VwGH 90/15/0024

VwGH90/15/002412.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat II) vom 5. Dezember 1989, Zl. 30.899-3/89, betreffend Umsatzsteuer 1981 und 1982, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1090;
UStG 1972 §10 Abs2 Z5;
ABGB §1090;
UStG 1972 §10 Abs2 Z5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Rechtsfrage strittig, ob auch die entgeltliche Überlassung von Abstellplätzen für Fahrzeuge auf nicht bestimmten Abstellflächen IM FREIEN unter den begünstigten Steuersatz des § 10 Abs. 2 Z 5 UStG 1972 fällt oder nicht.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde in teilweiser Bestätigung der erstinstanzlichen Umsatzsteuerbescheide des Finanzamtes Innsbruck diese Frage mit folgender Begründung: Der Verwaltungsgerichtshof habe zwar in seinem Erkenntnis vom 22. Februar 1988, Zl. 86/15/0123, entschieden, daß für die Einstellung von Fahrzeugen in einer Tiefgarage auf einem nicht bestimmten (zur Zeit des Eintreffens des Fahrzeuges gerade freien) Platz innerhalb der Garage der ermäßigte Steuersatz anwendbar sei, weil dieser Fall unter den gesetzlichen Tatbestand der Überlassung der Nutzung von Wohnungen, Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen falle. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch um eine derartige Überlassung von Abstellplätzen im Freien und könne dabei auch bei großzügiger Auslegung nicht von der Überlassung der Nutzung von Räumlichkeiten gesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht verletzt, für die in den Streitjahren 1981 und 1982 vereinnahmten Entgelte nur 8 % Umsatzsteuer zahlen zu müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 10 Abs. 2 Z. 5 Abs. 1 UStG 1972 bestimmt in dem für den Beschwerdefall bedeutsamen Teil und in der für die Streitjahre geltenden Fassung, daß sich die Steuer auf 8 v.H. für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ermäßigt. Die Überlassung der Nutzung an Wohnungen, Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken anzusehen.

Daß die entgeltliche Überlassung von austauschbaren (also nicht vorweg objektiv bestimmten oder bestimmbaren) Abstellplätzen für Fahrzeuge auf Grundflächen oder in Garagen mangels Bestimmtheit des Objektes kein Bestandvertrag im Sinne der §§ 1090 ff ABGB ist, vertritt nicht nur die von beiden Streitteilen zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (nämlich das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1988, Zl. 81/15/0123, worauf zur Vermeidung von Wiederholung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), sondern auch die neueste bestandrechtliche Literatur und Judikatur (vgl. Würth in Rummel, ABGB I2 Rz. 15 unter Berufung auf MietSlg. 36119). Eine unmittelbare Subsumtion der entgeltlichen Überlassung eines derartigen Objektes unter den gesetzlichen Vertragstyp des Bestandvertrages (Miete oder Pacht) kommt daher nicht in Frage.

Es darf aber nicht übersehen werden, daß das Umsatzsteuergesetz 1972 von Anfang an der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gewisse andere Nutzungsverhältnisse gleichsetzte, wobei zunächst festzuhalten ist, daß die entgeltliche Überlassung eines Fahrzeugabstellplatzes (insoferne kein Bestandvertrag vorliegt) ganz ohne Rücksicht darauf, ob sich dieser Platz im Freien oder in Garagenräumen befindet, jedenfalls als entgeltliche "Überlassung der Nutzung" zu verstehen ist. Dies hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits oben zitierten Erkenntnis aus dem Jahr 1988 deutlich zum Ausdruck gebracht.

Was nun die Frage anlangt, welche Rolle die vom Gesetz vorgenommene Verbindung dieser Nutzungsverhältnisse mit den Begriffen "Wohnungen, Geschäftsräume und andere Räumlichkeiten" spielt, ist auf folgendes zu verweisen:

Der aus § 10 Abs. 2 Z. 5 Abs. 1 UStG 1972 entnehmbare Grundgedanke ist der, Bestandverhältnisse an unbeweglichen Objekten (arg: "Grundstücke") betreffend den Steuersatz zu begünstigen. Diese Begünstigung wird durch den zweiten Halbsatz der zitierten Gesetzesstelle auf andere Nutzungsverhältnisse erweitert, die auch allgemein nicht als Bestandverträge verstanden werden (vgl. dazu Würth a.a.O. Rz. 6). Der besondere Hinweis, den das Gesetz dabei auf "Wohnungen, Geschäftsräume und andere Räumlichkeiten" macht, versteht sich daraus, daß es bei der Regelung des Grundtatbestandes der Begünstigung im ersten Halbsatz den Terminus "Grundstück" verwendet und wird daraus die Absicht des Gesetzgebers deutlich, mit der vorgenommenen Erweiterung auch klarzustellen, daß auch die entgeltliche Nutzung von Objekten, die man üblicherweise nicht als Grundstück im engeren Sinn (als bestimmt abgegrenzte und bezeichnete Teile der Erdoberfläche; vgl. auch § 5 Abs. 1 AllgGAG, § 7a VermG und § 30 LiegTeilG) versteht, eben Wohnungen, Geschäftsräume und sonstige Räumlichkeiten, dem begünstigten Steuersatz teilhaftig werden sollen. Gemeinsam ist aber sowohl den Grundstücken als auch den Begriffen "Wohnungen, Geschäftsräume und sonstige Räumlichkeiten", daß es sich dabei samt und sonders um unbewegliche Sachen im Sinne des § 293 ABGB handelt. Daß § 10 Abs. 2 Z. 5 Abs. 1 UStG 1972 insgesamt unbewegliche Objekte im Auge hat, wird auch besonders daraus erkennbar, daß der begünstigte Steuersatz ausdrücklich auch auf die Bestandgabe solcher Rechte Anwendung findet, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes als "Grundstücke", also als unbeweglich zu behandeln sind (vgl. § 298 ABGB; weiters Spielbüchler in Rummel ABGB I2 Rz. 3 und 4 zu § 298 ABGB).

Geht man aber davon aus, daß der in Rede stehende Steuertatbestand, der für die Streitjahre die Anwendung des begünstigten Steuersatzes von 8 % vorsieht, einerseits nicht auf echte Bestandverträge beschränkt ist, sondern auch darüberhinausgehende andere entgeltliche Nutzungsverhältnisse umfaßt (die es wegen der im bürgerlichen Recht herrschenden Vertragsfreiheit zulässigerweise gibt; vgl. Würth a.a.O. Rz. 6) und beachtet man dabei, daß es für die Steuerbegünstigung auf das Vorliegen eines unbeweglichen Objektes ankommt, dann erweist sich, gemessen am Sinn des Gesetzes, die von der belangten Behörde vorgenommene, ausschließlich am Buchstaben des Gesetzes haftende Auslegung (ebenso wie die von der belangten Behörde diesbezüglich zitierten Ausführungen von Caganek in ÖStZ 1988, 171 und 172) als unrichtig. Nicht zuletzt wird dies auch aus der durch die Umsatzsteuernovelle 1988 unter anderem vorgenommenen Einfügung der Worte "... die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Räumlichkeiten oder Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen aller Art ..." in den Abs. 1 der Z. 5 des § 10 Abs. 2 UStG 1972 deutlich. Indem dort jetzt neben der Vermietung (im engeren Sinn) auch der Fall der Nutzungsüberlassung von "Plätzen" ausdrücklich erwähnt wird und dabei der Begriff Platz dem der Räumlichkeit gegenübergestellt wird, wird klar, daß der Gesetzgeber der Novelle damit auch das entgeltliche Nutzen von Fahrzeugabstellplätzen im Freien von der Steuerbegünstigung ausgenommen hat; daraus ergibt sich aber die Auffassung des Gesetzgebers, daß diese Art der Nutzung vor der besagten Novelle der Begünstigung sehr wohl zugänglich war.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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