Normen
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3 idF 1987/028;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Juni 1989 zurückgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. Juni 1989 erteilte der Wiener Magistrat der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Verkaufsstätte auf der Liegenschaft Wien 20., X-Gasse 28. Gleichzeitig wurden Einwendungen von Nachbarn als unbegründet ab- bzw. zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, daß er als übergangener Nachbar, und zwar als Eigentümer der Eigentumswohnung X-Gasse 31/3/18, dem Baubewilligungsverfahren nicht beigezogen worden sei. Gleichzeitig erhob er eine Reihe von Einwendungen und setzte sich inhaltlich mit dem erstinstanzlichen Bescheid auseinander. Ausdrücklich verwies der Beschwerdeführer noch darauf, daß sich das Haus X-Gasse 31 unmittelbar vis a vis des Objektes X-Gasse 28 befinde. Zusammenfassend beantragte der Beschwerdeführer, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die beantragte Baubewilligung zu "verweigern".
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurück und die Berufung weiterer Nachbarn als unbegründet ab. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dem Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme. Den Berufungsausführungen sei zu entnehmen, daß er das Rechtsmittel als Eigentümer der Eigentumswohnung X-Gasse 31/3/18 erhoben habe. Aus einem Grundbuchsauszug vom 1. September 1989 ergebe sich, daß er nicht Miteigentümer der Liegenschaft X-Gasse 31 sei, sodaß ihm im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In seiner Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, daß er Eigentümer der Eigentumswohnung Top Nr. 47 auf der Liegenschaft Wien 20., X-Gasse 27 sei, er in seiner Berufung jedoch versehentlich seine Anschrift mit X-Gasse 31/3/18 angegeben habe. Selbst wenn die Berufungsbehörde auf Grund eines eingeholten Grundbuchauszuges festgestellt habe, daß der Beschwerdeführer nicht Miteigentümer der Liegenschaft X-Gasse 31 sei, so hätte die belangte Behörde dieses Verfahrensergebnis dem Beschwerdeführer zur Kenntnis bringen müssen, sodaß er Gelegenheit gehabt hätte, seine Eigenschaft als Nachbar zu beweisen.
Dem Beschwerdevorbringen kommt Berechtigung zu. Auf Grund der baubehördlich bewilligten Baupläne ist zunächst davon auszugehen, daß sich die Liegenschaft X-Gasse 27 unmittelbar gegenüber der Liegenschaft X-Gasse 28 befindet, auf welche sich die in erster Instanz erteilte baubehördliche Bewilligung erstreckt. Demgemäß hat auch die mitbeteiligte Partei der Baubehörde erster Instanz die Miteigentümer der Liegenschaft X-Gasse 27 bekanntgegeben, darunter auch den Beschwerdeführer, wie der im Akt erliegenden Legende des Einreichplanes betreffend Erdgeschoß und Lageplan zu entnehmen ist. Die Baubehörde erster Instanz hat allerdings den Beschwerdeführer dem von ihr durchgeführten Verfahren nicht beigezogen. Dementsprechend behauptete der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, daß er übergangener Nachbar sei und aus den von ihm angeführten Gründen die baubehördliche Bewilligung hätte versagt werden müssen. Nach dem Inhalt der Akten hat die belangte Behörde auf Grund der von ihr eingebrachten Berufungen kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Den vorgelegten Verwaltungsakten kann auch nicht entnommen werden, daß die belangte Behörde einen Grundbuchauszug bezüglich der Liegenschaft Wien 20., X-Gasse 31, eingeholt hat, auf welchen sie sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides beruft. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Beschwerdeführers, der belangten Behörde sei jedenfalls schon dadurch ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen, daß sie auf Grund eines nach der Begründung des Bescheides von ihr eingeholten Grundbuchauszuges angenommen hat, der Beschwerdeführer sei nicht Nachbar im durchgeführten Baubewilligungsverfahren. Gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Bei einer genaueren Betrachtung des Berufungsvorbringens hätte die belangte Behörde auch unschwer feststellen können, daß der Beschwerdeführer in Wahrheit Miteigentümer der Liegenschaft X-Gasse 27 ist, führte er doch in seiner Berufung ausdrücklich aus, daß sich das Haus "X-Gasse 31" unmittelbar "vis a vis des Objektes X-Gasse 28" befinde. Tatsächlich hat ja auch die mitbeteiligte Partei, wie erwähnt, entsprechend der Vorschrift des § 64 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien im Lageplan den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers als Miteigentümer der Liegenschaft X-Gasse 27 angeführt. Bei dieser Situation hätte die belangte Behörde nur dann die Berufung als unzulässig zurückweisen dürfen, wenn sie zu Recht annehmen hätte dürfen, daß der Beschwerdeführer auch als Miteigentümer der Liegenschaft X-Gasse 27 nicht Nachbar des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens ist, wie dies die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift behauptet. Diese Frage ist daher noch näher zu erörtern.
Nach § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (BO) in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 sind im Baubewilligungsverfahren Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.
Diese gesetzlichen Bestimmungen lassen klar erkennen, daß auch die Eigentümer einer Liegenschaft, welche durch eine Verkehrsfläche von dem zu bebauenden Bauplatz getrennt ist, regelmäßig Parteien des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens sind. Nur dann, wenn der geplante Bau und dessen Widmung gar nicht geeignet ist, ihre subjektiv-öffentlichen Rechte zu berühren, ist die Parteistellung solcher Nachbarn zu verneinen (vgl. zu dieser Problematik insbesondere Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, S. 22 ff., sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Davon ging auch der Wiener Landesgesetzgeber aus, weil er im § 64 Abs. 1 lit. a (BO) ausdrücklich den Bauwerber verpflichtete, im Lageplan die Grundstücke der unmittelbar angrenzenden und direkt gegenüberliegenden Liegenschaften, deren Nummern, die Zahlen der Einlagen und Orientierungsnummern, die Namen und Anschriften aller ihrer Eigentümer sowie die Umrisse des Baubestandes auf diesen Liegenschaften, die angrenzenden öffentlichen Verkehrsflächen usw. einzutragen. Im Beschwerdefall war nun Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens die Errichtung einer Verkaufsstätte der mitbeteiligten Partei, also eine Bauführung, die schon im Hinblick auf die möglichen Immissionen die Beiziehung des Beschwerdeführers als Nachbar erforderlich gemacht hätte. Diese MÖGLICHKEIT der Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Beschwerdeführers räumt ihm die Parteistellung als Nachbar im Baubewilligungsverfahren ein, mag auch dann das tatsächlich durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben, daß subjektiv-öffentliche Nachbarrechte nicht verletzt werden. In dieser Beziehung verkennt die mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens offensichtlich die Rechtslage, wenn sie behauptet, daß auf Grund der Breite der X-Gasse und der Situierung der Wohnung des Beschwerdeführers keine diesen treffende Immissionen zu erwarten seien. Selbst dann nämlich, wenn diese Ausführungen zutreffen, wäre er schon aus den angestellten Erwägungen dem Verfahren als Partei beizuziehen gewesen.
Da nach den dargelegten Erwägungen die belangte Behörde irrtümlich davon ausging, daß der Beschwerdeführer nicht Nachbar des Baubewilligungsverfahrens ist und aus diesem Grunde seine Berufung zurückwies, hat sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren betreffend nicht erforderliche Stempelgebühren war abzuweisen.
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