noch nie ein Fall einer Versätung vorgekommen sei. Damit sei der Beschwerdeführer aber seiner Überwachungsflicht nicht nachgekommen und habe daher auch kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorgelegen, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert habe. Die Behörde erster Instanz habe daher zu Recht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben gewesen sei.
V.
Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden
Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.
Der Gerichtshof hat über die wegen ihres ersönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden, die sich erkennbar nur gegen die Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge richten, nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangten Behörden erwogen:
Zunächst ist im Hinblick auf diesbezügliche Ausführungen in den Gegenschriften darauf hinzuweisen, daß die vorliegenden Beschwerden entsrechend den vom Gerichtshof durchgeführten Ermittlungen bereits am 8. März 1990 zur ost gegeben worden sind, weshalb angesichts der am 25. Jänner 1990 erfolgten Zustellung der angefochtenen Bescheide davon auszugehen ist, daß sie innerhalb der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG eingebracht worden sind. Da die Tage des ostenlaufes in diese Frist nicht eingerechnet werden (vgl. die zufolge § 62 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwendende Regelung des § 33 Abs. 3 AVG 1950), kommt dem in der Gegenschrift hervorgehobenen Umstand, daß die Beschwerde "erst am 9. 3. 1990 beim Verwaltungsgerichtshof einlangte", unter diesem Gesichtsunkt keine Bedeutung zu. Die Beschwerden sind daher rechtzeitig eingebracht worden.
Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der artei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die artei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.
Die belangten Behörden haben sich in den Begründungen der angefochtenen Bescheide, wie schon erwähnt, auf das hg. Erkenntnis vom 28. November 1978, Slg. N. F. Nr. 9706/A, berufen, in welchem der Gerichtshof ausgesrochen hat, daß derjenige, welcher von der artei beauftragt ist, eine Bescheidausfertigung zum bevollmächtigten Rechtsanwalt zu bringen, damit dieser gegen den Bescheid ein Rechtsmittel ergreife, "Bote" und nicht Bevollmächtigter ist. Versäumt der Bote den Auftrag, so kann darin für die artei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das ohne ihr Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert, erblickt werden, wenn sie der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungsflicht nachgekommen ist.
Ferner sind die belangten Behörden entsrechend den wiedergegebenen Begründungen der angefochtenen Bescheide davon ausgegangen, daß sich der Beschwerdeführer zweier ersonen "gleichsam als Boten bedient hat, die er offenbar mit der Verfassung des Textes des Rechtsmittels und der ostaufgabe beauftragte". Der Beschwerdeführer habe sich "um die Erfüllung des Auftrages, nämlich die rechtzeitige ostaufgabe (Einhaltung der Rechtsmittelfrist) nicht weiter gekümmert" und sich vielmehr auf eine Zusage verlassen, daß noch nie ein Fall der Versätung vorgekommen sei. Er sei damit aber seiner Überwachungsflicht nicht nachgekommen, weshalb kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorgelegen sei, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert habe.
Unter Zugrundelegung der ausdrücklichen Annahme der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer die erwähnten beiden ersonen "mit der Verfassung des Textes des Rechtsmittels und der ostaufgabe beauftragte", kann sich der Gerichtshof der Auffassung der belangten Behörden nicht anschließen, daß sich der Beschwerdeführer dieser ersonen "gleichsam als Boten bedient hat", weil sich die Aufgabe des Boten eines Rechtsmittels darin erschöft, das diesbezügliche - fertige und nicht erst anzufertigende - Schriftstück an eine bestimmte Stelle zu bringen. Die in Rede stehenden beiden ersonen wären also nur dann als (bloße) Boten zu qualifizieren gewesen, wenn sie die schon fertig verfaßte, kuvertierte und frankierte Berufung vom Beschwerdeführer mit dem Auftrag übernommen hätten, sie rechtzeitig zur ost zu geben. Von einem derartigen Sachverhalt kann aber nicht die Rede sein, wenn der Beschwerdeführer, wie die belangten Behörden ausdrücklich gemeint haben, auch den Auftrag zur "Verfassung des Textes des Rechtsmittels" erteilt hat, woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, daß der Beschwerdeführer die beiden ersonen nicht bevollmächtigt hat.
Im Fall eines Vertretungsverhältnisses hätte sich der Beschwerdeführer jedenfalls auf die zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungsflicht des Bevollmächtigten berufen können (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. N. F. Nr. 9226/A) und hätte daher nicht zu überwachen gehabt, ob seinem an den Bevollmächtigten erteilten Auftrag, das Rechtsmittel zu verfassen und (rechtzeitig) zur ost zu bringen (oder bei der zuständigen Behörde abzugeben), entsrochen worden ist. Der Gerichtshof ist allerdings der Meinung, daß ungeachtet des Fehlens eines förmlichen Vertretungsverhältnisses im Beschwerdefall entscheidend ist, daß die von den in Rede stehenden beiden ersonen zu vertretende versätete ostaufgabe des Rechtsmittels für den Beschwerdeführer im Sinne des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 unvorhergesehen war, wenn man bedenkt, daß, wie der Beschwerdeführer in seinen Wiedereinsetzungsanträgen zutreffend ausgeführt hat, "die Rechtsabteilung des ÖAMTC andauernd mit der Abfassung von Berufungen befaßt ist", sodaß der Beschwerdeführer angesichts der bei dieser Institution von ihm als selbstverständlich vorauszusetzenden Erfahrung bei der Verfassung und Einbringung von Rechtsmitteln in Verwaltungsstrafsachen die versätete ostaufgabe des Rechtsmittels nicht einzuberechnen hatte und ihm auch nicht eine diesbezügliche Aufmerksamkeit und Vorsicht zuzumuten war (vgl. zum Begriff "unvorhergesehen" das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1976, Slg. N. F. Nr. 9024/A). Unter diesem Gesichtsunkt kann der Gerichtshof den belangten Behörden daher im Ergebnis nicht folgen, daß der Beschwerdeführer seiner Überwachungsflicht nicht entsrochen habe und daher auch kein unvorhergesehenes "und" (richtig wohl: oder) unabwendbares Ereignis vorgelegen gewesen sei, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert habe.
Damit haben die belangten Behörden die Rechtslage verkannt, weshalb die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben waren.
Die Aussrüche über den Aufwandersatz gründen sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Die Abweisung des Mehrbegehrens des Beschwerdeführers betrifft den Ersatz nicht erforderlicher Stemelgebühren.
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