Normen
BAO §299 Abs1 litb;
BAO §299 Abs1 litc;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
VwGG §36;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §49 Abs1;
BAO §299 Abs1 litb;
BAO §299 Abs1 litc;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
VwGG §36;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;
VwGG §49 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In seiner Umsatzsteuererklärung für 1987 wies der Beschwerdeführer Einnahmen aus "Tantiemen" von S 46.077,-- aus, für die er - ohne weitere Sachverhaltsdarstellung - die Steuerbefreiung nach § 6 Z 14 UStG 1972 in Anspruch nahm. In seiner Einkommensteuererklärung für 1987 bezeichnete der Beschwerdeführer die erwähnten Einnahmen als "Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Filmproduzent in Ruhe", für die er - ebenfalls ohne weitere Sachverhaltsdarstellung - den Hälftesteuersatz gemäß § 38 EStG 1972 beantragte.
Das Finanzamt behandelte, ohne ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, die Umsätze des Beschwerdeführers zur Gänze als umsatzsteuerfrei gemäß § 6 UStG 1972. Die Einkommensteuer setzte es vom Normalsteuersatz ausgehend fest, wobei es begründend ausführte, außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 37 EStG 1972 bzw. Einkünfte aus der Verwertung von Patent- und Urheberrechten im Sinne des § 38 EStG 1972 lägen im gegenständlichen Fall nicht vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid. Darin führte er folgendes aus:
" Laut beiliegenden Bestätigungen von der Literar-Mechana handelt es sich tatsächlich um Einkünfte von Urheberrechten. Bei Fernseh-Wiederholungssendungen bekomme ich niemals Honorare vom ORF, sondern die Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft nimmt meine Urheberrechte wahr (mein geistiges Eigentum) die ich in zwei Raten als Tantiemen ausbezahlt bekomme".
Das Finanzamt gab der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid mit der Begründung statt, die von der "Literar-Mechana" (ergänze: Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte Gesellschaft m.b.H.) überwiesenen Gelder stellten Einkünfte gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972 dar. Über Anregung des Finanzamtes hob die belangte Behörde, ohne ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, mit dem angefochtenen Bescheid den Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes für 1987 gemäß § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO auf. Begründend führte sie - nach dem Zitat von § 6 Z. 14 und § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 - folgendes aus:
"Laut Aktenlage bestand ihre ehemalige Tätigkeit in der Produktion von Trickfilmen. Die Verwertungsrechte dieser Filme übertrugen Sie der Literar-Mechana Wahrnehmungsgesellschaft für Urheberrechte GmbH. Laut Aktenlage vereinnahmten Sie den in Rede stehenden Betrag also als Entgelt für die Übertragung von Urheberrechten, sodaß im gegenständlichen Fall die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 zur Anwendung gelangen müßte, wonach der Umsatz dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt. Da dem Bescheid somit ein aktenwidriger und in wesentlichen Punkten unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde und der Bescheid überdies mit materiell-rechtlichen Vorschriften im Widerspruch steht, wurde er gemäß den zitierten Gesetzesbestimmungen aufgehoben. Es wurde dadurch dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit eingeräumt."
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde aufgehoben werden,
a)...
b) wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde,
c) wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können.
§ 299 Abs. 2 BAO normiert, daß ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden kann.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihren Bescheid auf § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO gestützt. Beide Behebungstatbestände sind jedoch nicht verwirklicht. Nach dem Inhalt der Verwaltungsakten lagen dem Finanzamt bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides 1987 die Art der erbrachten Leistungen betreffend weder konkrete Sachverhaltsangaben des Beschwerdeführers noch Ermittlungsergebnisse vor. Die vom Beschwerdeführer gebrauchten Bezeichnungen seiner Person als "Filmproduzent in Ruhe" und der strittigen Umsätze als "Tantiemen" stellen keine Tatsachenbehauptungen dar, auf deren Grundlage die Verwirklichung der Tatbestandselemente der in Rede stehenden Begünstigungs- bzw. Befreiungsvorschriften hätte geprüft werden können. Bei dem hier gegebenen völligen Fehlen von Sachverhaltsfeststellungen bzw. einer Grundlage hiefür kann aber nicht davon gesprochen werden, daß der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen worden wäre. Ebensowenig kann in einem solchen Fall - bei vollständigem Fehlen einer Sachverhaltsgrundlage - von einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, also der Fehlerhaftigkeit des Denkprozesses, in dem der festgestellte Sachverhalt auf seine Tatbestandsmäßigkeit untersucht wird, die Rede sein.
Die belangte Behörde hat daher durch die Heranziehung der Aufhebungstatbestände des § 299 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 BAO die Rechtslage verkannt.
Zwar wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht dadurch verletzt, daß sich die Behörde in der Bezeichnung des Aufhebungstatbestandes vergriffen hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1987, Zl. 87/14/0063). Dies bedeutet aber nicht, daß im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erstmals ein dem erstinstanzlichen Verfahren anhaftender Mangel aufgegriffen werden könnte, auf den die Oberbehörde in ihrem Aufhebungsbescheid in keiner Weise hingewiesen hat. Überdies hat die Oberbehörde, die einen Bescheid gemäß § 299 Abs. 1 lit. c BAO aus dem Rechtsbestand beseitigen will, konkret jene Verfahrensmängel darzutun, deren Vermeidung zu einem anderslautenden Bescheid hätte führen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, Zl. 87/14/0034).
Der vorliegenden Beschwerde kann somit nicht deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil auf den aufgehobenen Bescheid der Aufhebungstatbestand des § 299 Abs. 1 lit. c BAO zutrifft. Nach § 115 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Das Finanzamt hätte sich daher bei Erlassung des Umsatzsteuerbescheides nicht mit der bloßen Rechtsbehauptung des Beschwerdeführers, seine Umsätze seien steuerfrei gemäß § 6 Z. 14 UStG 1972, begnügen und ohne jede Prüfung des Sachverhaltes auf die Verwirklichung der in der zitierten Vorschrift genannten Tatbestandsmerkmale die Umsätze als steuerfrei behandeln dürfen; vielmehr wäre die Aufklärung des Sachverhaltes in einem Ermittlungsverfahren geboten gewesen. Auch durch einen Verstoß gegen § 115 Abs. 1 BAO können Verfahrensvorschriften im Sinne des § 299 Abs. 1 lit. c BAO verletzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1986, Zl. 86/13/0091, und die darin zitierte Vorjudikatur), wobei im vorliegenden Fall auf der Hand liegt, daß die unterlassenen Erhebungen einen anderen Bescheid des Finanzamtes hätten nach sich ziehen können.
All dies deutet die belangte Behörde in ihrem Aufhebungsbescheid aber mit keinem Wort an; sie begründet die Aufhebung vielmehr lediglich mit der nicht weiter konkretisierten Behauptung, daß dem Bescheid, der überdies mit materiell-rechtlichen Vorschriften im Widerspruch stehe, ein aktenwidriger und in wesentlichen Punkten unrichtiger Sachverhalt zu Grunde gelegt worden sei. Diese Aufhebungsgründe sind aber nicht verwirklicht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtaufhebung des Umsatzsteuerbescheides verletzt. Die im Rahmen dieses Beschwerdepunktes liegende Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides war daher vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen, wenngleich die Beschwerdeausführungen, die sich ausschließlich mit der Frage der Anwendbarkeit des § 6 Z. 14 und des § 10 Abs. 2 Z. 17 UStG 1972 auf die Umsätze des Beschwerdeführers auseinandersetzen und dabei verkennen, daß die angefochtene Entscheidung kassatorisch ist und mit ihr keine Sachentscheidung getroffen wurde, an der Sache vorbeigehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der nach § 49 Abs. 1 vorgesehene Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand sowohl die Kosten einer Erwiderung der Gegenschrift als auch die Umsatzsteuer beinhaltet (vgl. die bei Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 696 Abs. 6 und 697 Abs. 3 angeführte hg. Rechtsprechung).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)