VwGH 89/03/0318

VwGH89/03/031830.5.1990

N gegen Landeshauptmann von Tirol vom 24. Oktober 1989, Zl. IIb2-V-7927/1-1989, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes

Normen

KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §5 Abs1;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1;
ZustG §11 Abs1;
ZustG §13 Abs1;
ZustG §5 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Ein Beamter des Landesgendarmeriekommandos für Tirol erstattete am 17. Jänner 1989 die Anzeige, der Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws habe am 14. Jänner 1989 um 20,09 Uhr auf der B 171, km 149,2, in Zams die laut Straßenverkehrszeichen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 49 km/h überschritten.

Auf Grund einer von der Bezirkshauptmannschaft Landeck am 20. Februar 1989 veranlaßten Lenkererhebung im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG gab der Beschwerdeführer mit Beantwortung vom 6. März 1989 bekannt, das Fahrzeug sei zum angefragten Zeitpunkt von "Fam. John P. H., XXX Louisiana nnn" gelenkt worden. Bei der Vernehmung vom 21. April 1989 gab der Beschwerdeführer an, das Fahrzeug sei von John oder seiner Gattin S. gelenkt worden. Sie hätten sich vom 10. Jänner bis 25. Jänner 1989 bei ihm aufgehalten. Dies könnten zwei Personen bestätigen. Er könne auch einen Brief vorweisen, auf dem die Anschrift ersichtlich sei.

Die Bezirkshauptmannschaft Landeck richtete daraufhin am 8. Mai 1989 ein Schreiben an John P. H. an die Anschrift "XXX, Louisiana, USA" mit internationalem Rückschein. Die Postsendung langte mit dem (angekreuzten und unterstrichenen) postalischen Vermerk der amerikanischen Postbehörde vom 21. Juni 1989 (laut Poststempel New Orleans) "ATTEMPTED NOT KNOWN" zurück. Auf dem Stempelvermerk finden sich auch noch weitere, aber nicht angekreuzte Vermerke, wie "Moved, Left No Address". Auf Grund einer Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. August 1989 wegen § 103 Abs. 2 KFG, wobei das Ergebnis der versuchten Zustellung vorgehalten wurde, führte der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 21. August 1989 aus, er habe die richtige Adresse angegeben. John P. H. sei ein Bekannter und dort wohnhaft. Die Auskunft der amerikanischen Postbehörde sei unrichtig. Die Bezirkshauptmannschaft hätte sich um die Ausfindigmachung durch andere Behörden bemühen müssen.

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 31. August 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer des dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws über schriftliche Aufforderung der Behörde gemäß § 103 Abs. 2 KFG am 6. März 1989 eine unrichtige Auskunft darüber erteilt, wer den erwähnten Pkw zur genannten Zeit am genannten Ort gelenkt habe, indem er der Behörde mitgeteilt habe, das genannte Kfz sei von John P. H., Adresse: XXX, Louisiana - USA, gelenkt worden, von den amerikanischen Postbehörden am 21. Juni 1989 jedoch mitgeteilt worden sei, daß diese Person unter der genannten Adresse unbekannt sei. Wegen der Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG wurde über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 3.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen) verhängt. Zur Begründung wurde nach Zitierung des § 103 Abs. 2 KFG ausgeführt, es sei auf Grund der Auskunft des Beschwerdeführers eine Zustellung an die von ihm genannte Person mittels internationalem Rückschein versucht worden, die aber mit dem schon genannten Vermerk von der zuständigen Postbehörde in New Orleans als unzustellbar retourniert worden sei. Die Behörde habe keine Zweifel an der Richtigkeit der Mitteilung der amerikanischen Post.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, aus dem Vermerk der amerikanischen Postbehörde ergebe sich lediglich, daß der Empfänger dem Zustellorgan unbekannt sei. Ob er dort wohne, darüber werde nichts ausgesagt. Schließlich seien in Amerika aus Sicherheitsgründen vielfach Namensschilder nicht angebracht. Es hätte die Zustellung durch eine staatliche Behörde des Staates Louisiana erfolgen sollen. Es bestehe durchaus die Möglichkeit, daß der Empfänger seine Adresse inzwischen geändert habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Oktober 1989 wurde die Berufung abgewiesen. In der Begründung heißt es, die Erstbehörde habe den Tatbestand des § 103 Abs. 2 KFG als erwiesen angenommen, da die amerikanische Postbehörde mitgeteilt habe, daß die vom Beschwerdeführer genannte Person unter der von ihm angegebenen Adresse unbekannt sei. Sodann wurde nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens sowie des § 103 Abs. 2 KFG ausgeführt, die Erstbehörde habe auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers den Versuch einer Zustellung unternommen, worauf aber seitens des Postamtes New Orleans der Brief mit dem Vermerk "ATTEMPTED NOT KNOWN" (Empfänger an dieser Adresse unbekannt) zurückgekommen sei. Die Einwendung der Berufung, daß die betroffene Person verzogen sei, treffe deshalb nicht zu, da die Vermerkspalte "Moved, Left No Address" (verzogen ohne Hinterlassung einer Adresse) nicht angekreuzt sei. Wenn behauptet werde, es hätte mittels Amtshilfe durch die zuständigen amerikanischen Bundesbehörden zugestellt werden müssen, so sei dem entgegenzuhalten, daß ein Rechtsabhilfekommen über die Zustellung behördlicher Schriftsstücke in Verwaltungsstrafsachen zwischen Österreich und den USA nicht bestehe. Nachdem offenbar eine Person des genannten Namens an der angegebenen Adresse nicht existent sei, müsse davon ausgegangen werden, daß die nach § 103 Abs. 2 KFG erteilte Auskunft unrichtig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 103 Abs. 2 KFG lautet wie folgt:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilten kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück."

Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Auskunft des Beschwerdeführers vom 6. März 1989 ergibt, hat dieser als Lenker eine Personenmehrheit, nämlich die "Familie" John P. H. genannt, also nicht, wie dies nach der Regelung des § 103 Abs. 2 KFG erforderlich ist, jene einzelne Person, die das Fahrzeug gelenkt hat (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1980, Slg. Nr. 10.192/A, und vom 14. Oktober 1983, Zl. 83/02/0221, ergangen zur Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG in der Fassung vor der 10. Novelle, BGBl. Nr. 106/1986, die aber insoweit auch für die neue Rechtslage maßgebend sind). Daß der Beschwerdeführer eine Personenmehrheit nannte, zeigen auch die Ausführungen in seiner Vernehmung vom 21. April 1989. Selbst die belangte Behörde hat in der Gegenschrift ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer in der Lenkerauskunft eine Personenmehrheit als Lenker genannt habe, was der Regelung des § 103 Abs. 2 KFG nicht entspreche.

Nach dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, welcher von der belangten Behörde unverändert übernommen wurde, wurde jedoch der Beschwerdeführer schuldig erkannt, die (unrichtige) Auskunft erteilt zu haben, das Fahrzeug sei von "John P. H." gelenkt worden. Dem Beschwerdeführer wurde somit ein Verhalten (§ 44 a lit. a VStG) zur Last gelegt, das er (in dieser Form) nicht begangen hat. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit insoweit als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Abgesehen davon fällt auf, daß die von der Erstbehörde in die USA gerichtete Postsendung nicht die vollständige vom Beschwerdeführer genannte Anschrift enthält (auch nicht der internationale Rückschein), nämlich das wesentliche Merkmal der Anführung des Bestimmungsortes "New Orleans" und die Zahl "nnn" (augenscheinlich die Postleitzahl) fehlen. Schon allein deshalb - mag auch die rückgemittelte Postsendung den Stempel der amerikanischen Post "New Orleans" tragen - könnte ohne weitere Erhebungen nicht von vornherein gesagt werden, daß eine ordnungsgemäße Zustellung überhaupt möglich gewesen ist. Auch wäre der Beschwerdeführer, zumal er dies vorgebracht hat, aufzufordern gewesen, jenen Briefumschlag vorzulegen, aus dem sich die Richtigkeit der von ihm genannten amerikanischen Adresse ergeben soll, da nur bei einer vollständigen Erhebung des Sachverhaltes eine Entscheidung über ein allfälliges Verschulden des Beschwerdeführers möglich gewesen wäre.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Stempelgebühren für die Vollmacht konnten nicht zuerkannt werden, da lediglich eine beglaubigte Abschrift vorgelegt wurde.

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