VwGH 89/13/0183

VwGH89/13/018328.3.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte

Dr. Schubert, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin

Mag. Wimmer, über die Beschwerde des S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Juli 1989, Zl. GA 5 - 1595/1/89, betreffend Werbungskosten für das Kalenderjahr 1987, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §16 Abs1 Z9;
EStG 1972 §26 Z7 litb;
EStG 1972 §26 Z7;
EStG 1972 §16 Abs1 Z9;
EStG 1972 §26 Z7 litb;
EStG 1972 §26 Z7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Bahnpostbediensteter, machte nach § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 Nächtigungsgelder in Höhe der Sätze des § 26 Z. 7 lit. b leg. cit. als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug, weil der Beschwerdeführer in arbeitgebereigenen Quartieren kostenlos habe nächtigen können.

Gegen den diesbezüglichen Bescheid wandte der Beschwerdeführer mit Berufung ein, daß die pauschale Berücksichtigung von Nächtigungskosten nach § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 lediglich die Tatsache der Nächtigung auf einer Dienstreise voraussetze.

Im Hinblick auf die beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zl. 88/13/0066 anhängige Rechtssache setzte die belangte Behörde zunächst die Entscheidung über die Berufung gemäß § 281 BAO mit Bescheid aus.

Im angefochtenen Bescheid vertrat die belangte Behörde sodann unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 17. Mai 1989, Zl. 88/13/0066 und Zl. 88/13/0091, den Standpunkt, daß die in Rede stehende Werbungskostenpauschalierung nur zum Zug kommen könne, wenn überhaupt Reisekosten der gegenständlichen Art (Nächtigungskosten) anfielen.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind Werbungskosten auch Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlaßten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die im § 26 Z. 7 angeführten Sätze nicht übersteigen; bei den Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 5 bis 7 tritt an die Stelle des Bruttojahresarbeitslohnes der Durchschnitt der um den Werbungskostenpauschbetrag gemäß § 16 Abs. 3 vermehrten Einkünfte der letzten drei Jahre vor dem Veranlagungszeitraum.

Zu dieser Gesetzesstelle vertrat der Gerichtshof in seinen beiden Erkenntnissen vom 17. Mai 1989, Zl. 88/13/0066 und Zl. 88/13/0091, die Rechtsmeinung, daß die dort im zweiten Satz vorgesehene pauschale Berücksichtigung von Reisekosten dann nicht zum Zug kommen kann, wenn für den Arbeitnehmer Aufwendungen der fraglichen Art (Nächtigungskosten) überhaupt nicht anfielen. Diese Rechtsauffassung zieht die vorliegende Beschwerde nicht mehr in Zweifel. Sie weist jedoch darauf hin, daß der Beschwerdeführer selbst anläßlich der dienstlichen Nächtigungen für das Frühstück aufkommen hätte müssen und daß er selbst Handtücher, Waschmittel und Toiletteartikel mitzubringen hatte. Weiters benötige der Bedienstete für die Dienstreisen entsprechende Behältnisse zum Transport privater Gegenstände, wie Reisetaschen, kleine Koffer und dgl., Bademäntel, Schlafrock oder Trainingsanzug zur Benützung der nicht in den Zimmern gelegenen WC- und Waschanlagen, Hausschuhe, Badeschuhe etc., wobei mitunter aus hygienischen Gründen Doppelanschaffungen notwendig wären. Auf den Dienstreisen würden beispielsweise bei den Hygieneartikeln zum Zweck der Gewichtseinsparung kleinere Gebinde verwendet, die in der Preis-Mengen-Relation gegenüber den Haushaltspackungen teurer seien. Den Bahnpostbediensteten entstünden daher im Zuge einer Nächtigung durchaus Aufwendungen, die sie selbst zu tragen hätten, da sich die unentgeltliche Leistung des Arbeitgebers im Zurverfügungstellen der Schlafstelle (samt Bettzeug) erschöpfe.

Diesem Vorbringen ist zum ersten entgegenzuhalten, daß das Nächtigungsgeld des § 26 Z. 7 lit. b EStG 1972, mit dem im Beschwerdefall Werbungskosten pauschal berücksichtigt werden sollen, die Kosten eines Frühstücks nicht umfaßt (siehe nochmals das Erkenntnis Zl. 88/13/0066).

Zu den weiteren, ins Treffen geführten Aufwendungen ist anzumerken, daß das Finanzamt im Verwaltungsverfahren unmißverständlich den Standpunkt vertrat, daß dem Beschwerdeführer KEINE im Wege des Nächtigungsgeldes zu berücksichtigenden Nächtigungsaufwendungen erwuchsen. Es wäre - von den nachstehenden rechtlichen Erwägungen abgesehen - am Beschwerdeführer gelegen gewesen, schon im Verwaltungsverfahren im Sinne der Beschwerdeausführungen dennoch erwachsene Aufwendungen im einzelnen darzutun. Da schon der Bescheid des Finanzamtes hiezu Gelegenheit bot, war die belangte Behörde, anders als der Beschwerdeführer meint, nicht dazu verhalten, ihm nach Ergehen der beiden Erkenntnisse vom 17. Mai 1989, Zlen. 88/13/0066 und 88/13/0091, Parteiengehör zu gewähren, und dies auch nicht deshalb, weil die Rechtssache zu Zl. 88/13/0066 Anlaß für die Aussetzung der im vorliegenden Verfahren zu treffenden Berufungsentscheidung war. Es ist zwar nach § 281 Abs. 1 BAO die Partei zur Aussetzung der Berufungsentscheidung zu hören, nicht aber auch zur Fortsetzung des Berufungsverfahrens gemäß § 281 Abs. 2 BAO, es sei denn, daß die Behörde ihrer Berufungsentscheidung dem Beschwerdeführer bisher nicht bekannte Sachverhaltselemente zugrunde legen will, was auf den angefochtenen Bescheid nicht zutrifft. Am Rande sei auch erwähnt, daß in den Beschwerdefällen zu den Zlen. 88/13/0066 und 88/13/0091 so wie im vorliegenden Beschwerdefall derselbe Beschwerdevertreter einschritt und diesem das Erkenntnis Zl. 88/13/0066 am 19. Juni 1989 sowie das Erkenntnis Zl. 88/13/0091 am 22. Juni 1989 zugestellt wurden, während der angefochtene Bescheid dem Beschwerdevertreter erst am 7. August 1989 (in den am heutigen Tag zu den Zlen. 89/13/0187, 0221 und 0222 entschiedenen Fällen noch später) zukam, womit der Beschwerdeführer (sein Vertreter) ausreichend Zeit hatte, jene neuen Tatsachen vorzubringen, die vorzutragen ihm in der Beschwerde im Hinblick auf die Erkenntnisse vom 17. Mai 1989 notwendig erschien.

Selbst wenn der Beschwerdeführer mit seiner Verfahrensrüge im Recht wäre, hätte er doch keinen wesentlichen Verfahrensmangel aufgezeigt, weil ihm der Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen auch in der Sache selbst nicht beizupflichten vermag:

§ 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 bietet die Möglichkeit pauschaler Berücksichtigung von Reisekosten. Aus der Bedachtnahme auf die "im § 26 Z. 7 angeführten Sätze" ergibt sich, daß jene Aufwendungen, für die Nächtigungsgelder vorgesehen sind (hier nach § 26 Z. 7 lit. b EStG 1972), mit den eben hiefür normierten Sätzen berücksichtigt werden sollen. Als pauschale und daher auch von einer typisierenden Betrachtungsweise geprägte Sätze gelten die Nächtigungsgelder jene Aufwendungen ab, die typischerweise mit einer Nächtigung verbunden sind. Dementsprechend hielt es der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 17. Mai 1989, Zl. 88/13/0091, für geboten, die Annahme der belangten Behörde auf ihre Richtigkeit zu prüfen, es träfe den Beschwerdeführer überhaupt kein durch Nächtigungsgelder ÜBLICHERWEISE abgegoltener Aufwand. Typischerweise (üblicherweise) sind nun mit Nächtigungen Aufwendungen für die Unterkunft des Arbeitnehmers - das Nächtigungsquartier - verbunden. Diesen für eine Nächtigung typischen Aufwendungen will das Nächtigungsgeld jedenfalls Rechnung tragen (siehe auch Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg , Einkommensteuerhandbuch2, § 26 Tz 58, und Hofstätter-Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 26 Z. 7 EStG 1972 Tz 4). Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß das Nächtigungsgeld auch dann zum Zug kommen soll, wenn Aufwendungen der pauschal (typisiert) abzugeltenden Art, nämlich Aufwendungen für die Unterkunft (das Nächtigungsquartier) überhaupt nicht angefallen sind, sondern nur Aufwendungen, die wie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten einer konkreten Nächtigung gar nicht zugerechnet werden können, ja bei denen nach der Art der Anschaffungen nicht einmal eine private Verwendung der angeschafften Gegenstände (außerhalb einer Dienstreise) auszuschließen ist.

Daß die Nächtigungsgelder jedenfalls die Kosten für die Unterkunft (das Nächtigungsquartier) abgelten sollen, zeigt auch die Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972. Die Bestimmung wurde durch die Einkommensteuergesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 469, geschaffen. Sie lautete in ihrer ursprünglichen Fassung:

Werbungskosten sind auch 9. Aufwendungen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlaßten Reisen. Diese Aufwendungen sind bei Arbeitnehmern ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie die im § 26 Z. 7 lit. b und c angeführten Sätze nicht übersteigen.

 

In § 26 Z. 7 lit. b und c EStG 1972 waren (und sind) Tages- und Nächtigungsgelder vorgesehen. Aus dem Zusammenhalt mit § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 in der eben angeführten Fassung geht hervor, daß die Tagesgelder den Aufwendungen für die Verpflegung, die Nächtigungsgelder aber den Aufwendungen für die UNTERKUNFT Rechnung tragen. Diesbezüglich sollte das Abgabenänderungsgesetz 1982, BGBl. Nr. 570, mit der § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 seine für das Streitjahr geltende und bereits wiedergegebene Fassung erhielt, keine Änderung bringen; es sollte lediglich die Möglichkeit geschaffen werden, auch das amtliche Kilometergeld geltend zu machen und die "Reisekostenpauschalierung" bei allen Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 bis 7 EStG 1972 in Anspruch zu nehmen (siehe Dollak-Bauer-Simon-Zaussinger, Das Einkommensteuergesetz11, Seite 254, sowie Hofstätter-Reichel, aaO, § 16 Abs. 1 EStG 1972 allgemein Tz 7, Stichwort "Reisekosten", Seite 32 f).

Die Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 bestätigt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes das Auslegungsergebnis, daß die Nächtigungsgelder nicht zum Zug kommen, wenn die mit ihnen jedenfalls abzugeltenden Aufwendungen für UNTERKUNFT überhaupt nicht anfielen. Steht hingegen die Tatsache fest, daß Aufwendungen für Unterkunft anfielen, dann können auch bei fehlendem Nachweis der Höhe dieser Aufwendungen die Nächtigungsgelder in Anspruch genommen werden.

Der Beschwerdeführer vermochte somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Seine Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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