Normen
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
WehrG 1978 §37 Abs2 litb;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 29. Mai 1989 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. März 1988 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der im Jahre 1961 geborene Beschwerdeführer wurde anläßlich seiner Stellung im Jahre 1980 für tauglich befunden. Auf Grund seiner Anträge wurde ihm gemäß § 37 Abs. 6 lit. b Wehrgesetz 1978 der Antritt des Grundwehrdienstes aufgeschoben, zuletzt mit Bescheid des Militärkommandos Steiermark vom 10. September 1985 für die Zeit bis 15. August 1988.
Mit Schreiben vom 1. März 1988 beantragte der Beschwerdeführer die Befreiung vom Grundwehrdienst und führte aus, er habe 1980 ein Studium an der Universität für Bodenkultur begonnen. Während des Studiums habe er zunächst stundenweise bei der J & Co Gesellschaft m.b.H. ausgeholfen. Im Laufe der Zeit sei seine Tätigkeit immer umfangreicher geworden; im Jahre 1984 habe er den gesamten Wareneinkauf selbständig durchgeführt. Bei den Lieferanten handle es sich vorwiegend um Obstbauern aus der Oststeiermark, mit denen er die geschäftlichen Kontakte gepflogen habe. Im Mai 1986 hätten ihm mehrere Lieferanten mitgeteilt, daß von der Gesellschaft ausgestellte Schecks nicht gedeckt seien. Der damalige Geschäftsführer habe erklärt, daß die Gesellschaft konkursreif sei. Der Beschwerdeführer habe sich den Lieferanten gegenüber verpflichtet gefühlt und keine andere Möglichkeit gesehen, als die Gesellschaftsanteile zu übernehmen. Ende 1986 sei der frühere Geschäftsführer ausgeschieden. Durch die Übernahme persönlicher Haftungen für Beträge in der Höhe von ca. S 3 Mio habe der Beschwerdeführer eine Weiterführung des Betriebes erreicht. In Zusammenarbeit mit seinem Bruder Manfred, der in der Steiermark den Einkauf durchführe, leite er nun das Unternehmen in Wien allein. Er habe in den beiden letzten Jahren die Position des Unternehmens auf dem Wiener Großmarkt deutlich verbessern können. Seine Abwesenheit würde den Verlust der meisten Kunden und gewaltige Umsatzeinbußen herbeiführen. Da die finanzielle Situation der Gesellschaft immer noch angespannt sei, würde seine Abwesenheit zum Konkurs der Gesellschaft führen und würden die von ihm übernommenen Haftungen zum Tragen kommen.
Mit Bescheid vom 9. Mai 1988 wies das Militärkommando Wien den Antrag des Beschwerdeführers vom 1. März 1988 ab. Es stellte fest, daß der Beschwerdeführer, der über 55 % der Geschäftsanteile der Gesellschaft verfüge, und sein Bruder Manfred, der 25 % der Geschäftsanteile besitze, einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer der Gesellschaft seien. Der restliche Geschäftsanteil von 20 % gehöre dem Vater des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer leite das Unternehmen und könne derzeit nicht vertreten werden. Im Jahre 1987 habe die Gesellschaft einen Umsatz von über S 22 Mio und einen Verlust von rund S 33.000,-- erzielt. Im Unternehmen seien ferner ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers und die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers beschäftigt. Das Unternehmen habe einen mit rund S 300.000,-- ausgenützten Rahmenkredit von S 500.000,-- sowie Lieferantenverbindlichkeiten von rund S 2 Mio. Für weitere Kredite in der Höhe von S 4,176.114,-- seien monatliche Rückzahlungsraten von S 62.363,-- zu leisten. Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt vertrat die erstinstanzliche Behörde die Auffassung, daß die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers nicht besonders rücksichtswürdig seien, weil er seine wirtschaftlichen Dispositionen ohne Rücksicht auf die Wehrpflicht getroffen habe. Außerdem beträfen die geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen nicht nur den Beschwerdeführer, sondern auch seinen Bruder und seinen Vater. Es sei Aufgabe der Mitgesellschafter, für die Dauer der Präsenzdienstleistung des Beschwerdeführers entsprechende Vorsorge zu treffen. Familiäre Interessen seien nicht geltend gemacht worden.
Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung und brachte im Zuge des Verfahrens vor der belangten Behörde vor, seine Eltern betrieben in der Steiermark ein landwirtschaftliches Unternehmen, welches sich mit Obstanbau beschäftige. Um in Wien bessere Absatzmöglichkeiten zu erlangen, habe sein Vater im Jahre 1983 Geschäftsanteile der genannten Gesellschaft erworben. Auf Wunsch seines Vaters habe der Beschwerdeführer, der in Wien studiert habe, bei dieser Gesellschaft eine stundenweise Nebenbeschäftigung angenommen, und zwar deshalb, weil vorgesehen gewesen sei, daß er die Geschäftsanteile eines Gesellschafters und die Geschäftsführung übernehmen werde. Der Vater des Beschwerdeführers sei Verbindlichkeiten für das Unternehmen eingegangen. Im Jahre 1985 habe sich herausgestellt, daß Schulden im Ausmaß von S 3 Mio vorhanden waren, die aus der Bilanz nicht hervorgegangen seien. Seine Eltern hätten sich dann entschlossen, nicht das Insolvenzverfahren anzumelden, sondern für die Verbindlichkeiten aufzukommen und die Geschäftsanteile des anderen Mitgesellschafters zu übernehmen. In dieser Phase habe der Beschwerdeführer auf Ersuchen seiner Eltern die Geschäftsführung übernommen. Sein Ausfall als Geschäftsführer während des Grundwehrdienstes würde den wirtschaftlichen Untergang des Unternehmens herbeiführen und hätte für seine Eltern und Geschwister schwere wirtschaftliche Folgen. Außerdem sei nicht ausgeschlossen, daß auch die Obstbauern, deren Ware durch die Gesellschaft verkauft werde, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
Die belangte Behörde vertrat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, wirtschaftliche Interessen seien beim Beschwerdeführer auf Grund seiner Beteiligung an der Gesellschaft gegeben, doch seien diese nicht besonders rücksichtswürdig, weil auch die anderen Gesellschafter ein Interesse an der ordnungsgemäßen Führung des Unternehmens hätten. Außerdem habe der Beschwerdeführer gewußt, daß er nach Ablauf des gewährten Aufschubes seine Präsenzdienstpflicht erfüllen müsse, sodaß ihn die Verpflichtung getroffen habe, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, daß seiner Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entgegenstehen. Den anderen Gesellschaftern seien zudem entsprechende Dispositionen im Hinblick auf die Einberufung des Beschwerdeführers zumutbar. Da ein Bruder des Beschwerdeführer ebenfalls Geschäftsführer sei, könne der Beschwerdeführer durch diesen vertreten werden. Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen seien nicht geltend gemacht worden und lägen auch nicht vor.
Der Beschwerdeführer rügt das Fehlen von Sachverhaltsfeststellungen darüber, wie sich seine Einberufung zum ordentlichen Präsenzdienst auf seine Familie auswirke. Es fehlten somit Feststellungen über die von ihm geltend gemachten familiären Interessen.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß von familiären Interessen im Sinne des § 37 Abs. 2 lit. b Wehrgesetz 1978 nur dann gesprochen werden kann, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser nicht gewähren kann. Besonders rücksichtswürdig sind solche Interessen nur dann, wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0235). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang seine Unterhaltspflichten ins Treffen führt, genügt es, auf die Bestimmungen des Heeresgebührengesetzes 1985 betreffend den Familienunterhalt (§§ 25 ff) und die Wohnkostenbeihilfe (§§ 30 f) hinzuweisen. Die Gefährdung der Gesundheit von Familienmitgliedern behauptet der Beschwerdeführer nicht. Inwieweit sonstige LEBENSWICHTIGE Interessen von Familienangehörigen gefährdet werden, ist weder dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren noch den Beschwerdeausführungen zu entnehmen. Die vom Beschwerdeführer behaupteten wirtschaftlichen Nachteile für seine Angehörigen im Falle seiner Präsenzdienstleistung können auch deshalb nicht zu besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen des Beschwerdeführers führen, weil seine Angehörigen ihr wirtschaftliches Engagement hinsichtlich der genannten Gesellschaft eingegangen sind, obwohl sie wußten, daß der Beschwerdeführer noch seine Präsenzdienstpflicht zu erfüllen hat. Sie hätten daher von vornherein entweder ihr auf der Geschäftsführungstätigkeit des Beschwerdeführers aufbauendes finanzielles Engagement unterlassen oder so disponieren müssen, daß der Beschwerdeführer während der Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht ausreichend vertreten werden kann.
Die besondere Rücksichtswürdigkeit von wirtschaftlichen Interessen eines Wehrpflichtigen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann zu verneinen, wenn der Wehrpflichtige seine wirtschaftlichen Dispositionen ohne Rücksicht auf die ihn treffende Wehrpflicht vorgenommen hat. Er darf auch nicht während einer befristeten Befreiung oder eines Aufschubes neue Tatsachen schaffen, um daraus in der Folge einen Befreiungsgrund abzuleiten (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 26. April 1988, Zl. 88/11/0061, und vom 3. Mai 1988, Zl. 88/11/0021). Gegen diese Obliegenheit hat der Beschwerdeführer verstoßen, weshalb die belangte Behörde mit Recht die besondere Rücksichtswürdigkeit der aus der Beteiligung an der genannten Gesellschaft abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers verneint hat. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, eine Verletzung der oben beschriebenen Obliegenheit könne ihm deshalb nicht angelastet werden, weil die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft nicht vorhersehbar gewesen seien, ist ihm zu erwidern, daß er zu dem Zeitpunkt, als die Schwierigkeiten nach seinen Behauptungen auftraten, weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der Gesellschaft war. Er ist die gesellschaftsrechtlichen Bindungen, aus denen er nun besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen abzuleiten versucht, erst in der Folge eingegangen, weshalb ihm die belangte Behörde mit Recht die Verletzung der genannten Obliegenheit zur Last gelegt hat. Daß der Beschwerdeführer - wie aus der Stellungnahme der Wiener Handelskammer vom 4. März 1988 zum Befreiungsantrag des Beschwerdeführers hervorgeht - eine günstige Gelegenheit zum Erwerb der Geschäftsanteile der genannten Gesellschaft ergriffen hat, vermag die besondere Rücksichtswürdigkeit der geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen nicht zu begründen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 30. Juni 1987, Zl. 87/11/0077).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)