VwGH 89/08/0245

VwGH89/08/024527.3.1990

S gegen Landeshauptmann von Wien vom 4. Juli 1989, Zl. MA 14 - L 19/89, betreffend Begünstigung gemäß den §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten)

Normen

ASVG §228 Abs1 Z3 idF 1987/609;
ASVG §502 Abs1 idF 1987/609;
ASVG §502 idF 1987/609;
ASVG §228 Abs1 Z3 idF 1987/609;
ASVG §502 Abs1 idF 1987/609;
ASVG §502 idF 1987/609;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid lehnte die belangte Behörde die Begünstigung der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 4. März 1933 bis 31. März 1959 gemäß den §§ 500 ff ASVG ab. Begründend wurde ausgeführt, es stehe auf Grund der Aktenlage fest, daß die Beschwerdeführerin nach dem gesetzlichen Stichtag des 1. Juli 1927 bis zu ihrer Emigration (am 2. November 1938) keine Beitragszeiten gemäß § 226 ASVG bzw. Ersatzzeiten gemäß den §§ 228 oder 229 leg. cit. in der Pensionsversicherung der Angestellten zurückgelegt habe. Unbestritten sei ferner ihre Zugehörigkeit zu dem im § 500 ASVG genannten Personenkreis sowie die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin am 12. März 1938 den Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich gehabt habe. Nach der von der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv ausgestellten Bescheinigung gemäß § 506 Abs. 3 ASVG sei die am 1. August 1925 geborene Beschwerdeführerin aus Gründen des § 500 ASVG in der Zeit vom 2. November 1938 bis nach dem gesetzlichen Stichtag des 31. März 1959 in Israel emigriert sowie in der Zeit vom 26. Februar 1943 bis September 1943 und vom 22. Juni 1945 bis 31. Dezember 1945 arbeitslos gewesen. Nach Rechtsauffassung der belangten Behörde könne Arbeitslosigkeit frühestens nach Beendigung der Schulpflicht vorliegen. Das bedeute, daß Arbeitslosigkeit frühestens ab Schulschluß des Jahres eintreten könne, in dem der Begünstigungswerber das 14. Lebensjahr vollendet habe, weil schulpflichtige Kinder in ihren sozialversicherungsrechtlichen Verhältnissen keinen Nachteil erleiden könnten. Im konkreten Fall habe die Beschwerdeführerin das 14. Lebensjahr am 1. August 1939 vollendet. Arbeitslosigkeit hätte daher frühestens ab 1. Juli 1939 eintreten können. Zu diesem Zeitpunkt habe sie jedoch nach eigenen Angaben bereits in Israel eine landwirtschaftliche Schule besucht. Allfällige spätere Zeiten der Arbeitslosigkeit im Ausland könnten deshalb nicht begünstigt angerechnet werden, weil nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Zeiten einer Arbeitslosigkeit im Ausland nur im unmittelbaren Zusammenhang mit einer einen sozialversicherungsrechtlichen Begünstigungstatbestand bildenden Auswanderung begünstigungsfähig seien. Die Zeit der Auswanderung bis 31. März 1959 könne im vorliegenden Fall deswegen nicht begünstigt angerechnet werden, weil die Begünstigungswerberin am 12. März 1938 noch nicht älter als 14 Jahre gewesen sei und den Zeiten der Auswanderung weder Beitrags- oder Ersatzzeiten vorangingen noch nachfolgten. Die Anrechnung der ausländischen Schulzeiten gemäß § 502 Abs. 7 ASVG könne mangels Vorliegens einer nachfolgenden Versicherungszeit im Sinne des § 227 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG nicht erfolgen. Bei der behaupteten Ausbürgerung handle es sich um eine solche im Sinne der

11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941, die keinen Begünstigungstatbestand im Sinne des § 502 Abs. 1 ASVG darstelle. Dies habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Jänner 1988, Zl. 87/08/0328, festgestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, nach der sich die Beschwerdeführerin in ihren sich aus § 502 Abs. 1, 4 und 7 ASVG ergebenden Rechten als verletzt erachtet. Sie habe geltend gemacht, in der Zeit vom 2. November 1938 bis 31. März 1959 aus rassischen Gründen in Israel emigriert sowie in der Zeit vom 26. Februar 1943 bis September 1943 und vom 22. Juni 1945 bis 31. Dezember 1945 arbeitslos gewesen zu sein. Vom 7. November 1938 bis 1943 sei sie Schülerin an einer landwirtschaftlichen Fachschule und vom September 1943 bis 22. Juni 1945 an der X-Schule in Israel gewesen. Im Lichte des zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sei die belangte Behörde zutreffend vom Nichtvorliegen des Begünstigungstatbestandes der Ausbürgerung ausgegangen und habe ebenso zutreffend die Anwendbarkeit des § 502 Abs. 6 ASVG im Hinblick darauf verneint, daß die Beschwerdeführerin am 12. März 1938 noch nicht älter als 14 Jahre gewesen sei. Insoweit die belangte Behörde aber die Möglichkeit der Anrechnung der ausländischen Schulzeit gemäß § 502 Abs. 7 ASVG mangels Vorliegens einer nachfolgenden Versicherungszeit im Sinne des § 227 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG verneint und demgemäß auch die Anrechnung der Emigrationszeiten abgelehnt habe, vermöge die Beschwerdeführerin der belangten Behörde nicht beizupflichten. Auf Grund der Gleichstellungsanordnung des § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG sei auch eine Schulzeit im Sinne dieser Bestimmung in Verbindung mit den §§ 227 Abs. 1 Z. 1 und 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG ein tauglicher Anknüpfungspunkt im Sinne des § 502 Abs. 1 erster Satz und § 502 Abs. 4 erster Satz ASVG. Der Einwand der belangten Behörde, daß nach dem Verlassen der Schule keine sonstige Versicherungszeit vorliege, verfange deshalb nicht, weil § 502 Abs. 1 und 4 ASVG nicht das Vorliegen einer (versicherungsrechtlichen) Schulzeit als Anknüpfungspunkt verlangten, sondern lediglich das "Zurücklegen" einer solchen Versicherungszeit. Der Verwaltungsgerichtshof habe dazu in seinem Erkenntnis vom 15. September 1977, Slg. Nr. 9385/A, die Auffassung vertreten, daß zu den sonstigen Versicherungszeiten, die nach dem Verlassen der Schule bzw. nach Beendigung der Ausbildung vorliegen müßten, auch die im § 502 angeführten Versicherungszeiten (Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Emigration) zählten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es daher zur Beurteilung einer Schulzeit als "Anknüpfungspunkt" für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 1 und 4 ASVG nicht erforderlich, daß eine weitere Versicherungszeit dieser Schulzeit nachfolge und diese Schulzeit somit ohne die Begünstigungszeit bereits den Charakter einer Versicherungszeit aufweise, sondern es genüge, wenn die Schulzeit im versicherungsrechtlichen Sinne "zurückgelegt" sei. Da die Schulzeiten im Sinne des § 502 Abs. 7 zweiter Satz in Verbindung mit den §§ 227 Abs. 1 Z. 1 und 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG auf Grund der Gleichstellungsanordnung bloß vorfrageweise zu beurteilen, aber nicht selbst Gegenstand der begünstigten Anrechnung seien, erstrecke sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides jedenfalls auf den Zeitraum nach Beendigung des auf die Vollendung des 15. Lebensjahres (1. August 1940) folgenden Schuljahres (1940/1941), somit auf den Zeitraum vom 1. Juli 1941 bis 31. März 1959. Der Beschwerdeführerin stehe daher ab Vollendung des Schuljahres 1940/1941, somit ab 1. Juli 1941, die Anrechnung der Emigrationszeiten gemäß § 502 Abs. 4 ASVG als Beitragszeiten im gesetzlich höchstzulässigen Ausmaß (d.h. bis 31. März 1959) zu.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Darin hält sie den Beschwerdeausführungen entgegen, daß § 502 Abs. 4 ASVG zwingend Vorversicherungszeiten vor der Auswanderung verlange, die Beschwerdeführerin aber den geltenden gemachten Schulbesuch im Ausland erst nach ihrer Emigration absolviert habe. Selbst wenn man daher ihrer Argumentation folge, wonach es zur Beurteilung einer Schulzeit als "Anknüpfungspunkt" für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 1 und 4 ASVG nicht erforderlich sei, daß eine weitere Versicherungszeit dieser Schulzeit nachfolge, könnten die Zeiten der Auswanderung nicht nach § 502 Abs. 4 ASVG begünstigt angerechnet werden.

Die mitbeteiligte Partei brachte in ihrer Gegenschrift vor, es sei zwar der Besuch der "X-Schule" von September 1943 bis Juni 1945 als Besuch einer mittleren Schule im Sinne des § 502 Abs. 7 in Verbindung mit § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG zu bewerten, der Aufenthalt im Heim für Kinder und Jugend "Y" vom 7. November 1938 bis 26. Februar 1943 könne aber keinesfalls unter diese Bestimmungen subsumiert werden. Grundsätzlich könnten auch ausländische Schulzeiten im Sinne des § 502 Abs. 7 ASVG als Basiszeit für eine Begünstigung gemäß § 502 Abs. 4 leg. cit. herangezogen werden, allerdings nur dann, wenn sie vor der Auswanderung lägen. Die Beschwerdeführerin habe unbestrittenermaßen in der Zeit vor ihrer Auswanderung am 2. November 1938 keine Versicherungszeiten - im speziellen keine Ersatzzeit gemäß § 502 Abs. 7 in Verbindung mit § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG - aufzuweisen.

In einer Replik zur Gegenschrift der mitbeteiligten Partei vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, der Begriff "Auswanderung" im § 502 Abs. 4 ASVG umfasse nicht nur die Auswanderung als Reisebewegung (und insoweit als einmaligen Vorgang), sondern auch die Auswanderung als Zustand (d.h. im Sinne von: sich in der Emigration befinden). Die Versicherungszeiten des § 502 Abs. 4 ASVG, die für den Zeitraum bis 31. März 1959 vorgesehen seien, würden für die Dauer des sich "In-der-Emigration-Befindens" angerechnet. Richtig sei, daß die Auswanderungszeiten erst nach dem Schulbesuch angerechnet werden könnten, da erst ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzung des § 502 Abs. 4 ASVG vorliege. Die mitbeteiligte Partei übersehe auch, daß der Gleichstellung ausländischer mit inländischen Schulzeiten nur bei der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auslegung Sinn zukomme. Die Anrechnung ausländischer Schulzeiten (für sich genommen) mache aus jenen Gründen keinen Sinn, auf die der angefochtene Bescheid zutreffend verweise. Es fehle nämlich regelmäßig an einer nachfolgenden Versicherungzeit. Man könnte noch auf die Idee kommen, daß diese Bestimmung für Rückkehrer gedacht gewesen sei, die nachher in Österreich Versicherungszeiten erworben hätten. Auch dieses Argument versage, weil Rückkehrer, die nach ihrer Rückkehr in Österreich Versicherungszeiten erworben hätten, die Zeit der Auswanderung gemäß § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG ab dem 15. Lebensjahr angerechnet bekämen und daher für eine Anrechnung von Schulzeiten im Ausland (denen ebenfalls nur die Qualifikation von Ersatzzeiten zukomme und die für die Leistung überdies eingekauft werden müßten) kein Raum bleibe. Ein weiterer Anwendungsbereich dieser Schulzeiten sei nicht erkennbar. Im Hinblick auf den zeitlichen Gleichklang der Anrechenbarkeit von Schulzeiten mit Auswanderungszeiten (als Ersatzzeiten gemäß § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG), nämlich ab dem 15. Lebensjahr, sei somit bei jenen Personen, die nachher in Österreich Versicherungszeiten erworben hätten, eine Anrechnung von Schulzeiten überflüssig, weil ohnehin die gesamte Auswanderung als Ersatzzeit gelte, während bei jenen Personen, die in Österreich keine Versicherungszeiten erworben hätten, die Anrechenbarkeit ausländischer Schulzeiten in Ermangelung einer nachfolgenden Versicherungszeit nicht in Betracht komme. In allen übrigen Fällen (nämlich im Falle des Erwerbs von Vorversicherungszeiten bzw. bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 502 Abs. 6 ASVG) würden die Auswanderungszeiten sogar schon ab dem 14. Lebensjahr als Beitragszeiten angerechnet. Auch in diesen Fällen bleibe daher für die Anrechnung von Ersatzzeiten neben Beitragszeiten kein Raum. Die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung stelle somit den einzigen denkmöglichen Anwendungsbereich des § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG dar. Da die von der mitbeteiligten Partei vertretene Rechtsauffassung dazu führen würde, daß die in Frage kommende Bestimmung keinen Anwendungsbereich hätte, sei sie auch aus diesem Grund abzulehnen. Überdies entspreche die Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin auch der systematischen Stellung im § 502 Abs. 7 ASVG, der unzweideutig "Anknüpfungspunkte" für die Auswanderung gemäß § 502 Abs. 4 ASVG regeln wolle.

Im Schriftsatz vom 14. Dezember 1989 meint die Beschwerdeführerin schließlich, es spräche auch der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung über die Regierungsvorlage der 48. Novelle zum ASVG (1142 BlgNR XVII. GP , S. 5) für ihren Standpunkt. Darin werde nämlich die Erweiterung des § 502 Abs. 6 ASVG durch diese Novelle unter anderem damit begründet, daß, gemessen an den Auswirkungen des Erkenntnises des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0307, mit dieser Novelle keine dramatische Ausweitung der Begünstigungsfälle verbunden sei. Es könne nämlich davon ausgegangen werden, daß fast alle Personen, die in der fraglichen Zeitspanne von 1938 bis 1945 das 15. Lebensjahr erreichten, Vorversicherungszeiten der genannten Art (gemeint: im Sinne des § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG) nachweisen könnten. Zu diesen Ersatzzeiten seien im Hinblick auf die Regelung des § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG, selbst wenn diese Frage bis jetzt vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht geprüft worden sei, nach Meinung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auch ausländische Schul- und Studienzeiten zu zählen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des § 502 ASVG in der Fassung der 44. Novelle, BGBl. Nr. 609/1987, lauten:

"(1) Zeiten einer aus den Gründen des § 500 veranlaßten

Untersuchungshaft, Verbüßung einer Freiheitsstrafe, Anhaltung

oder Arbeitslosigkeit, ferner Zeiten der Ausbürgerung (§ 501

Abs. 1) gelten für Personen, die vorher in der Zeit seit dem

1. Juli 1927 Beitragszeiten gemäß § 226, Ersatzzeiten gemäß

§§ 228 oder 229 oder Zeiten nach dem

Auslandsrenten-Übernahmegesetz, BGBl. Nr. 290/1961, erworben

haben, als Pflichtbeitragszeiten mit der höchstzulässigen

Beitragsgrundlage, ..... Als Zeiten der Arbeitslosigkeit gelten

auch Zeiten einer nachweisbaren Arbeitslosigkeit im Ausland bis

zum ersten Antritt einer Beschäftigung im Ausland, soweit sie

nicht das Ausmaß von zwei Jahren übersteigen ... Zeiten der

Auswanderung gemäß Abs. 4 bis 31. März 1959 gelten ab Vollendung des 15. Lebensjahres der in Betracht kommenden Person als Ersatzzeiten, wenn ihnen eine Beitrags- oder Ersatzzeit vorangeht oder nachfolgt, und zwar in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die letzte vorangegangene Beitrags- oder Ersatzzeit vorliegt, bzw. beim Fehlen einer solchen in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitrags- oder Ersatzzeit vorliegt.

(4) Personen, die in der in § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind und die vorher in der Zeit seit dem 1. Juli 1927 Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 oder Zeiten nach dem Auslandrenten-Übernahmegesetz zurückgelegt haben, können für die Zeiten der Auswanderung, längstens aber für die Zeit bis 31. März 1959, Beiträge nachentrichten ...

(6) Abs. 1 und 4 gelten auch für Personen, die vor der Haft, Strafe, Anhaltung, Arbeitslosigkeit, Ausbürgerung oder Auswanderung aus Gründen, auf die der (die) Betreffende keinen Einfluß hatte, keine Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 und 229 zurückgelegt haben, sofern der (die) Betreffende am 12. März 1938 seinen (ihren) Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hatte und, in den Fällen des Abs. 4, zu diesem Zeitpunkt älter als 14 Jahre war ...

(7) Bei der Anwendung der Vorschriften der Abs. 1 bis 5 gilt § 228 Abs. 1 Z. 3 mit der Maßgabe, daß Schuljahre, die aus einem der im § 500 genannten Gründe abgebrochen werden mußten, als vollendet gelten. Zeiten des Besuches einer mittleren oder höheren Schule oder einer Hochschule im Ausland zwischen dem 4. März 1933 und dem 31. März 1959 sind für begünstigte Personen (§ 500) den Zeiten im Sinne des § 227 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 228 Abs. 1 Z. 3 gleichzustellen."

Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß auch die Zeit des Besuches einer der im § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG genannten Schulen im Ausland, die nach dem Zeitpunkt der Auswanderung, also in den "Zeiten der Auswanderung" liegt, als eine für eine Begünstigung nach § 502 Abs. 4 ASVG erforderliche Ersatzzeit gemäß § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG anzusehen sei, ist schon aus den von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei in ihren Gegenschriften angeführten Gründen nicht beizupflichten. Denn wenn auch die Begünstigung nach dieser Bestimmung "für die Zeiten der Auswanderung" erfolgt, setzt sie doch nach dem klaren Wortlaut voraus, daß die "Personen, die in der im § 500 angeführten Zeit aus einem der dort angeführten Gründe ausgewandert sind", "vorher" (also vor dem Zeitpunkt, zu dem sie "ausgewandert sind", und nicht vor irgendeinem Zeitpunkt in der "Auswanderung als Zustand") seit dem 1. Juli 1927 die in der Bestimmung näher angeführten Versicherungszeiten zurückgelegt haben. Diese schon vom Wortlaut des § 502 Abs. 4 ASVG geforderte Interpretation wird sowohl durch einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung dieser Begünstigungsnorm unter dem Gesichtspunkt der "vorherigen Versicherung" (vgl. dazu die ausführlichen Darlegungen im Erkenntnis vom 7. November 1980, Zl. 1682/78, Slg. Nr. 10.285/A), als auch durch die gerade wegen des Erfordernisses von Vorversicherungszeiten für eine Begünstigung nach § 502 Abs. 1 und 4 ASVG für nötig erachtete Einfügung (und dann Erweiterung) des § 502 Abs. 6 leg. cit. durch die 41. (und 44.) ASVG-Novelle erhärtet (vgl. die EBzRV der 41. Novelle, 774 BlgNR XVI. GP , S 49f, die EBzRV der 44. Novelle, 324 BlgNR XVII. GP , S. 43f). Der erst durch den Ausschuß für soziale Verwaltung eingefügten Gleichstellungsanordnung des § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG käme in diesem Zusammenhang nur Bedeutung zu, wenn zugleich bestimmt worden wäre, es sei bei Vorliegen solcher Schulzeiten das von § 502 Abs. 4 leg. cit. geforderte Tatbestandsmoment von Vorversicherungszeiten entbehrlich. Das ist aber nicht geschehen. Es bestehen nach dem Wortlaut des § 502 Abs. 7 zweiter Satz leg. cit. und dem Ausschußbericht (375 BlgNR XVII. GP , S. 5) auch keine Anhaltspunkte dafür, daß mit dieser Bestimmung derartiges (mit der Rechtsfolge einer Durchbrechung des grundsätzlichen Ausschlusses der Begünstigung von Auswanderungszeiten von Personen, die am 12. März 1938 noch nicht älter als 14 Jahre waren und vor der Auswanderung keine Versicherungszeiten im Sinne des § 502 Abs. 4 ASVG zurückgelegt haben, als Beitragszeiten in solchen Fällen des Vorliegens von Schulzeiten während der Zeit der Auswanderung) beabsichtigt gewesen sei. Ein "denkmöglicher Anwendungsbereich" der strittigen Bestimmung bleibt jedenfalls in den Fällen bestehen, in denen solche Schulzeiten, sofern sie bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 228 Abs. 1 Z. 3 ASVG als Ersatzzeiten gelten, vor einem schädigenden Ereignis im Sinne des § 502 Abs. 1, 4 und 5 ASVG zurückgelegt wurden. An diesem Auslegungsergebnis vermag auch der von der Beschwerdeführerin zitierte Ausschußbericht zur 48. ASVG-Novelle angesichts des nach § 502 Abs. 4 ASVG weiterhin bestehenden Erfordernisses von Vorversicherungszeiten im obgenannten Sinn nichts zu ändern. Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine Begünstigung der Beschwerdeführerin nach § 502 Abs. 4 ASVG in Verbindung mit dem zweiten Satz des § 502 Abs. 7 leg. cit. abgelehnt.

Es scheidet aber auch eine Begünstigung nach § 502 Abs. 1 letzter Satz ASVG aus. Zwar ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Mai 1989, Zl. 88/08/0307, ausführlich dargelegt hat, unter einer Beitrags- oder Ersatzzeit im Sinne dieser Bestimmung grundsätzlich jede nach den sozialversicherungsrechtlichen Normen als Beitrags- oder Ersatzzeit anerkannte Zeit zu verstehen, sofern sich nicht aus den Begünstigungsnormen Gegenteiliges ergibt, und fallen - mangels einer Einschränkung der zuletzt genannten Art - demnach auch die in § 502 Abs. 7 zweiter Satz ASVG genannten, unter den weiteren Voraussetzungen des § 227 Abs. 1 Z. 1 bzw. § 228 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. als Ersatzzeiten geltenden ausländischen Schulzeiten mit der Rechtsfolge darunter, daß bei ihrem Vorliegen die in § 502 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. genannten Auswanderungszeiten in dem Zweig der Pensionsversicherung als Ersatzzeiten gelten, in dem die letzte als Ersatzzeit geltende Schulzeit vorliegt, bzw. beim Fehlen einer solchen in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende als Ersatzzeit geltende Schulzeit vorliegt. Selbst wenn aber auch ausländische Schulzeiten der in § 502 Abs. 7 zweiter Satz leg. cit. genannten Art, die in den Zeiten der Auswanderung liegen, grundsätzlich als Zeiten, die den Zeiten der Auswanderung vorangehen bzw. nachfolgen, qualifiziert werden könnten, gelten die im Beschwerdefall maßgeblichen ausländischen Schulzeiten (unabhängig davon, ob sie als Schulzeiten im Sinne des § 502 Abs. 7 zweiter Satz leg. cit. anzusehen sind) nicht als Ersatzzeiten im Sinne des § 228 Abs. 1 Z. 3 leg. cit. Denn danach in Verbindung mit § 502 Abs. 7 zweiter Satz leg. cit. gelten u.a. die in der zuletzt genannten Bestimmung angeführten ausländischen Schulzeiten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem 1. Jänner 1956 in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt. (Diese Zuordnung zu einem Zweig der Pensionsversicherung ist wieder, wie bereits ausgeführt, entscheidend für die Zuordnung der Auswanderungszeiten als Ersatzzeiten nach § 502 Abs. 1 letzter Satz leg. cit. zu einem Zweig der Pensionsversicherung.) Eine den ausländischen Schulzeiten nachfolgende Beitragszeit wurde von der Beschwerdeführerin aber nicht behauptet und ist auch nicht aktenkundig.

Daß eine Begünstigung der Beschwerdeführerin für die Zeiten ihrer Arbeitslosigkeit im Ausland nach dem zweiten Satz des § 502 Abs. 1 ASVG nicht in Betracht kommt, hat die belangte Behörde - von der Beschwerdeführerin auch gar nicht bekämpft - schon unter Hinweis auf das Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhanges zwischen solchen Zeiten der Arbeitslosigkeit und einer einen Begünstigungstatbestand bildenden Auswanderung zutreffend (vgl. dazu näher das Erkenntnis vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/08/0075, mit weiteren Judikaturhinweisen) dargelegt.

Aus allen diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Hinsichtlich der zitierten, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte