VwGH 90/06/0123

VwGH90/06/01236.12.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 5. Juli 1990, Zl. A 17-K-1830/1987-8 (mitbeteiligte Partei: S Großhandelsgesellschaft m.b.H.), betreffend Einwendungen gegen ein Widmungsvorhaben, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
GaragenO Stmk 1979 §5;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litd;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 liti;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §3 Abs1;
BauO Stmk 1968 §3 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
GaragenO Stmk 1979 §5;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litd;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 liti;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 20. März 1987 beantragte die Mitbeteiligte die Erteilung einer Widmungsänderungsbewilligung für das Grundstück Nr. nnn der EZ nnnn, KG X. Als Verwendungszweck der vorgesehenen Bauten gab sie eine "Verkaufshalle für Food und Non-Food Artikel" an. Die beantragte Widmungsänderung umfaßte die Änderung der Anzahl von Stellplätzen, die Verringerung des Mindestabstandes im Westen von 17 auf 15 m sowie die Erhöhung des Bebauungsgrades und der Bebauungsdichte. Der Magistrat der Landeshauptstadt Graz holte daraufhin neben Stellungnahmen zu Fragen der Abwasserentsorgung und der verkehrsmäßigen Erschließung auch eine Äußerung des Stadtplanungsamtes vom 10. Juni 1987 ein, wonach der Widmungsgrund laut Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz im "Einkaufszentrum I" mit einem Bebauungsdichtewert von 0,5 bis 1,5 liegt. Zur mündlichen Verhandlung über das Widmungsänderungsansuchen wurde die Beschwerdeführerin nicht geladen, obwohl ihr Grundstück im Süden des umzuwidmenden Grundstückes in einer Länge von ca. 190 m unmittelbar an dieses anschließt (eine Ladung an die Beschwerdeführerin erfolgte an eine falsche Adresse und vermochte deshalb ihr gegenüber keine Rechtswirkungen zu erzeugen). Auf Grund von Nachbareinwendungen hinsichtlich zu erwartender Immissionen ersuchte der Magistrat das Amt für Umweltschutz (MA 10) um Erstellung eines Gutachtens zu den zu erwartenden Immissionen. Mit Gutachten vom 14. Dezember 1987 gelangte der Vertreter des Amtes für Umweltschutz zu dem Schluß, daß bei konsensgemäßer Nutzung des Widmungsareales bei den Einspruch erhebenden Nachbarn eine Belästigung zufolge Lärm oder Geruch, die das ortsübliche Ausmaß übersteige, nicht zu erwarten sei. Mit Schreiben vom 8. Jänner 1988 verständigte der Magistrat die Beschwerdeführerin vom eingereichten Ansuchen und räumte ihr gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 die Möglichkeit ein, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Mit Schreiben vom 1. Februar 1988 wies der ausgewiesene Vertreter der Beschwerdeführerin darauf hin, daß mit dieser eine mündliche Verhandlung anzuberaumen sei. Weiters wurde ausgeführt, durch die Ausweitung der Fahrzeugfrequenz würden die Lärm- und Geruchsimmissionen durch das Bauvorhaben so erhöht, daß dies für die Beschwerdeführerin als Anrainerin gesundheitsschädigend sei. Es wurde ein Gutachten zur Klärung der Lärmfrage (Schallpegelmessung) und über die zu erwartende Geruchsbelästigung sowie ein ärztliches Gutachten zu den gesundheitlichen Folgen durch die zu erwartenden Geruchs- und Lärmimmissionen beantragt.

Mit Bescheid vom 17. März 1988 erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz der Mitbeteiligten die beantragte Widmungsbewilligung. Die Bebauungsdichte wurde mit mindestens 0,5, höchstens 1,0 der Bauplatzfläche, der Bebauungsgrad mit mindestens 0,5, höchstens 0,7 der Bauplatzfläche festgelegt. Die Gebäudemindestabstände wurden mit 10 m, im Süden mit mindestens 8 m festgelegt. Weiters wurde ausgesprochen, daß auf dem Bauplatz in dem der Bebauung entsprechenden Ausmaß Freiflächen für Kraftfahrzeugabstellplätze vorzusehen seien. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin, wonach mit einer unzumutbaren Lärm- und Geruchsbelästigung zu rechnen sei, wurden als unbegründet abgewiesen.

In ihrer dagegen eingebrachten Berufung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß doch mit Lärm- und Geruchsbelästigungen zu rechnen sei, die über das zumutbare Ausmaß hinausgingen. Das Gutachten der Magistratsabteilung 10 vom 14. Dezember 1987 sei unrichtig und ergänzungsbedürftig, es müßte auch ein medizinischer Amtssachverständiger beigezogen werden. Es sei wohl richtig, daß das Bauvorhaben im Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz als "Einkaufszentrum I" ausgewiesen sei, doch habe dies für die Beschwerdeführerin insofern keine Wirkungen, als das ihr gehörige Grundstück eben im Flächenwidmungsplan nicht als Einkaufszentrum I ausgewiesen sei, sodaß sie keineswegs die von der geplanten Anlage ausgehenden Immissionen dulden müsse.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. Juli 1990 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und begründend im wesentlichen ausgeführt, daß das Widmungsgrundstück im Flächenwidmungsplan als "Einkaufszentrum I" ausgewiesen sei. Auf einer solchen Fläche sei gemäß § 23 Abs. 5 lit. i des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG) die Errichtung eines Einkaufszentrums, das in seinem Warensortiment Lebensmittel führt, samt den zum Betrieb gehörigen Parkplätzen zulässig. Da Emissionsbeschränkungen diesbezüglich nicht vorgesehen seien, lägen hinsichtlich der geltend gemachten Immissionen durch Lärm- und Geruchsbelästigung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der Bestimmung des § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, (BO) (diese und die übrigen Bestimmungen in der gemäß Art. II Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnungsnovelle 1988, LGBl. Nr. 14/1989, in der bis zum Inkrafttreten dieser Novelle am 1. März 1989 in Geltung gestandenen Fassung), die gemäß § 3 Abs. 1 BO auch im Widmungsverfahren sinngemäß anzuwenden ist, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Widmungsbewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Gemäß § 3 Abs. 3 BO sind in der Widmungsbewilligung u.a. die Bebauungsdichte und der Bebauungsgrad, Lage und Größe der Freiflächen (Höfe, Gärten, Kinderspielplätze, Abstellflächen für Kraftfahrzeuge u.dgl.) festzusetzen. Bezüglich der Einwendungen zum subjektiv-öffentlichen Recht auf Nichtüberschreitung der ortsüblichen Belästigung durch Immissionen verkennt die Beschwerdeführerin, daß die Steiermärkische Bauordnung Nachbarn nicht schlechthin ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der einzelnen Widmungskategorien des Flächenwidmungsplanes einräumt. Der Nachbar hat vielmehr nur ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß die Widmungskategorie eingehalten wird, wenn die Widmungskategorie (der zu bebauenden Grundfläche) auch einen Immissionsschutz gewährleistet (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, 1986, Seite 173, sowie das hg. Erkenntnis vom 27. April 1989, Zl. 88/06/0134).

Unbestritten ist, daß das gegenständliche Widmungsgrundstück im Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz als "Einkaufszentrum I"ausgewiesen ist.

§ 23 Abs. 5 lit. i des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 39/1986 lautet:

"(5) Im Bauland sind entsprechend den örtlichen Erfordernissen Baugebiete festzulegen. Als Baugebiete kommen hiebei in Betracht:

..........

i) Gebiete für Einkaufszentren I, das sind Flächen, die für Einkaufszentren, die in ihrem Warensortiment Lebensmittel führen, samt den zum Betrieb gehörigen Parkplätzen bestimmt sind;"

Anders als beispielsweise für das Industrie- und Gewerbegebiet I (§ 23 Abs. 5 lit. d ROG) gewährleistet nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 5 lit. i ROG diese Bestimmung keinen Immissionsschutz. Da hinsichtlich der Widmungskategorie Emissionsbeschränkungen somit gesetzlich nicht vorgesehen sind, geht das gesamte Beschwerdevorbringen, soweit es sich auf die Einhaltung des Immissionsausmaßes nach der Widmungskategorie bezieht, ins Leere.

Nun wendet sich die Beschwerdeführerin in Wahrheit nur gegen die Abstellplätze, von denen ihrer Ansicht nach unzumutbare Emissionen ausgehen. Hiezu bestimmt § 5 der Steiermärkischen Garagenordnung 1979, LGBl. Nr. 27, in seinem Abs. 1, daß Abstellflächen, Garagen und Nebenanlagen so angeordnet, ausgeführt und betrieben werden müssen, daß keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft zu erwarten ist. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bezieht sich Abs. 1 allerdings nicht auf Abstellflächen, Garagen und Nebenanlagen, für die der Bund gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG zur Regelung der Hintanhaltung der von solchen Anlagen ausgehenden, auf die Nachbarschaft einwirkenden Beeinträchtigungen zuständig ist. Erfolgt daher der Kraftfahrzeugbetrieb - wie hier unbestritten - im Zusammenhang mit einer gewerblichen Betriebsanlage, so ist der Schutz der Nachbarschaft in bezug auf den Kraftfahrzeugbetrieb nicht von der Baubehörde wahrzunehmen.

Darüber hinaus würde erst die - hier unterbliebene - Festlegung der Situierung der Abstellplätze eine konkrete Prüfung der Emissionsgefahr ermöglichen; dies gilt auch für die Anwendung des § 4 Abs. 3 BO, der insoweit einen besonderen Immissionsschutz gewährt.

Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid kennt nämlich die Steiermärkische Bauordnung nur dieses, von der Flächenwidmung unabhängige Immissionsverbot (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 1986, Zl. 85/06/0013). Einwendungen zur Frage der Festsetzung größerer Abstände hat die Beschwerdeführerin überdies während des gesamten Verwaltungsverfahrens nicht vorgebracht. Obwohl gemäß § 3 Abs. 3 BO in der Widmungsbewilligung auch die Abstellflächen für Kraftfahrzeuge u.dgl. festzusetzen sind, die belangte Behörde es aber unterlassen hat, diese Festsetzungen zu treffen, ist dadurch die Beschwerdeführerin in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mit Erkenntnis vom 11. März 1975, Slg. N.F. Nr. 8783/A, u.a. ausgesprochen, daß trotz eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 StmkBO damit kein Eingriff in Nachbarrechte erfolgte. Denn soweit Festsetzungen nicht getroffen werden, bleiben den Nachbarn alle subjektiv-öffentlichen Rechte für ein späteres Baubewilligungsverfahren gewahrt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. September 1990, Zl. 89/06/0100).

Da die behaupteten Rechtsverletzungen somit im Ergebnis nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

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