VwGH 88/17/0242

VwGH88/17/024222.6.1990

A gegen Oberösterreichische Landesregierung vom 14. November 1988, Zl. Gem-6977/2-1988-Wa, betreffend Rückforderung zu Unrecht entrichteter Getränkesteuer für 1983 bis 1987 (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Linz)

Normen

BAO §241 Abs1;
LAO OÖ 1984 §149 Abs1;
LAO OÖ 1984 §149 Abs2;
LAO OÖ 1984 §185 Abs1;
BAO §241 Abs1;
LAO OÖ 1984 §149 Abs1;
LAO OÖ 1984 §149 Abs2;
LAO OÖ 1984 §185 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Für den dem vorliegenden Beschwerdefall NICHT zugrunde liegenden Abgabenzeitraum vom 1. Jänner 1978 bis 30. November 1982 setzte der Magistrat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 14. Jänner 1983 gegenüber der beschwerdeführenden Partei eine Getränkesteuer-Nachforderung in der Höhe von S 1,387.773,-- fest, weil in das Entgelt auch der Wert der Verpackungskostenanteile einzubeziehen sei. Die beschwerdeführende Partei erhob damals Berufung und verwies auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1969, Zl. 1054/68. Mit Bescheid vom 8. April 1983 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz dieser Berufung nicht Folge. Die beschwerdeführende Partei erhob Vorstellung.

1.2. Unter Bezugnahme auf diese Vorstellung richtete der Magistrat der Stadt Linz ein Schreiben vom 17. Juni 1983 an die beschwerdeführende Partei, in welchem auf die Rechtsverbindlichkeit der von der Berufungsbehörde vertretenen Rechtsauffassung hingewiesen wurde, solange nicht die Gemeindeaufsichtsbehörde der Vorstellung allenfalls Recht geben werde. Bis dahin sei die beschwerdeführende Partei verpflichtet, die Getränkesteuer im Sinne der von der Abgabenbehörde vertretenen Rechtsauffassung auch ab dem 1. Jänner 1983 anzumelden und abzuführen. Geschehe dies nicht, mache sich die beschwerdeführende Partei der vorsätzlichen Steuerverkürzung schuldig. Im übrigen sei die Abgabenbehörde verpflichtet, im Falle einer für die beschwerdeführende Partei positiven Entscheidung der Oberösterreichischen Landesregierung die entsprechende Korrektur der Getränkesteueranmeldungen durchzuführen, daß heiße, einen zuviel entrichteten Steuerbetrag zu refundieren. Darüberhinaus stehe es der beschwerdeführenden Partei frei, ihre Getränkesteueranmeldungen ausdrücklich als "vorläufige Getränkesteueranmeldung" zu bezeichnen.

1.3. In den Jahren 1983 bis 1987 gab die beschwerdeführende Partei Getränkesteuererklärungen unter Einschluß des Verpackungsanteiles in die Bemessungsgrundlage ab und bezahlte auch die auf die Verpackungsanteile entfallenden Abgabenanteile, und zwar für 1983 S 781.840,--, 1984 S 768.428,--, 1985 S 698.085,--, 1986 S 710.865,-- und für die Zeit vom 1.1. bis 31.3 1987 S 148.631,--.

1.4. Mit Antrag vom 13. August 1986 begehrte die beschwerdeführende Partei die Rückzahlung zu viel entrichteter Getränkesteuer für die Jahre 1983 bis 1985 in der Höhe von S 2,248.353,--.

Mit Antrag vom 2. Juli 1987 wurde die Rückzahlung für den Zeitraum vom 1. Jänner 1986 bis 31. März 1987 in der Höhe von S 859.496,-- begehrt.

Mit Bescheiden vom 24. Juni 1987 und 23. Juli 1987 gab der Magistrat der Landeshauptstadt Linz diesen Anträgen nicht Folge. Die beschwerdeführende Partei erhob unter Hinweis auf das mittlerweile zum Steiermärkischen Getränkesteuergesetz ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1987, Zl. 83/17/0056, Berufung.

Mit Bescheid vom 7. Juli 1988 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz den Berufungsanträgen keine Folge. Ungeachtet der für die beschwerdeführende Partei positiven Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. September 1987, Zl. 87/17/0262, betreffend den Abgabenzeitraum von 1978 bis 1982 entfalteten die Bestimmungen der Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988, LGBl. für Oberösterreich Nr. 22, sowie der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz vom 26. April 1988 über die Einbeziehung der Verpackungswerte in die Bemessungsgrundlage für den Abgabenzeitraum 1983 bis einschließlich 1988 Rechtswirksamkeit, sodaß die Verpackungswerte von der beschwerdeführenden Partei im Abgabenzeitraum 1983 bis 1987 zu Recht in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen worden seien. Den Rückerstattungsanträgen sei daher keine Folge zu geben. Die beschwerdeführende Partei erhob Vorstellung.

1.5. Mit Bescheid vom 14. November 1988 wies die Oberösterreichische Landesregierung diese Vorstellung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides könnten die auf Grund von Abgabenerklärungen bei Selbstbemessungsabgaben bezahlten Abgaben nicht als zu Unrecht im Sinne des § 185 Abs. 1 der Oberösterreichischen Landesabgabenordnung - Oö LAO, LGBl. Nr. 30/1984, entrichtet gelten, da Selbstbemessungsabgaben nach § 149 Abs. 1 leg. cit. auf Grund einer Abgabenerklärung des Abgabenschuldners als festgesetzt gälten. Da der Rückzahlungsantrag aus diesem Grunde hätte abgewiesen werden müssen, sei die beschwerdeführende Partei durch den abweisenden, wenn auch anders begründeten Berufungsbescheid nicht in Rechten verletzt worden.

1.6. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach der Beschwerdebegründung sei die Abgabenbehörde entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1988, Zl. 85/17/0050, verpflichtet gewesen, einen Abgabenbescheid zu erlassen, wenn ihr eine Unrichtigkeit der Selbstbemessung im Sinne des § 153 Abs. 2 Oö LAO (richtig wohl § 149 Abs. 2) bekannt geworden sei. Da solche Bescheide nicht erlassen worden seien, erwiesen sich die entrichteten Abgaben wegen des von der Behörde ausgeübten Druckes (im Hinblick auf das Schreiben des Steueramtes der Stadt Linz vom 17. Juni 1983) als zu Unrecht entrichtet. Im Hinblick auf die rückwirkende Unterstellung des Rückzahlungsanspruches bzw. der Abgabenschuldigkeit unter die durch die Gemeinde-Getränkesteuergesetznovelle 1988 geschaffene Rechtslage werde angeregt, diese Bestimmung wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

1.7. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 149 Oö LAO lautet auszugsweise:

"(1) Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt.

(2) Die Abgabenbehörde hat die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefaßt erfolgen.

(3) Solange die Abgabenbehörde nicht gemäß Abs. 2 mit Bescheid die Abgabe festgesetzt hat, kann der Abgabepflichtige

a) die Erklärung innerhalb eines Monates ab deren Einreichung ändern,

b) in der Abgabenerklärung unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeiten innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einreichung der Erklärung berichtigen.

(4) .... "

§ 185 Abs. 1 Oö LAO bestimmt:

"(1) Wurde eine Abgabe zu Unrecht entrichtet, abgeführt oder zwangsweise eingebracht, so ist der zu Unrecht entrichtete Betrag auf Antrag zurückzuzahlen."

2.2. § 149 Oö LAO ist eine Regelung des Punktes "B. Festsetzung der Abgaben" im 5. Abschnitt der LAO. § 185 leg. cit. hingegen ist eine Bestimmung des 6. Abschnittes, der die "Einhebung der Abgaben" regelt. Auf diese systematische Stellung des § 185 Abs. 1 Oö LAO ist bei der Auslegung des dort verwendeten Begriffes der zu Unrecht erfolgten Entrichtung, Abführung oder zwangsweisen Einbringung einer Abgabe Bedacht zu nehmen.

2.2.1. Was nun zunächst den zuletzt genannten Rückforderungstatbestand der zu Unrecht erfogten zwangsweisen Einbringung betrifft, so entspricht dieser dem § 241 Abs. 1 BAO. Zu § 241 Abs. 1 BAO führt STOLL, Bundesabgabenordnung, Handbuch 1980, 603, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, daß ein Rückzahlungsantrag nach § 241 nicht gerechtfertigt ist, wenn eine zu Unrecht festgesetzte, aber dessen ungeachtet vollstreckbar gewordene Abgabe im Vollstreckungsweg eingebracht wurde. Unrechtmäßige Festsetzungen müßten im Rechtsmittelverfahren gegen den Abgaben-(Haftungs-)Bescheid bekämpft werden (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Februar 1960, Zl. 2131/59).

Nichts anderes muß für die beiden anderen erwähnten Rückforderungstatbestände des § 185 Abs. 1 Oö LAO gelten. Es sollte nämlich nach der Absicht des Landesgesetzgebers durch die Aufnahme dieser beiden weiteren Fälle keineswegs ein die Bindungswirkung von Abgabenfestsetzungen ganz allgemein durchbrechender Rechtsbehelf zwecks nochmaliger Aufrollung der Frage der Gesetzmäßigkeit der Abgabenfestsetzung als solcher geschaffen werden. Vielmehr heißt es im Bericht des Gemischten Ausschusses zur Oö LAO, 318/1984 BlgOöLT, 22. GP, im § 185 Abs. 1 würden die Worte "entrichtet, abgeführt oder" vorsorglich im Hinblick auf die Nichtaufnahme des § 240 BAO - dieser betrifft Rückzahlungen bei den im Abzugswege einbehaltenen Steuern (z.B. Lohnsteuer) - aufgenommen. Es gilt daher für alle Rückforderungstatbestände des § 185 Abs. 1 Oö LAO, daß die Unrechtmäßigkeit von Abgabenfestsetzungen auf dem hiefür vorgesehenen Weg bekämpft werden muß. § 185 Abs. 1 Oö LAO betrifft nicht unrichtig bemessene Abgaben, sondern bloß zu Unrecht entrichtete Abgabenbeträge.

2.2.2. Weiters ist nun die Frage zu beantworten, was unter der Festsetzung einer Abgabe zu verstehen ist. Die Antwort ergibt sich aus Abschnitt 5/B. der LAO. Die Festsetzung erfolgt danach zum einen durch Bescheid, zum anderen durch Selbstbemessung oder Entrichtung in Wertzeichen. Gemäß § 149 Abs. 1 Oö LAO gilt eine Selbstbemessungsabgabe "durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung als festgesetzt". Der Einreichung der Erklärung kommt somit kraft GESETZLICHER Anordnung insofern dieselbe Rechtswirkung wie einer bescheidmäßigen Festsetzung zu, als damit die Abgabe als festgesetzt GILT. Von dieser Rechtswirkung ist der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 29. April 1983, Zl. 81/17/0060, Slg. N.F. Nr. 5781/F (betreffend die Tir LAO), ausgegangen, wenn er aussprach, daß die Änderung einer bescheidmäßig festgesetzten bzw. kraft Gesetzes als festgesetzt geltenden Abgabe einer Grundlage im Verfahrensrecht bedarf. Eine solche Grundlage enthalten die Absätze 2 und 3 des § 149 Oö LAO. Der Gemeinsame Ausschuß hat dieser Auffassung über die Rechtslage im zitierten Bericht zu § 185 Oö LAO durch die Bemerkung Ausdruck verliehen, daß diese Bestimmung (§ 185) den § 149 Abs. 1 Oö LAO nicht erfasse. Dies ist, insoweit eine Selbstbemessungsabgabe zurückgefordert wird, zutreffend, solange diese aufrecht als festgesetzt gilt. Überschießend erscheint die gewählte Formulierung nur deswegen, weil jene tatsächlich, etwa irrtümlich, über die Selbstbemessungserklärung hinaus entrichteten Abgabenbeträge vom Rückforderungstatbestand des § 185 Abs. 1 Oö LAO wohl erfaßt sind.

Aus diesen Erwägungen folgt, daß den Selbstbemessungserklärungen der beschwerdeführenden Partei bis zur bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung kraft Gesetzes die Wirkung der Abgabenfestsetzung zukommt, die bis dahin eine Rückforderung gemäß § 185 Oö LAO ausschließt.

2.2.3. Ist der Antrag auf Rückerstattung einer durch Selbstbemessung entrichteten Abgabe - wie im Beschwerdefall - ausschließlich mit der Unrichtigkeit der Selbstbemessung begründet, so ist sein Inhalt dahingehend zu deuten, die Behörde möge zuerst über die Abgabenfestsetzung und sodann erst über das Rückerstattungsbegehren absprechen. In einem solchen Fall setzt die Erledigung des Rückerstattungsbegehrens voraus, daß die Behörde - zunächst - die Rechtsfrage der Abgabenschuldigkeit beantwortet (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1980, Slg. Nr. 8726, und das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1988, Zl. 85/17/0050).

Da somit in den Rückerstattungsanträgen der beschwerdeführenden Partei vom 13. August 1986 und vom 2. Juli 1987 das Begehren auf bescheidmäßige Abgabenfestsetzung enthalten ist und diese logisch und zeitlich der Erledigung des Rückerstattungsbegehrens vorgeordnet ist, hätte der Rückerstattungsantrag nicht - entgegen dem Willen des Antragstellers - abgewiesen werden dürfen, bevor eine bescheidmäßige Erledigung des Begehrens auf Festsetzung der Getränkesteuer erfolgt ist.

2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde die Abweisung des Rückerstattungsbegehrens durch die Gemeindeabgabenbehörden der mitbeteiligten Landeshauptstadt Linz zu Unrecht nicht behoben hat.

Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war abzuweisen, da diese bereits im Pauschale des Schriftsatzaufwandersatzes berücksichtigt ist.

2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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