VwGH 89/08/0033

VwGH89/08/003313.3.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde des HO gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26. Juli 1988, Zl. 122.624/3-7/88, betreffend Versicherungspflicht nach dem BKVG bzw. BPVG und BSVG, (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §415;
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
VwRallg;
ASVG §415;
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
BSVG §2 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

1. Der am 27. November 1971 verstorbene Vater des Beschwerdeführers, FO, war Eigentümer der Liegenschaften EZ 9 und 10 der Katastralgemeinde A und EZ 5 der Katastralgemeinde B. Am 9. Juni 1970 wurde zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater ein Gedächtnisprotokoll verfaßt, wonach der Beschwerdeführer, der diese Liegenschaften bereits seit dem Jahre 1958 bewirtschaftet hatte, die Bewirtschaftung fortführen sollte. Es wurde ferner festgehalten, daß der derzeitige Viehbestand abzuverkaufen sei und der Beschwerdeführer den eigenen Viehbestand auf mindestens 25 Stück bringen müsse. Ferner waren verschiedene Leistungen, die der Beschwerdeführer zu erbringen hatte, vorgesehen. Für den Fall,

daß der Beschwerdeführer die festgehaltenen Bedingungen erfüllen sollte, habe ihm sein Vater die Liegenschaften nach drei Jahren zu übergeben, wenn mit der Bewirtschaftung sogleich begonnen und die Wirtschaft ordnungsgemäß geführt werde. Zwischen dem Vater des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer wurde dabei davon gesprochen, daß es sich um eine endgültige Regelung hinsichtlich der Übergabe des Besitzes an den Beschwerdeführer handeln solle. Die Errichtung eines späteren Vertrages war nicht vorgesehen. Der Vater des Beschwerdeführers hat die Vereinbarung bis zu seinem Tod nicht widerrufen. Es war auch nicht vereinbart, daß die Übergabe nur dann erfolgen solle, wenn der verstorbene Vater des Beschwerdeführers den Zeitraum von drei Jahren ab dem 9. Juni 1970 überleben sollte.

In einem vom Beschwerdeführer gegen die Verlassenschaft nach seinem Vater geführten Gerichtsverfahren wurde die Verlassenschaft unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes mit Urteil vom 16. April 1984 zu 16 Cg 530/81 des Landesgerichtes Klagenfurt für schuldig erkannt, dem Kläger die obgenannten Liegenschaften herauszugeben, sowie in die grundbücherliche Einverleibung des alleinigen Eigentumsrechtes für den Beschwerdeführer ob dieser Liegenschaften einzuwilligen; dieses Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt wurde vom Obersten Gerichtshof mit dem im Instanzenzug ergangenen Urteil vom 18. April 1985, 7 Ob 556/85, bestätigt.

2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wird in Bestätigung des Einspruchsbescheides des Landeshauptmannes von Kärnten vom 22. Februar 1988, betreffend die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers nach dem BSVG, festgestellt, daß der Beschwerdeführer seit 9. Juni 1970 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BKVG bzw. seit 1. Jänner 1979 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Krankenversicherung, ferner seit 1. Oktober 1970 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BPVG bzw. seit 1. Jänner 1979 gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Pensionsversicherung und seit 1. Jänner 1974 gemäß § 8 Abs. 1 Z. 3 lit. b ASVG bzw. seit 1. Jänner 1979 gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 BSVG in der Unfallversicherung pflichtversichert sei. Soweit sich die Berufung des Beschwerdeführers gegen die im Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes von Kärnten ebenfalls ausgesprochene Beitragspflicht richtete, wurde sie von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde aus, daß der Einwand des Beschwerdeführers, er habe den aus den genannten Liegenschaften bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb nicht selbst geführt, sondern bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes lediglich seinem Vater und nach dessen Tod der Verlassenschaft seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, im Hinblick auf die aus den Gerichtsakten ersichtlichen, anderslautenden Angaben des Beschwerdeführers, unglaubwürdig sei. Dem Einwand des Beschwerdeführers, er habe während des Verlassenschaftsverfahrens nur im Auftrag des Verlassenschaftskurators gehandelt, sodaß dieser als Betriebsführer anzusehen sei, hält die belangte Behörde entgegen, daß während der Verlassenschaft der Betrieb nicht auf Rechnung und Gefahr der Verlassenschaft, sondern auf Rechnung und Gefahr jener Person geführt werde, die in diesem Verfahren erst zu bestimmen sei.

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und den Antrag gestellt, die Beschwerde abzuweisen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

4.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne der im angefochtenen Bescheid zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Er wendet sich ausschließlich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß der landwirtschaftliche Betrieb im Zeitraum seit dem 9. Juni 1970 auf seine Rechnung und Gefahr geführt werde. In tatsächlicher Hinsicht wendet der Beschwerdeführer ein, es sei unrichtig, daß er ab diesem Zeitpunkt die Liegenschaft eigentümergleich bewirtschaftet habe und wirft die Frage auf, auf welcher rechtlichen Basis er sich vor Rechtskraft des Verfahrens beim Landesgericht Klagenfurt bzw. vor Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens und Amtsenthebung des Verlassenschaftskurators die wirtschaftlichen Erträgnisse der Liegenschaft hätte zuwenden können.

4.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß es bei der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Sozialversicherungsrechtes der Bauern geführt wird, lediglich auf das Außenverhältnis ankommt, d.h. darauf, wer aufgrund der nach außen in Erscheinung tretenden Rechtsbeziehungen aus der Führung des Betriebs berechtigt und verpflichtet wird (diesen zum Unternehmerbegriff der Reichsversicherungsordnung u.a. im Erkenntnis vom 19. Dezember 1957, Zl. 2965/54, zum Ausdruck gebrachten Grundsatz hat der Verwaltungsgerichtshof seither in ständiger Rechtsprechung aufrechterhalten: vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1980, Zl. 1171/77 und die darin zitierte Vorjudikatur).

4.2.2. Wer aus der Betriebsführung berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die letztlich nur aufgrund rechtlicher (und nicht faktischer) Gegebenheiten beurteilt werden kann. Als solche Rechtstatsachen kommen dingliche und obligatorische Rechtsverhältnisse in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1961, Slg. N.F. 5644/A). Zu den Tatbeständen, durch die Rechtsverhältnisse dieser Art begründet werden, zählt der Übergabsvertrag, den der Beschwerdeführer mit seinem Vater am 9. Juni 1970 errichtet hat. Wie der Oberste Gerichtshof in seinem Revisionsurteil vom 18. April 1985, 7 Ob 556/85, feststellt, haben sich der Beschwerdeführer und sein Vater bei der Vereinbarung vom 9. Juni 1970 über alle wesentlichen Punkte der Übergabe der Liegenschaften geeinigt; lediglich die Ausstellung einer verbücherungsfähigen Urkunde fehlte. Da die Vertragspartner auch nicht die Absicht hatten, die endgültige Regelung ihrer Beziehungen einem späteren Vertrag vorzubehalten, weist diese Vereinbarung alle Kriterien eines Hauptvertrages auf. Auf der Basis dieses Vertrages war der Beschwerdeführer im Ergebnis mit seiner gegen die Verlassenschaft nach seinem Vater gerichteten Eigentumsklage erfolgreich. Darüberhinaus wurden dem Beschwerdeführer - nach den von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid - die Liegenschaften sogleich zur Bewirtschaftung übergeben. Nach seiner (des Beschwerdeführers) und seines Vaters übereinstimmenden Auffassung, sollte er den "C-Besitz" (wie der Vulgoname der Liegenschaften lautet) so wie ein Eigentümer bewirtschaften, ohne daß ihm jemand "dreinreden" könnte. Damit ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde schlüssig, daß der Beschwerdeführer (mag über die Rechtsfolgen des Vertrages vom 9. Juni 1970 auch Streit bestanden haben) in rechtlicher Hinsicht ab 9. Juni 1970 einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr geführt hat.

4.2.3. Eine von dieser rechtlichen Zuordnung abweichende Vereinbarung, die für den gesamten oder auch nur ein Teil des Zeitraumes eine endgültige Zurechnung der Rechte und Pflichten an eine vom Beschwerdeführer verschiedene Person zulassen würde, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände sind nicht rechtlicher, sondern faktischer Natur, wozu auch gehört, daß der Beschwerdeführer während der Dauer des Gerichtsverfahrens dem mit der Verwaltung der Verlassenschaft bestellten Nachlaßkurator zur Rechnungslegung verpflichtet war und ihm - nach den Beschwerdebehauptungen - auch die Erträgnisse ausfolgen mußte. Diese sich aus der Unklarheit über die Rechtslage ergebende vorübergehende Situation war spätestens mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes beendet und führt auch dazu, daß der Verlassenschaftskurator verpflichtet war, die von ihm verwahrten Erträgnisse dem Beschwerdeführer herauszugeben, sodaß auch der Verlassenschaftskurator im Ergebnis während der Dauer seiner Funktion den Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführt hat.

4.2.4. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht rechtswidrig, wenn - gestützt auf die Entscheidungen der Gerichtsinstanzen - darin angenommen wird, daß der landwirtschaftliche Betrieb seit 9. Juni 1970 auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführt wird.

4.3. Soweit sich die Beschwerde gegen jenen Teil des angefochtenen Bescheides richtet, mit welchem die Berufung gegen die Feststellung der Beitragspflicht als unzulässig zurückgewiesen wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in dieser Frage zu verweisen: Danach richtet sich der Instanzenzug nach den Bestimmungen des ASVG ausschließlich nach der Hauptfrage und nicht nach der Vorfrage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1978, Slg. N.F. Nr. 9600/A). Der Rechtszug an den zuständigen Bundesminister im Sinne des § 415 ASVG findet daher - abgesehen von den Entscheidungen über die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung - nur insoweit statt, als über die Versicherungspflicht im Spruch des Bescheides des Landeshauptmannes entschieden wurde (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. November 1978, Slg. N.F. Nr. 9689/A). Der Rechtszug in der Frage der Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen endete daher beim Landeshauptmann, sodaß die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers insoweit nicht rechtswidrig zurückgewiesen hat.

4.4. Da der angefochtene Bescheid somit weder mit einer vom Beschwerdeführer geltend gemachten, noch vom Verwaltungsgerichtshof etwa aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Soweit Erkenntnisse oder Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf § 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. 1965/45, verwiesen.

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