VwGH 89/09/0134

VwGH89/09/013422.2.1990

N gegen Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. August 1989, Zl. OB 115-164.725-004, betreffend Kriegsopferversorgung (Beschädigtenrente)

Normen

ABGB §6;
AVG §45 Abs2;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §90;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ABGB §6;
AVG §45 Abs2;
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §90;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1926 geborene Beschwerdeführer steht auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) vom 21. Jänner 1977 im Bezug einer Beschädigtenrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 %. Als Dienstbeschädigung wurde damals die "Versteifung des rechten Sprunggelenks nach Unterschenkelbruch" mit einer MdE von 30 % anerkannt, welche sich gemäß § 8 KOVG 1957 auf 40 % erhöhte.

Im Zuge eines mit Bescheid der nunmehr belangten Behörde vom 30. April 1987 abgeschlossenen Verfahrens betreffend eine Neubemessung dieser Rente blieb es bei dieser Einschätzung, doch wurde die anerkannte Dienstbeschädigung als "Versteifung des rechten Sprunggelenkes nach Unterschenkelbruch mit geringer Achsenfehlstellung verheilt" neu beschrieben und als weitere Dienstbeschädigung "Knochenhöcker am Fersenbein links nach Fersenbeinbruch ohne röntgenologische Residuen" (MdE 0 %) anerkannt.

Mit Antrag vom 15. Juli 1988 begehrte der Beschwerdeführer neuerlich die Neubemessung der Beschädigtenrente wegen einer seiner Auffassung nach kausalen Verschlimmerung seiner anerkannten Leiden infolge immer wieder auftretender Schwellungen seiner Beine. In einem diesem Antrag beigeschlossenen Attest des praktischen Arztes Dr. F vom 11. März 1988 wurde der Zusammenhang der Schwellungen mit der alten Kriegsverletzung als "einwandfrei gegeben" bezeichnet.

Das LIA führte ein Ermittlungsverfahren durch, indem es ärztliche Gutachten des Facharztes für interne Medizin Dr. R und des Facharztes für Orthopädie Dr. Z einholte. Dabei wurde intern eine anlage- und altersbedingte arterielle Hypertonie mit coronarer Herzkrankheit, jedoch keine kriegskausale MdE festgestellt. Orthopädisch ergab sich eine Einschätzung der anerkannten Dienstbeschädigungen wie bisher (insgesamt MdE 30 %), die Schwellungen an beiden Beinen im Sinne von Ödemen wurden jedoch als cardial bedingt und akausal festgestellt. Berufskundlich ergab sich keine Änderung gegenüber der bisherigen Begutachtung (MdE demnach 40 %).

Auf Grund dieser Gutachten wies das LIA mit seinem Bescheid vom 21. November 1988 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erhöhung der ihm gewährten Grundrente unter Berufung auf die §§ 4, 7, 8, 11 und 52 Abs. 2 KOVG 1957 ab. Gleichzeitig wurde der Antrag des Beschwerdeführers, "Beinschwellungen" als weitere Dienstbeschädigung anzuerkennen, abgewiesen.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er schon seit der als Dienstbeschädigung anerkannten Verletzung an Schwellungen an den Beinen leide. Ein Herzleiden sei beim Beschwerdeführer erst viel später aufgetreten, es könne daher nicht als Ursache dieser Schwellungen angesehen werden. Der Beschwerdeführer verwies dazu auf bereits aktenkundige ältere ärztliche Atteste.

Die belangte Behörde führte ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, in welchem sie weitere Gutachten des Facharztes für innere Medizin Dr. H und des Facharztes für Chirurgie Dr. A einholte.

Dr. H kam zu dem Ergebnis, daß es sich beim Beschwerdeführer um durch periphere Stauung verursachte rein cardiale Ödeme handle. Anhaltspunkte für eventuell venös bedingte Ödeme lägen nicht vor, weil es sich bei dieser Ödembildung bereits um eine ausgeprägte chronische venöse Insuffizienz bei hoher Venenthrombose handeln müßte, wofür es aber keinen Anhaltspunkt gebe. Gegen das Vorliegen eines posttraumatischen Syndroms sprächen die mangelnden Zeichen einer chronisch-venösen Insuffizienz. Außerdem wäre es sehr unwahrscheinlich, daß dann symmetrische Ödeme vorliegen würden, wie dies aber beim Beschwerdeführer der Fall sei. Ein Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Wehrdienst oder mit einem als Dienstbeschädigung anerkannten Leiden sei daher nicht herstellbar.

Auch der Sachverständige Dr. A schloß jeden Zusammenhang der Ödembildung mit den Dienstbeschädigungen aus. Es finde sich weder anamnestisch in den Aktenunterlagen noch klinisch ein Hinweis auf eine postthrombotische Stauung. Der Sachverständige schließe sich daher Dr. H an, wonach es sich beim Beschwerdeführer um rein cardiale Ödeme handle. Es ergebe sich daher weder chirurgisch noch intern eine Veränderung gegenüber den Vorgutachten.

Der Beschwerdeführer erhielt im Rahmen des Parteiengehörs von diesen Gutachten Kenntnis und sprach sich dagegen in einer Stellungnahme vom 26. April 1989 unter Hinweis auf entgegenstehende privatärztliche Gutachten (Dr. F, Dr. S) aus, nach welchen die Ödembildung nur durch die Kriegsverletzung zu erklären sei. Zur Klärung des Sachverhaltes beantragte der Beschwerdeführer die Einholung eines Klinikgutachtens, die bisherigen Untersuchungen seien zu oberflächlich gewesen.

Dazu holte die belangte Behörde ein Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dr. H ein, welcher unter Bezugnahme auf die vom Beschwerdeführer genannten Atteste ausführte, die vom Beschwerdeführer beigebrachten Beweismittel mit Ausnahme des Gutachtens Dris. S vom 15. Mai 1985 enthielten nur lapidare Feststellungen und Behauptungen ohne Begründung. Im Gegensatz dazu habe er, Dr. H, bereits ausführlich dargelegt, auf welche Ursachen die derzeit bestehenden Ödeme zurückzuführen seien. In Übereinstimmung mit Dr. S seien die Ödeme als Folge einer chronisch-venösen Insuffizienz auszuschließen, auch lägen sicher keine Eiweißmangelödeme oder nephrogene Ödeme vor. Es handle sich vielmehr, wie vom Sachverständigen bereits ausgeführt, um cardiale Ödeme. Dafür spräche auch die Rückbildungsfähigkeit auf Entwässerungsmaßnahmen. Zumindest seien die derzeit bestehenden Ödeme in ihrem jetzt feststellbaren Ausmaß cardial bedingt. Ob sich zwischenzeitlich statisch bedingte Ödeme auf Grund der Bewegungseinschränkung gebildet haben könnten, müsse nach Ausmaß und Ursache vom Chirurgen begründet werden; sie seien derzeit durch die cardialen Ödeme überdeckt.

Auch zu diesem Ergänzungsgutachten wurde dem Beschwerdeführer das Parteiengehör gewährt. Er stellte nun den Antrag, im Sinne des Vorschlages von Dr. H allenfalls ein chirurgisches Gutachten einzuholen. Auch der Antrag auf Einholung eines Klinikgutachtens werde aufrecht erhalten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 30. August 1989 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. In der Begründung ging die belangte Behörde von den von ihr eingeholten Gutachten aus, wonach es sich bei den bestehenden Beinödemen um rein cardiale Ödeme handle und ein Zusammenhang mit den bereits anerkannten Dienstbeschädigungen nicht herstellbar sei. Der praktische Arzt MR. Dr. F habe in seinem Attest vom 20. Februar 1978 lediglich eine Behauptung ohne nähere Begründung aufgestellt, dieses Attest sei somit als Beweismittel nicht verwendbar. In Übereinstimmung mit dem Internisten Dr. S seien Ödeme als Folge einer chronisch venösen Insuffizienz auszuschließen, es lägen auch keine Eiweißmangelödeme oder nephrogene Ödeme vor. Beim Beschwerdeführer handle es sich um cardial bedingte Ödeme, weil diese bei Entwässerungsmaßnahmen rückbildungsfähig seien. Dies ergebe sich auch aus älteren im Akt aufliegenden Sachverständigengutachten.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde ergebe sich keine neue Richtsatzeinschätzung, die MdE gemäß § 7 KOVG 1957 und § 3 der Richtsatzverordnung betrage 30 %, wobei die Gutachten der Sachverständigen als schlüssig erkannt und daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden seien.

Die Überprüfung der Einschätzung der MdE gemäß § 8 KOVG 1957 habe unverändert 40 % ergeben, sie sei demnach höher als die richtsatzmäßig ermittelte MdE und somit der Bemessung der Grundrente zugrunde zu legen.

Da im erhobenen Befund gegenüber dem Vergleichsbefund keine maßgebliche Änderung eingetreten sei und auch die beruflichen Verhältnisse unverändert geblieben seien, seien die Voraussetzungen für eine Neubemessung der Grundrente des Beschwerdeführers gemäß § 52 KOVG 1957 nicht gegeben.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen des ihm erteilten Parteiengehörs vorgebrachten Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft der ärztlichen Sachverständigengutachten zu mindern, weil es sich dabei um Behauptungen gehandelt habe, welche die auf ärztliches Fachwissen gegründeten Sachverständigengutachten nicht hätten entkräften können. Insbesondere sei jedoch zu entgegnen, daß es weder auf Grund der Anamnese, noch auf Grund der Lazarettbefunde, noch auf Grund des derzeit bestehenden objektiven Befundes wahrscheinlich sei, daß die Beinschwellungen auf die anerkannte Dienstbeschädigung ursächlich zurückzuführen seien. Der Beschwerdeführer habe erstmals anläßlich einer amtsärztlichen Untersuchung durch den praktischen Arzt Dr. T am 12. August 1985 über Schmerzen und Schwellungen an beiden Beinen geklagt; in allen davor erstellten Sachverständigengutachten hätten keine Beinschwellungen objektiviert werden können. Schon die Fachärzte für Chirurgie Dr. M und Dr. L hätten in Gutachten aus dem Jahre 1986 übereinstimmend die Beinschwellungen auf die cardiale Dekompensation zurückgeführt. Da auch in den nunmehr eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. H und Dr. A übereinstimmend das Herzleiden als Ursache der Beinschwellung objektiviert worden sei, habe von der Einholung eines Klinikgutachtens abgesehen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht "auf richtige Anwendung der §§ 4, 7 und 8 KOVG 1957" sowie in seinem Recht "auf richtige Handhabung von Verwaltungsvorschriften" verletzt. In der Begründung seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer ausschließlich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung.

Der Verwaltungsgerichtshof, der die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfen befugt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053 = Slg. 11894/A), kann indes nicht finden, daß die in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargestellte Argumentation nicht beweiskräftig wäre oder sonst gegen Verfahrensvorschriften verstieße. Die Beschwerdeausführungen lassen den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt keineswegs als unzureichend oder sonst nicht ordnungsgemäß ermittelt, und die aufgenommenen Beweise keineswegs als nicht in schlüssiger Weise gewürdigt erscheinen.

Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder auf die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Für die Auslegung des Wortes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1987, Zl. 87/09/0191, und vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0053).

Die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges im Sinne dieser Bestimmung setzt voraus, daß der Kausalzusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinn in dem durch § 90 KOVG 1957 geregelten Verfahren geklärt wird und allenfalls strittige Tatsachen im Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung bzw. dem schädigenden Ereignis und der Krankheitsvorgeschichte von der Behörde ermittelt und festgestellt werden.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind sowohl die vom LIA als auch die von der belangten Behörde im Berufungsverfahren beigezogenen ärztlichen Sachverständigen zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, daß die Beinschwellungen des Beschwerdeführers nicht auf eine Dienstverletzung, sondern auf ein akausales Herzleiden des Beschwerdeführers zurückzuführen seien. Dabei ist insbesondere der Sachverständige Dr. H im einzelnen auf die vom Beschwerdeführer zum Nachweis des kausalen Zusammenhanges angesprochenen bzw. vorgelegten Beweismittel eingegangen. Der Beschwerdeführer wiederholt in seiner Beschwerde die Hinweise auf die für seine Auffassung sprechenden Beweisergebnisse, doch kann er damit nicht dartun, daß der Sachverhalt im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend erhoben worden oder daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig wäre. Zu der vom Beschwerdeführer aufrecht erhaltenen Forderung nach Einholung eines (weiteren) chirurgischen Gutachtens sowie eines Klinkgutachtens ist darauf zu verweisen, daß es im Wesen der freien Beweiswürdigung liegt, daß weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Behörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise bereits ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen konnte. Dies war im Beschwerdefall unter Berücksichtigung der im Ergebnis übereinstimmenden von seiten der Behörden eingeholten Gutachten der Fall, mag es auch - von der belangten Behörde begründetermaßen als von schwächerem Beweiswert eingeschätzte - Hinweise darauf geben, daß auch die Bewegungseinschränkung des Beschwerdeführers statisch bedingte Ödeme ausgelöst haben könnte. Dies wurde im Gutachten Dris. H auch bedacht, doch werden diese Ödeme seiner Auffassung nach durch die cardialen Ödeme überdeckt. Wenn die belangte Behörde daraus den Schluß gezogen hat, daß die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität der Beinschwellungen des Beschwerdeführers im Sinne des § 4 Abs. 1 KOVG 1957 nicht anzunehmen sei, dann hat sie mit dieser Überlegung ihre Beweiswürdigung jedenfalls nicht unschlüssig gestaltet.

Der Verwaltungsgerichtshof vermochte daher bei der gegebenen Sach- und Rechtslage die im Instanzenzug bestätigte Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung von 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

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