VwGH 89/14/0261

VwGH89/14/02617.9.1990

1. N, 2. O und 3. P gegen Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 12. September 1989, zu 1. Zl. 245/4-GA 6-DMe/86, zu 2. Zl. 245/7-GA 6-DMe/86, zu 3. Zl. 245/8-GA 6-DMe/86, betreffend jeweils Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO:

Normen

BAO §119 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §91;
EStG 1972 §78 Abs3;
EStG 1972 §87 Abs3;
GmbHG §18;
BAO §119 Abs1;
BAO §167 Abs2;
BAO §80 Abs1;
BAO §81 Abs1;
BAO §9 Abs1;
BAO §91;
EStG 1972 §78 Abs3;
EStG 1972 §87 Abs3;
GmbHG §18;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 1.226,67 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Kostenmehrbegehren werden abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer waren Geschäftsführer einer Gesellschaft m. b.H., die ihrerseits Komplementär einer Kommanditgesellschaft war, über deren Vermögen am 24. März 1982 der Konkurs eröffnet wurde; dieser wurde nach Verteilung des Massevermögens am 28. März 1985 aufgehoben.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen drei Bescheiden wurden die Beschwerdeführer jeweils gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung für im Konkurs nicht befriedigte Abgabenschulden der Kommanditgesellschaft im Gesamtausmaß von S 950.029,-- herangezogen. Hiebei handelte es sich um Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschläge aus den Jahren 1981 bis 1982.

Die belangte Behörde stellte - insbesondere im Hinblick auf die Nichtbeantwortung eines entsprechenden Vorhaltes - fest, daß zwischen den Beschwerdeführern keinerlei Aufteilung der Geschäftsführertätigkeit vorgelegen habe, sodaß von der Verantwortlichkeit aller Beschwerdeführer als Geschäftsführer auch für die Abgabenangelegenheiten auszugehen sei. Sie hätten die Vorschrift des § 78 Abs. 3 EStG 1972 verletzt, da Löhne ausbezahlt worden seien, die dazugehörige Lohnsteuer zwar angemeldet, aber nicht entrichtet worden sei, wofür gemäß § 9 BAO gehaftet werde. Hinsichtlich im Haftungsbescheid enthaltener Umsatzsteuer liege das abgabenrechtlich relevante Verschulden vor, wenn solche vom Unternehmen eingenommenen Beträge nicht abgeführt, sondern zu anderen Zwecken verwendet würden. Für Lohnsteuer und Umsatzsteuer, aber auch für die übrigen im Haftungsbescheid angeführten Abgaben gelte der Grundsatz, daß derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun habe, aus denen ihm die Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden dürfe, daß er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen sei. Die Beschwerdeführer hätten in ihren Berufungen lediglich ausgeführt, daß es auf Grund eines ausgebliebenen Großauftrages zu Liquiditätsschwierigkeiten der Kommanditgesellschaft und schließlich zur Konkurseröffnung gekommen sei. Der zur genauen Klärung dieser Angaben ergangene Vorhalt sei unbeantwortet geblieben, sodaß vom ursächlichen Verschulden der Beschwerdeführer auszugehen sei. Da für die Bezahlung "alter" und laufender Abgaben das Einlangen eines neuen Auftrages erforderlich gewesen sei, könne eine Fortsetzung des Betriebes den Geschäftsführern hinsichtlich der im Konkurs unberücksichtigt gebliebenen Forderungen des Finanzamtes nur als Verschulden angerechnet werden. Ein klares Indiz für das Verschulden der Beschwerdeführer sei darin zu sehen, daß die Dienstgeberbeiträge und Lohnsteuerbeträge für einige Monate dem Finanzamt erst gar nicht bekannt gegeben worden seien. Auf das in einem Zivilprozeß erstattete Sachverständigengutachten sei nicht einzugehen, da es für die Haftung der Beschwerdeführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO auf die verspätete Stellung eines Konkursantrages bzw. die Strafbarkeit gemäß § 159 StGB nicht ankomme. Auf die Einvernehmung der in den Berufungsschriften angeführten Zeugen könne verzichtet werden, da weder vom Verkaufsleiter, noch vom Masseverwalter, noch vom Gerichtssachverständigen die von den Beschwerdeführern mittels Vorhaltes geforderten konkreten Angaben, die nur von diesen hätten stammen können, zu erwarten gewesen seien. Ratenzahlung sei mit dem Finanzamt nicht vereinbart, vielmehr ein Stundungsansuchen der Kommanditgesellschaft abgewiesen worden.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch diesen Bescheid erkennbar in ihrem Recht verletzt, nicht zur Haftung herangezogen zu werden. Sie beantragen in ihren Beschwerden jeweils den sie betreffenden Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

 

Die belangte Behörde hat die jeweiligen Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt; sie beantragt in einer einzigen Gegenschrift die Abweisung der Beschwerden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die drei Beschwerden wegen des sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:

 

Die Beschwerdeführer werfen der belangten Behörde als Verfahrensmangel vor, sie hätte die in den Berufungen zur Verschuldensfrage beantragten Beweise nicht aufgenommen und durch die Nichtdurchführung der beantragten Einvernahme der Beschwerdeführer deren Recht auf Parteiengehör verletzt. Hätte die belangte Behörde die Beschwerdeführer sowie die angebotenen Zeugen zum Sachverhalt befragt, hätte sie die Feststellung treffen müssen, daß den Beschwerdeführern keine schuldhafte Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden könne.

Zutreffend verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zunächst darauf, daß es sich bei der Verschuldensfrage nicht um eine Tatfrage, sondern um eine Rechtsfrage handelt, die auf Grund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist.

Als Beweisthema zu den in ihren Berufungen gestellten Beweisanträgen haben die Beschwerdeführer im wesentlichen die Ursachen der Überschuldung der Kommanditgesellschaft genannt. Auch in den vorliegenden Beschwerden betonen die Beschwerdeführer, sie hätten in ihren Berufungen dargetan, warum es zu Liquiditätsschwierigkeiten der Kommanditgesellschaft und schließlich zum Konkurs gekommen sei.

Es mag sein, daß zu diesem Thema der Verkaufsleiter des Unternehmens aus eigener Wahrnehmung, der Masseverwalter und der Gerichtssachverständige auf Grund der ihnen zur Verfügung stehenden Unterlagen etwas beitragen könnten - für die Haftung gemäß § 9 BAO ist es aber ohne Bedeutung, ob die Beschwerdeführer ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Kommanditgesellschaft trifft (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1989, Zl. 89/14/0043, und vom 13. Dezember 1989, Zl. 88/13/0223). Die belangte Behörde mußte deshalb über die Ursachen der Insolvenz, insbesondere über das behauptete Ausbleiben eines Großauftrages, keine Beweise aufnehmen. Auch mit dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Überschuldung der Gesellschaft und dem diesbezüglichen in einem Zivilprozeß eingeholten Sachverständigengutachten mußte sich die belangte Behörde nicht befassen, zumal die abgabenrechtliche Geschäftsführerhaftung nicht an dieselben Voraussetzungen anknüpft, wie die zivilrechtliche. Auf die Erwägungen der belangten Behörde zur Fortführung des Betriebes trotz der angespannten finanziellen Lage der Gesellschaft kommt es daher nicht an. Für das Haftungsverfahren ist nämlich entscheidungswesentlich, ob die Geschäftsführer bei oder nach Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeiten Mittel zur Bezahlung - gegebenenfalls nach gleichmäßiger Aufteilung der Zahlungsmittel auf alle Verbindlichkeiten - zur Verfügung hatten und für die (anteilige) Abgabentilgung Sorge getragen haben (vgl. Stoll, BAO Handbuch S. 29).

Dementsprechend wurde den Beschwerdeführern im Berufungsverfahren am 23. August 1985 auch Gelegenheit gegeben, sich zur Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid angeführten Abgaben zu äußern, und die Verwendung der seit August 1981 vereinnahmten Beträge darzustellen. Diese Vorhalte, mit denen den Beschwerdeführern auch das von ihnen vermißte Parteiengehör gewährt wurde, blieben aber unbeantwortet. Leisteten die Beschwerdeführer der Einladung der belangten Behörde zu ihrer (schriftlichen) Vernehmung nicht Folge und verletzten sie solcherart auch ihre Offenlegungspflicht (§ 119 Abs. 1 BAO), so war die belangte Behörde gemäß § 167 Abs. 2 BAO berechtigt, diesen Umstand in ihrer Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1987, Zl. 87/14/0093).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Vorschriften der §§ 9 und 80 BAO ist es Sache des Vertreters die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, widrigenfalls die Behörde zur Annahme berechtigt ist, daß er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist (vgl. aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0212).

Die belangte Behörde ist in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung vorgegangen und hat ihre Überlegungen nachvollziehbar dargelegt, weshalb von einem Begründungsmangel keine Rede sein kann.

Auf das Beschwerdevorbringen, eine Großfaktura der Kommanditgesellschaft wäre vom Kunden nur akontiert worden, die Nichtentrichtung von Lohnsteuer für 1981 hätte sich erst aus einem Lohnsteuerprüfungsbescheid 1982 ergeben, ist nicht einzugehen, da es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerungen handelt.

Mit der Behauptung, es wäre mit dem Finanzamt eine Vereinbarung über die Zahlung der Steuerrückstände getroffen worden, setzen sich die Beschwerdeführer mit der gegenteiligen Feststellung der belangten Behörde in Widerspruch. Warum diese Feststellung unrichtig sein soll, begründen die Beschwerdeführer nicht. Im übrigen würde das Vorliegen einer solchen Vereinbarung, die nach dem Beschwerdevorbringen ohnehin nicht eingehalten wurde, nicht schon die Entlassung der Geschäftsführer aus der Haftung gemäß § 9 BAO nach sich ziehen.

Soweit die Beschwerdeführer die Fortzahlung der Löhne bis zur Konkurseröffnung betonen, ergibt sich in diesem Zusammenhang gerade aus der Unterlassung der Abführung der Lohnsteuer im Hinblick auf die Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1972 eine schuldhafte Verletzung der die Beschwerdeführer als Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten (vgl. aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 28. März 1990, Zl. 89/13/0189). Reichen die für Lohnzahlungen zur Verfügung stehenden Mittel nämlich nicht auch zur Deckung der von den ausgezahlten Beträgen einzubehaltenden Lohnsteuer aus, so ist ein entsprechender niedrigerer Betrag zur Auszahlung zu bringen, sodaß die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 85/14/0161).

Unbestritten ist, daß bei einer GmbH. & Co KG die Geschäftsführer der GmbH. auch die abgabenrechtlichen Pflichten, die die Kommanditgesellschaft treffen, zu erfüllen haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1989, Zlen. 88/13/0127-0132). Abweichend von den beiden übrigen Beschwerden behauptet aber die Beschwerdeführerin in der zur Zl. 89/14/0262 protokollierten Beschwerde, sie hätte auf Grund einer internen Vereinbarung keinerlei Geschäftsführerkompetenz innegehabt.

Die belangte Behörde hat insoweit allerdings eine gegenteilige Feststellung getroffen. Die Beschwerdeführerin nennt in ihrer Beschwerde keine Gründe, die gegen die Richtigkeit dieser Feststellung sprechen könnten. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag im Rahmen der ihm zustehenden beschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung der belangten Behörde (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 548 f) nicht zu erkennen, daß deren Erwägungen unschlüssig wären. Im übrigen läge ein für die Haftung gemäß den §§ 9 und 80 BAO relevantes Verschulden auch dann vor, wenn sich ein Geschäftsführer schon bei der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber unmöglich macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juli 1989, Zl. 89/15/0021). Auch aus dem Nachweis der behaupteten internen Vereinbarung wäre für die Beschwerdeführerin daher nichts zu gewinnen. Somit ist von einer Haftung auch dieser Beschwerdeführerin für die Abgabenverbindlichkeiten der Kommanditgesellschaft auszugehen.

Den angefochtenen Bescheiden haftet demnach die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an, weshalb die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Der Schriftsatzaufwand der belangten Behörde für die (einzige) Gegenschrift, in der auf die einzelnen Fälle nicht getrennt Bezug genommen wird, war den Beschwerdeführern zu je einem Drittel anzulasten.

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