VwGH 90/06/0055

VwGH90/06/005511.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1. des AN und 2. der BN gegen den Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Februar 1990, Zl. MD-6849/1989, betreffend Erlassung eines Abbruchauftrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Miteigentümer der EZ 2480 KG X, welche unter anderem auch die Grundparzelle Nr. 2673 umfaßt.

Mit Eingabe vom 13. Mai 1986 stellten die Beschwerdeführer ein (modifiziertes) Bauansuchen betreffend einen Zubau mit 72,55 m3 Neubaumasse auf der Grundparzelle Nr. 2673, Y-Straße n, Innsbruck. Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 13. April 1988 wurde dieses Ansuchen gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung abgewiesen. Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung wurde von der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen und die angefochtene Entscheidung unter Bedachtnahme auf § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung vollinhaltlich bestätigt.

Am 29. Februar 1988 wurden von einem Amtssachverständigen des Stadtmagistrates Innsbruck aus Anlaß eines Augenscheines von der Grundgrenze aus unter anderem folgende konsenswidrige Baumaßnahmen festgestellt: Ein westseitig erfolgter Anbau (ein Wintergarten - eine Holzglaskonstruktion mit Holztramdecke und Flachdach) im Ausmaß von 6,7 x 2,0 m und ein ostseitig situierter Anbau (eine Erweiterung des Vordaches über der Terrasse im Ausmaß von 6,7 x 2,6 m). In derselben Sache wurde auch von der Baupolizei eine Anzeige wegen Übertretung der Bauvorschriften erstattet. Mit Schreiben des Stadtbauamtes des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 6. Dezember 1988 wurde den Beschwerdeführern unter anderem die baupolizeiliche Wahrnehmung mitgeteilt, daß der konsenslose Bestand am Anwesen Y-Straße n durch den Anbau eines Wintergartens und die Errichtung einer gedeckten Terrasse ohne Baubewilligung erweitert worden sei. Unter Hinweis auf § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung wurde die Erlassung eines Abbruchauftrages für die genannte Baulichkeit angedroht und den Beschwerdeführern nahegelegt, diese nicht genehmigte Baulichkeit ehestens zu entfernen oder binnen einem Monat um die erforderliche Baubewilligung anzusuchen.

Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Juni 1989 wurden die Beschwerdeführer gemäß § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung verhalten, die Erweiterung des konsenslosen Bestandes auf dem Anwesen Y-Straße n durch Anbau eines Wintergartens und die Errichtung einer gedeckten Terrasse innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Bescheidzustellung abzubrechen. Dabei handle es sich um einen westseitig und ebenerdig gelegenen Wintergarten im Ausmaß von 6,7 x 2,6 m, der in Holzglaskonstruktion mit Holztramdecke und Flachdach errichtet worden sei, sowie um eine ostseitig und ebenerdig situierte, gedeckte Terrasse im Ausmaß von 6,7 x 2,6 m unter Verlängerung des bestehenden Vordaches über 2 Holzsäulen, ohne daß eine baubehördliche Bewilligung vorgelegen sei. Eine Baubewilligung habe nicht erteilt werden können, weil im Bereich Y-Straße n die Widmung "Freiland" festgelegt sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer u.a. vor, daß ein allfälliger

Lokalaugenschein - wenn er überhaupt durchgeführt worden sei -

nicht unter Beiziehung des einschreitenden Parteienvertreters durchgeführt worden und das Verfahren daher mangelhaft sei. Weiters wurde gerügt, daß die Behörde erster Instanz es unterlassen habe, die Beschwerdeführer von den Verfahrensergebnissen in Kenntnis zu setzen. Die im bekämpften Bescheid enthaltenen Ausmaße stimmten mit den tatsächlichen Naturmaßen nicht überein, weshalb ein Vollzug des Abbruchsauftrages nicht möglich sei. Es werde daher die Tatsachenfeststellung als unrichtig und mit den örtlichen Verhältnissen nicht übereinstimmend bekämpft.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufungskommission in Bausachen der Landeshauptstadt Innsbruck wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid unter Hinweis auf § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung mit der Maßgabe bestätigt, daß die Abmessungen des in Rede stehenden Wintergartens mit einer Länge von 7,3 m, einer Tiefe von 2,45 m und einer Höhe von 2,20 m sowie der überdachten Terrasse mit einer Länge von 9,1 m, einer Tiefe von 3,4 m und einer Höhe von 2,6 m bestimmt seien. Dies wurde nach Wiedergabe des Wortlautes des § 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung unter anderem damit begründet, daß durch die Bau- und Feuerpolizei bei einem ergänzenden Lokalaugenschein beim Anwesen Y-Straße n folgende Naturmaße für den Wintergarten und die ostseitige Terrasse ausgemessen worden seien: für den Wintergarten eine Länge von 7,3 m, eine Tiefe von 2,45 m und eine Höhe von 2,2 m (Traufe) sowie für die ostseitig gelegene Terrasse mit Verlängerung des Vordaches auf zwei Säulen ein Säulenabstand von 7,3 m + je zweimal 0,9 m - Vordach, was eine Länge von 9,10 m ergebe, eine Tiefe von 3,4 m bis zur Traufenvorderkante und eine Höhe von 2,6 m (Traufe). Dieser Lokalaugenschein habe in Anwesenheit des Rechtsbeistandes der Beschwerdeführer stattgefunden, damit sei das Ergebnis diesen zur Kenntnis gebracht worden. Da diese Nachmessungen gering von jenem im Bescheid der ersten Instanz abwichen, seien diese in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides angegebenen Abmessungen richtigzustellen gewesen. Unabhängig davon täten die Beschwerdeführer auch im Rahmen des Berufungsverfahrens das Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung für die beiden Bauteile nicht dar, sodaß das diesbezügliche Vorbringen nicht geeignet sei, den ausgesprochenen Abbruchauftrag zu beheben. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer sei diesen das erforderliche Parteiengehör dadurch geboten worden, daß ihnen bereits mit Schreiben der Baubehörde vom 6. Dezember 1988 der Umstand der konsenslosen Errichtung eines Wintergartens und einer überdeckten Terrasse schriftlich mitgeteilt worden sei, sodaß bei gleichzeitiger Würdigung der Ergebnisse des am 12. Dezember 1989 abgehaltenen Lokalaugenscheines durch die Bau- und Feuerpolizei der Abbruchauftrag sowohl formell als auch materiell zu Recht erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde, die auch die Akten des Verwaltungsverfahrens vorlegte, erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 44 Abs. 3 lit. a der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, lautet:

"§ 44

Erhaltung des Bauzustandes, Abbruch

.....

(3) Die Behörde hat den Abbruch einer baulichen Anlage innerhalb einer angemessenen festzusetzenden Frist aufzutragen,

a) wenn für die bauliche Anlage, die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung und der Erlassung des Auftrages bewilligungspflichtig war bzw. ist, eine Baubewilligung nicht vorliegt,

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 ist den Parteien Gelegenheit zu geben, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Nach § 55 Abs. 1 zweiter Satz AVG 1950 können insbesondere Amtssachverständige außer dem Falle einer mündlichen Verhandlung mit der selbständigen Vornahme eines Augenscheines betraut werden.

Soweit die Beschwerdeführer als Verfahrensmangel rügen, daß ihnen von der belangten Behörde kein Pareiengehör gewährt worden sei, ist darauf hinzuweisen, daß ein Verfahrensmangel nur dann zu einer Bescheidaufhebung führt, wenn er möglicherweise Einfluß auf den Inhalt des getroffenen Abspruches haben konnte. Insbesondere gilt dies für den Verfahrensmangel einer Verletzung des Parteiengehörs (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1986, Zlen. 85/03/0155, 0156). Macht der Beschwerdeführer Mangelhaftigkeit des Verfahrens wegen Unterlassung des Parteiengehörs geltend, so hat er die entscheidenden Tatsachen bekanntzugeben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind (vgl. das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 4. April 1986, Zlen. 85/03/0155, 0156). Schon deshalb vermögen die Beschwerdeführer mit ihrer Rüge, die belangte Behörde habe hinsichtlich der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens das Parteiengehör nicht gewährt, ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, unterließen sie es doch, in der Beschwerde darzulegen, was sie gegen diese Ermittlungsergebnisse vorgebracht hätten, wenn man ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hätte, und inwieweit die belangte Behörde bei Wahrung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im konkreten Fall den Beschwerdeführern, die am Lokalaugenschein teilgenommen haben, damit nicht ohnehin hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, von den Ergebnissen der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Schließlich verkennen die Beschwerdeführer die Rechtslage, wenn sie es als Verfahrensmangel bezeichnen, daß der Lokalaugenschein vom 12. Dezember 1989 nicht unmittelbar durch den erkennenden Senat der belangten Behörde vorgenommen worden sei. Dem AVG 1950 ist der die Zivilprozeßordnung beherrschende Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme fremd. Die Behörde kann sich bei ihren Ermittlungen jederzeit Hilfspersonen bedienen.

Soweit die Beschwerdeführer als "Verfahrensmangel" geltend machen, daß das Ausmaß der abzutragenden Baulichkeiten von der erstinstanzlichen Behörde und der belangten Behörde verschieden angegeben worden sei, so kann dies an der Tatsache nichts ändern, daß für alle Beteiligten nie zweifelhaft sein konnte, welche Bauteile abzubrechen sind; die Behörde war nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, in diesem Rahmen (der "Sache" des Berufungsverfahrens) die Maße richtigzustellen. Der Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 1980, Zl. 2841/79, sowie die dort zitierte Judikatur geht schon deshalb ins Leere, weil es sich dort um Änderungen des Projekts im Verfahren zur Erlangung einer Baubewilligung handelt. - Inwiefern der angefochtene Bescheid dadurch einer Vollstreckung nicht zugänglich sein soll, ist nicht verständlich.

Auch daß die jeweilige Breite der abzubrechenden baulichen Anlagen im angefochtenen Bescheid nicht angegeben wurde, ist für die Vollstreckbarkeit ohne Bedeutung. Die im angefochtenen Bescheid angeführten Abmessungen konkretisieren den Gegenstand des Abbruchauftrages so hinreichend, daß die Möglichkeit einer Verwechslung der abzubrechenden baulichen Anlagen mit anderen Baulichkeiten auf der in Rede stehenden Liegenschaft nicht besteht, was die Beschwerdeführer auch gar nicht behaupten.

Da sich die Beschwerde somit in allen Punkten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der Durchführung der beantragten Verhandlung abgesehen werden konnte.

Der mit der Beschwerde verbundene Antrag, ihr gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist damit gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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