VwGH 89/16/0006

VwGH89/16/00068.2.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr.Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Boigner, über die Beschwerde des FR und SR gegen den Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Wels vom 20. Dezember 1988, Zl. Jv 3248 - 33a/88, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AgrVG §15 idF 1967/077 ;
AgrVG §15;
FlVfGG §50 Abs2 idF 1967/078 ;
FlVfGG §53 idF 1967/078;
GGG 1984 TP9C litb Z1;
AgrVG §15 idF 1967/077 ;
AgrVG §15;
FlVfGG §50 Abs2 idF 1967/078 ;
FlVfGG §53 idF 1967/078;
GGG 1984 TP9C litb Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Die beschwerdeführenden Ehegatten (je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ. 37 des Grundbuches der KG W) hatten auf Grund des mit den Ehegatten M abgeschlossenen Kaufvertrages vom 25. Juni 1987 je zur Hälfte den Anspruch auf Übereignung eines bestimmten - zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ. 10 desselben Grundbuches gehörenden - Grund(Flur)stückes erworben.

Die Agrarbezirksbehörde Linz hatte mit - seit 5. Jänner 1988 rechtskräftigem - Bescheid vom 15. Dezember 1987 unter Hinweis auf die §§ 28 und 30 Abs. 1 O.ö. FLG 1979, LGBl. Nr. 73, als Rechtsgrundlage festgestellt, daß der (erwähnte Kauf-) Flurbereinigungsvertrag für die Durchführung der Flurbereinigung im Sinne des § 1 O.ö. FLG 1979 erforderlich sei. Der vorangeführte Vertrag sei von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen worden und habe somit dem Flurbereinigungsverfahren zugrundegelegt werden können. Das gegenständliche Flurbereinigungsverfahren diene unmittelbar zur Durchführung einer Maßnahme der Bodenreform; der Vertrag werde daher genehmigt und bestätigt.

Am 27. Jänner 1988 war beim BG H der unter Inanspruchnahme der Gebührenfreiheit gemäß § 15 AgrVG gestellte Antrag der Beschwerdeführer - u.a. mit einer Ausfertigung des angeführten Bescheides - eingelangt, dem erwähnten Kaufvertrag entsprechend die erforderliche Ab- und Zuschreibung im Grundbuch zu bewilligen. Mit Beschluß dieses BG. vom 27. Jänner 1988 war dieser Antrag bewilligt und am 1. Februar 1988 im Grundbuch vollzogen worden.

Ausgehend von einer Zahlungspflicht der Beschwerdeführer für die Gerichtsgebühren für die angeführte Eintragung (Einverleibung) zum Erwerb ihres Eigentums gemäß TP 9 C. lit. b Z. 1 des nach § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs veranlaßte der Kostenbeamte des BG H - nachdem die Beschwerdeführer den entsprechenden Zahlungsaufforderungen nicht nachgekommen waren - mit gesonderten Zahlungsaufträgen je vom 28. November 1988 die Einbringung der auf die Beschwerdeführer jeweils entfallenden Beträge.

In ihren gegen diese Zahlungsaufträge rechtzeitig - gemeinsam in einem von einem öffentlichen Notar verfaßten Schriftsatz - eingebrachten Berichtigungsanträgen machten die Beschwerdeführer ausdrücklich auch die Befreiung nach § 53 FlVGG 1951, BGBl. Nr. 103, in der Fassung durch Art. I Z. 14 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 78/1967, von den hier in Rede stehenden Eintragungsgebühren geltend.

Der Präsident des Kreisgerichtes Wels (in der Folge: belangte Behörde) gab mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Bescheid den erwähnten Berichtigungsanträgen nicht statt. Dies unter Hinweis auf drei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 1959, 1964 und 1966 und das Erkenntnis vom 11. Juni 1987, Zl. 86/16/0041, im wesentlichen mit folgender Begründung:

Die Vermögensübertragung sei nicht in einem Verfahren vor der Agrarbehörde erfolgt. Diese habe nur im nachhinein einen den Vertrag genehmigenden und bestätigenden Bescheid erlassen.

In dem Erkenntnis vom 11. Juni 1987 sei die novellierte Fassung (des § 15 AgrVG) durch das Bundesgesetz vom 15. Februar 1967 berücksichtigt. Mit der Formulierung "in den Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens" sei sicherlich auch der Begriff "Flurbereinigung" umfaßt, zumal Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, Wien 1986, die entsprechenden Gebührenbefreiungsbestimmungen sowohl des AgrVG als auch des FlVGG unter dem Oberbegriff "B. Agrarrecht und Landwirtschaftliches Siedlungswesen" zusammenfaßten.

Die Stellungnahme des Bundesministers für Justiz vom 11. April 1973 sei auf Grund des Erkenntnisses vom 11. Juni 1987 nicht mehr aufrecht zu halten.

Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auch mit der vorliegenden Beschwerde wird die Festsetzung der hier in Rede stehenden Gerichtsgebühren nur dem Grunde nach bekämpft, weil die erwähnte Eintragung zum Erwerb des Eigentums sowohl gemäß § 15 AgrVG (in der Fassung durch Art. I Z. 5 der Agrarverfahrensnovelle 1967, BGBl. Nr. 77) als auch nach § 53 FlVGG (in der Fassung durch Art. I Z. 14 der Flurverfassungsnovelle 1967, BGBl. Nr. 78) keiner öffentlichen Abgabe unterliege.

Auf Grund des § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem - in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführten - Erkenntnis vom 19. Dezember 1969, Zl. 893/69, ÖStZB 9/1970, S. 82, im Zusammenhang mit einer am 17. März 1969 (dieses Datum ist der erwähnten Veröffentlichung nicht zu entnehmen) bewilligten und im Grundbuch vollzogenen Eintragung (Einverleibung) zum Erwerb des Eigentums zu dem auch nach der Agrarverfahrensnovelle 1967 maßgebend gebliebenen Tatbestandsmerkmal des § 15 AgrVG "... die zur Durchführung eines Verfahrens VOR den Agrarbehörden zur Regelung der Flurverfassung ... erforderlich sind ..." im wesentlichen dargetan, daß diese Abgabenbefreiung Verträgen nicht zukommt, die nicht vor der Agrarbehörde abgeschlossen wurden.

Diese Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem oben angeführten, einen im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 GEG 1962 (Nachlaß von Gerichtsgebühren) stehenden Beschwerdefall betreffenden Erkenntnis vom 11. Juni 1987, Zl. 86/16/0041, ÖStZB 1/1988, S. 21, oder Anw 12/1987, S. 662, unter ausdrücklicher Bedachtnahme auf die Agrarverfahrensnovelle 1967 mit ausführlicher Begründung aufrecht erhalten (zur Geschichte des § 15 AgrVG - einschließlich der zuletzt zitierten

Novelle - siehe z.B. das Erkenntnis vom 11. Juni 1987, Zl. 86/16/0096, ÖStZB 3/1988, S. 80).

Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist an dieser Stelle folgendes festzuhalten:

Mit dem zitierten Erkenntnis Zl. 86/16/0041 hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. ausdrücklich dargetan, daß auch unter einem Verfahren "in den Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens" nur ein Verfahren vor der Agrarbehörde zu verstehen ist, sodaß die Abgabenfreiheit nach § 15 AgrVG (in der zitierten Fassung) nicht für Fälle gilt, in denen dem Erwerb lediglich im nachhinein eine bescheidmäßige Erklärung laut Gesetz folgt.

Jedenfalls diese aufklärenden Ausführungen erweisen die z. B. von Tschugguel-Pötscher, a.a.O., S. 163 unten, angeführte Stellungnahme des Bundesministers für Justiz vom 11. April 1973 in bezug auf § 15 AgrVG (in der zitierten Fassung) zumindest im Ergebnis als unzutreffend.

Mangels neuer Argumente in der vorliegenden Beschwerde sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, von seiner Auslegung des § 15 AgrVG (in der zitierten Fassung) abzugehen.

Die belangte Behörde ging bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides stillschweigend - aber zutreffend (siehe z.B. Tschugguel-Pötscher, a.a.O., S. 146 Abs. 4, und die dort zitierte Rechtsprechung) - davon aus, daß die von den Beschwerdeführern weiters in Anspruch genommene Gebührenbefreiung nach § 53 FlVGG (in der zitierten Fassung) auch noch innerhalb der für den Berichtigungsantrag offenstehenden Frist (im Berichtigungsantrag selbst) geltend gemacht werden konnte.

§ 53 FlVGG lautete vor der Flurverfassungsnovelle 1967 wie folgt:

"Hinsichtlich der Befreiung von Abgaben gelten die Bestimmungen des § 15 des Agrarverfahrensgesetzes 1950, BGBl. Nr. 173/1950. Diese Bestimmungen gelten auch für Verträge, die den Bestimmungen des § 49 entsprechen."

Voraussetzung für die Anwendung des zuletzt erwähnten § 49 waren nach dessen Abs. 2 u.a. "Kauf- und Tauschverträge ..., wenn sie von der Agrarbehörde ..., vor dieser Behörde abgeschlossen werden ...".

§ 53 letzter Satz FlVGG lautet auf Grund des Art. I Z. 14 der Flurverfassungsnovelle 1967, BGBl. Nr. 78:

"Diese Bestimmungen gelten auch für Verträge und Übereinkommen, die den Bestimmungen des § 50 Abs. 2 entsprechen."

Nun lautet dieser § 50 Abs. 2 seit seiner Fassung durch Art. I Z. 13 der zuletzt zitierten Novelle (mit dieser Z. 13 wurden die §§ 49 und 50 geändert):

"Dem Flurbereinigungsverfahren sind Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteienübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet wurden (Flurbereinigungsübereinkommen) zugrunde zu legen, wenn die Behörde bescheidmäßig feststellt, daß sie zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplanes Abstand genommen werden."

Da durch die Flurverfassungsnovelle 1967 für das Flurbereinigungsverfahren eine Reihe von Vereinfachungen geschaffen wurden und der neue § 50 Abs. 2 FlVGG u.a. die Initiative der Grundstückseigentümer anspornen will, dient auch die angeführte Änderung des § 53 letzter Satz FlVGG der Angleichung an die neuen Vorschriften über die Flurbereinigung. Nur abgesehen davon kommt der Vorschrift des § 53 FlVGG lediglich deklarative Bedeutung zu (siehe z.B. die Erläuternden Bemerkungen zu Art. I Z. 13 und 14 der Regierungsvorlage für die Flurverfassungsnovelle 1967 - 237 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XI. GP., insbesondere S. 18 links unten bis einschließlich rechts Abs. 2).

Anders als nach den Bestimmungen des § 15 AgrVG (in der zitierten Fassung) allein unterliegen den Bestimmungen des § 50 Abs. 2 FlVGG (in der zitierten Fassung) entsprechende - also auch nicht vor der Agrarbehörde errichtete - Vertragsurkunden und die auf Grund dieser Urkunden geschehenen bücherlichen Eintragungen keiner öffentlichen Abgabe, somit auch nicht den Gerichtsgebühren, die gemäß Art. II A., § 6 Z. 3 des im vorliegenden Fall maßgebenden FAG 1985 ausschließlich Bundesabgaben sind (siehe z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1969, B 35/69, Slg. Nr. 6028, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1986, Zl 86/16/0033, ÖStZB. 24/1986, S. 433).

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr. 206/1989.

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