VwGH 90/18/0017

VwGH90/18/001720.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler,

Dr. Degischer, Dr. Domittner und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der Michaela N gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 11. Jänner 1990, Zl. 573.060/10-VI/16/89, betreffend Entschädigung nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §56;
HVG §55 Abs1;
HVG §55 Abs2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §2 Abs1;
ImpfSchG §2;
ImpfSchG §3 Abs1;
ImpfSchG §3 Abs2;
ImpfSchG §4 Abs1;
ImpfSchG §4;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
HVG §55 Abs1;
HVG §55 Abs2;
ImpfSchG §1;
ImpfSchG §2 Abs1;
ImpfSchG §2;
ImpfSchG §3 Abs1;
ImpfSchG §3 Abs2;
ImpfSchG §4 Abs1;
ImpfSchG §4;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 27. Juni 1974 wurde die Gesundheitsschädigung der Beschwerdeführerin als Folge der Pockenimpfung anerkannt. Infolge ihrer 100 %igen Erwerbsunfähigkeit wurde ab 1. Juli 1975 eine Beschädigtenrente und eine Pflegezulage der Stufe I zuerkannt. Diese Leistungen werden vom Bund monatlich erbracht. Am 8. September 1981 fragte die Burgenländische Landesregierung beim Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz schriftlich an, ob die für die Unterbringung der Beschwerdeführerin in der Tagesheimstätte Walbersdorf der Österreichischen Gesellschaft "Rettet das Kind" auflaufenden Verpflegskosten von S 215,-- täglich zuzüglich Umsatzsteuer nach dem Impfschadengesetz übernommen werden. Mit Schreiben vom 19. März 1982 teilte der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz der Burgenländischen Landesregierung mit, daß die Kosten für die Unterbringung der Beschwerdeführerin in der genannten Tagesheimstätte Walbersdorf gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Impfschadengesetzes aus Bundesmitteln übernommen werden. In der Folge wurden Zahlungen an die Österreichische Gesellschaft "Rettet das Kind" geleistet, wobei in einem Schreiben des genannten Bundesministers an die Gesellschaft vom 17. Mai 1982 als Rechtsgrundlage (nur) § 2 Abs. 1 Impfschadengesetz erwähnt wurde. Auch in zahlreichen weiteren Schreiben des genannten Bundesministers an die genannte Gesellschaft wurde als Rechtsgrundlage nur diese Bestimmung - und nicht die speziellere des § 2 Abs. 1 lit. b Impfschadengesetz - zitiert.

In den Verwaltungsakten des genannten Bundesministeriums, später des Bundeskanzleramtes - Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst - scheint ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Zahlung dieser Kosten durch den Bund nicht auf; die Verwaltungsakten sind allerdings nach einem Schreiben der belangten Behörde vom 10. Oktober 1990 unvollständig, die Aktenteile aus den Jahren 1974 und 1975 sind in Verstoß geraten und nicht auffindbar.

Nach der Aktenlage kamen dem nunmehr zuständigen Bundesminister für Gesundheit und öffentlichen Dienst erstmals im Jahre 1988 Bedenken gegen den eingehaltenen Vorgang der Kostenübernahme; diese Bedenken wurden in einem Schreiben des Bundesministers an den Vater der Beschwerdeführerin vom 26. September 1988 geäußert. Die Bedenken wurden auch der Österreichischen Gesellschaft "Rettet das Kind" mitgeteilt. In zwei weiteren Schreiben an den Vater der Beschwerdeführerin teilte die genannte Behörde ihren (nunmehrigen) Rechtsstandpunkt mit, daß die Übernahme der Kosten der Tagesheimstätte nicht zu den Kosten der Rehabilitation nach § 2 Abs. 1 lit. b Impfschadengesetz gehöre und teilte im Schreiben vom 10. April 1989 diesem Vater mit, es sei dem Bundeskanzleramt - Sektion VI leider nicht möglich, in Hinkunft zusätzlich zur Beschädigtenrente und Pflegezulage und den sonstigen gesetzlich determinierten Kosten weitere Geldleistungen zu übernehmen. Der Vater möge sich daher hinsichtlich der Kosten der Tagesheimstätte Walbersdorf ab 1. Mai 1989 mit der Österreichischen Gesellschaft "Rettet das Kind" ins Einvernehmen setzen. Ein mit 26. Mai 1989 datierter Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst konnte mangels Zustellung an eine handlungsfähige Partei oder an einen gesetzlichen oder bestellten Vertreter dieser Partei nicht erlassen werden.

Am 11. Jänner 1990 erließ der genannte Bundesminister einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst stellt gemäß §§ 1 und 2 des Impfschadengesetzes, BGBl. Nr. 371/1973, in der geltenden Fassung, fest, daß Frau Michaela N, vertreten durch ihren Vater Herrn Michael N als einstweiligen Sachwalter, wohnhaft X-Gasse 1, 7072 Mörbisch, neben der Gewährung der bescheidmäßig zugesprochenen wiederkehrenden Geldleistungen nach dem Impfschadengesetz keinen weiteren Anspruch auf pauschale Übernahme der Kosten für die Unterbringung in der Tagesheimstätte Walbersdorf der Österreichischen Gesellschaft 'Rettet das Kind' durch den Bund hat."

Die Begründung dieses Bescheides läßt sich dahin zusammenfassen, daß die "Übernahme der Kosten für Maßnahmen der Rehabilitation" (§ 2 Abs. 1 lit. b Impfschadengesetz) nicht weiter erfolgen könne, weil eine Rehabilitation im Sinne des Gesetzes bei der Beschwerdeführerin unmöglich sei. Die in der genannten Tagesheimstätte gebotene Betreuung könne nicht als Rehabilitationsmaßnahme angesehen und "vom Bundeskanzleramt" finanziert werden. Der Bund könne daher ab 1. Mai 1989 mangels gesetzlicher Grundlage keine weitere pauschale Übernahme von Unterbringungskosten in der Tagesheimstätte einschließlich Fahrtkosten, Verpflegung, Taschengeld und Pflege dort vornehmen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, wegen "materieller Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens" erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift ausgeführt, der Sachverhalt gehe aus dem angefochtenen Bescheid hervor. Die Beschwerde möge als unbegründet abgewiesen werden.

Mit Beschluß vom 7. September 1990 gab der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des Verfahrens seine vorläufige Rechtsansicht (im Sinne des § 41 Abs. 1 am Ende VwGG) wie folgt bekannt:

"Nach dem Parteienvorbringen und dem - unvollständigen - Inhalt der Verwaltungsakten lag weder ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Übernahme der Kosten für Maßnahmen zur Rehabilitation vor noch wurde über einen solchen Gegenstand vor dem angefochtenen Bescheid mit Bescheid abgesprochen; vielmehr gewährte die belangte Behörde (und ihre Vorgänger) die Leistung faktisch, ohne bescheidmäßige Grundlage.

Nach vorläufiger Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 3 Abs. 1, aber auch aus § 4 Impfschadengesetz, daß über Entschädigungsansprüche nach diesem Gesetz nur auf Parteienantrag zu erkennen ist; dies wird durch die Verweisung (§ 3 Abs. 2 Impfschadengesetz) auf § 55 Abs. 1 und 2 Heeresversorgungsgesetz bestätigt.

Gemäß der ebenfalls verwiesenen Bestimmung des § 82 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz finden auf das Verfahren, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 Anwendung.

Der angefochtene Bescheid ist seinem Wortlaut und seinem Sinn nach ein Feststellungsbescheid. Nun sind aber Feststellungsbescheide nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur zulässig, wenn hiefür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung besteht oder ihre Erlassung im öffentlichen oder im Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht ausdrücklich anderes bestimmen (vgl. z.B. Erkenntnis vom 7. Mai 1986, Zl. 85/18/0342, und die weiter dort zitierte Judikatur). Ein Feststellungsbescheid ist unter anderem dann unzulässig, wenn auf Grund der anzuwendenden Rechtslage bereits ein Leistungsbescheid möglich ist (Erkenntnis vom 28. Oktober 1981, Zl. 81/01/0106). Feststellungsbescheide sind auch dann unzulässig, wenn die strittige Frage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden kann (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz 407, Z. 2 und die dort angeführte Judikatur; ferner Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Band, Anmerkung 4 zu § 56 AVG 1950).

Da der tatsächlichen Übernahme der Kosten für Maßnahmen zur Rehabilitation der Beschwerdeführerin kein bescheidmäßiger Abspruch zugrundeliegt, wäre es der belangten Behörde freigestanden, die Zahlung solcher Kosten einzustellen. Der Beschwerdeführerin wäre es hingegen infolge der verwiesenen Bestimmung des § 55 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz freigestanden, ihren vermeintlichen Anspruch durch einen Antrag mit Wirksamkeit ab dem Antragsmonat geltend zu machen. Die belangte Behörde hätte einen solchen Antrag abweisen können, wogegen der Beschwerdeführerin die Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes freigestanden wäre. Auf diesem Wege wäre es zur Klärung der strittigen Rechtsfrage mit materieller Rechtskraftwirkung gekommen. Hingegen ist zu bezweifeln, ob die von der Beschwerdeführerin angestrebte Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtsirrtums in der Frage der Rehabilitation der Beschwerdeführerin zur Weiterzahlung der strittigen Kosten verholfen hätte: Wohl ist gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die belangte Behörde verpflichtet, mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, doch beinhaltete diese Verpflichtung nicht die Erlassung eines Leistungsbescheides von Amts wegen, da für eine solche Vorgangsweise das Impfschadengesetz und die verwiesenen Bestimmungen des Heeresversorgungsgesetzes keine Grundlage abgeben. Die bloß faktische Gewährung der Kosten für Maßnahmen zur Rehabilitation schaffte nämlich für die Beschwerdeführerin keinen Rechtsanspruch auf Weitergewährung, das heißt mangels eines die Leistungspflicht der Behörde bejahenden oder verneinenden Leistungsbescheides stünde es dieser frei, jederzeit die tatsächliche Zahlung wieder einzustellen".

Die Beschwerdeführerin hat sich zu diesem Beschluß dahin geäußert, daß am 5. Mai 1981 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung ein Antrag auf Übernahme der Kosten der Unterbringung der Beschwerdeführerin in der Tagesheimstätte Walbersdorf der Österreichischen Gesellschaft "Rettet das Kind" durch das BUNDESLAND BURGENLAND gestellt worden sei. Sodann wurde auf die oben geschilderte Korrespondenz zwischen der Burgenländischen Landesregierung und dem damaligen Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hingewiesen. Möge - so die Beschwerdeführerin - das Schreiben des erwähnten Bundesministers vom 19. März 1982 auch noch nicht formell als Bescheid bezeichnet sein, so stelle es sich jedoch inhaltlich als materielle Erledigung des "am 8.1.1981 beim Amt der Burgenländischen Landesregierung und an das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz weitergeleiteten Ansuchens" (sicÜ) dar. Es handle sich in materieller Hinsicht um einen Bescheid, aus dem der Beschwerdeführerin subjektive Rechte erwachsen seien.

Die belangte Behörde äußerte sich dahin, daß die Beschwerdeführerin bisnun keinen Antrag auf Übernahme der Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen gestellt und daß die belangte Behörde auch keinen entsprechenden Leistungsbescheid erlassen habe. Die Zahlungen seien ohne bescheidmäßige Grundlage erfolgt. Im übrigen seien Feststellungsbescheide durchaus zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof erhebt seine vorläufige Rechtsansicht nunmehr zu seiner endgültigen und verweist ferner auf sein inzwischen gefälltes Erkenntnis vom 5. Oktober 1990, Zl. 90/18/0098, welches dieselbe Rechtsfrage betrifft. Der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, die Tatsache der jahrelangen Zahlung der Kosten der Tagesheimstätte Walbersdorf durch den Bund stelle in Verbindung mit dem Schreiben des erwähnten Bundesministers vom 19. März 1982 einen Bescheid dar, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht zustimmen, da diesem Schreiben alle wesentlichen Bescheidmerkmale, wie sie von der Lehre (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4, Rz 384, 386, 396, 408 bis 425) und von der Rechtsprechung (siehe die Entscheidungen bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I. Band, Entscheidungen Nr. 3 bis 10 zu § 56 AVG) verlangt werden, fehlen. Das Schreiben vom 19. März 1962 ist vielmehr eine Mitteilung zwischen Behörden über ein bestimmtes Vorgehen einer Behörde; es wurde auch nicht an die Beschwerdeführerin (ihren Vertreter) gerichtet.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den oben angeführten Gründen als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren an Aufwandersatz für Stempelgebühren war abzuweisen, weil an diesen nur insgesamt S 450,-- (zwei Beschwerdeausfertigungen, eine Vollmachtsurkunde, eine Bescheidausfertigung aus zwei Bogen, ein Sachwalterbestellungsbeschluß) beizubringen waren.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte