VwGH 88/05/0188

VwGH88/05/018824.4.1990

AN und BN gegen Stadtsenat der Stadt Krems an der Donau vom 27. Juni 1988, Zl. MD-Sch-2/1988 (mitbeteiligte Partei: C), betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung.

Normen

BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 idF 8000-1. 8000-2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 idF 8000-1. 8000-2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Krems hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. März 1988 erteilte der Magistrat der Stadt Krems/Donau der mitbeteiligten Partei für den Einbau einer Betriebsstätte für die Produktion und den Verkauf von Lüftungen einschließlich Büros und Nebenräumen einer mechanischen Be- und Entlüftungsanlage, einer gasbefeuerten Zentralheizungsanlage sowie fünf in sich abgeschlossene Wohneinheiten im Haus X-Y, Z-gasse 94, auf der Parzelle 863/1, KG Y, die Baubewilligung; die Einwendungen der Anrainer, u.a. der Beschwerdeführer, wurden abgewiesen. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer, daß der vorgesehene Gewerbebetrieb im Bauland-Wohngebiet nicht zulässig sei, durch die Betriebsstätte eine unzumutbare Lärm- und Geruchsbelästigung durch den Kraftfahrzeugverkehr zum Betrieb und insbesondere zu dem noch zu schaffenden Parkplatz und durch den Betriebslärm an und für sich befürchtet werde, führte die Baubehörde erster Instanz unter Hinweis auf § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG 1976 aus, daß nach dem Gutachten des Amtssachverständigen bedingt durch den Arbeitsablauf des Betriebes und den Aufwand an maschinellen Einrichtungen die gesamte Betriebsabwicklung innerhalb des bereits bestehenden Betriebsgebäudes vonstatten gehe, innerhalb des bestehenden Gebäudes abgewickelt werden könne und dies auch unter Punkt 49, 50 und 51 der gewerbehördlichen Auflagen als Betriebsvorschrift im Zuge dieses Verfahrens vorgeschrieben worden sei: Die Durchführung betrieblicher Tätigkeiten sei nur innerhalb der vorgesehenen Betriebsräume gestattet, die Durchführung von Lagerungen im Freien sei nicht gestattet; während der betrieblichen Tätigkeiten seien sämtliche ins Freie führenden Fenster sowie auch das Zufahrtstor ständig geschlossen zu halten; schließlich sei das Verladen der erzeugten Produkte nur innerhalb des vorgesehenen Verladeraumes im östlichen Bereich des Betriebsgebäudes bei geschlossenem Tor vorzunehmen.

Nach dem Amtsgutachten des umweltschutztechnischen Sachverständigen sei die Höhe der zu erwartenden Betriebsgeräusche aus den Betriebsräumen und technischen Anlagen mit 40 dB zu erwarten. Dieser Wert liege um 10 dB niedriger als der Grenzwert entsprechend der Widmung Bauland-Wohngebiet und um ca. 7 bis 8 dB niedriger als der derzeit leiseste Umgebungsgeräuschpegel. Die Höhe der Betriebsgeräusche werde daher unter Berücksichtigung der angegebenen technischen Vorkehrungen in der Nachtzeit praktisch nicht wahrnehmbar sein. Unzumutbare Beeinträchtigungen entsprechend den Kriterien der Richtlinie Nr. 3, Blatt 1 des ÖAL, könnten mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Durch den betriebskausalen Verkehr auf öffentlichem Gut durch die Zufahrt, Abfahrt und die Benützung des Parkplatzes sei mit einer äquivalenten Lärmbelastung in der Höhe von 40 dB zu rechnen. Dieser Wert liege einerseits um 6 dB unterhalb des Widmungsgrenzwertes bzw. um 11 dB unterhalb der mittleren Lärmbelastung durch den Straßenverkehr auf der B 37 - Kremstalstraße. Eine Anhebung der Gesamtlärmbelastung der Nachbarschaft sei daher nicht bzw. nur innerhalb der Nachweisbarkeitsgrenze von 1 dB zu erwarten. Durch Einzelfahrten auf öffentlichem Gut erreichte, sicher wahrnehmbare Spitzenwerte zwischen 70 und 80 dB seien wegen der geringen Häufigkeit der Immissionen als Spitzenwerte durch betriebskausalen Straßenverkehr nicht anders oder höher zu bewerten als sonstiger Straßenverkehr auf öffentlichem Gut. Aus umweltschutztechnischer Sicht bestünden somit gegen die Erteilung einer baubehördlichen Genehmigung keine Bedenken.

In der dagegen erhobenen Berufung machten die Beschwerdeführer neuerlich geltend, daß es sich um einen Betrieb handle, der im Wohngebiet unzulässig sei, einerseits, weil er seiner Art nach üblicherweise nicht in Wohngebäuden untergebracht werde und andererseits, weil auch Lärm- und Geruchsbelästigungen von ihm ausgingen, welche nur durch Auflagen eingedämmt werden könnten; im vorliegenden Fall seien 51 Auflagen angeführt worden. So widerspreche es etwa einem Wohngebäude, daß Fenster nicht aufgemacht werden dürften, Türen abgedichtet werden müßten und dgl. Aus dem vorgesehenen Abstellplatz sei eine unzumutbare Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigung zu erwarten; dem Bauvorhaben sei kein medizinischer Sachverständiger beigezogen worden, dem es ausschließlich vorbehalten sei, festzustellen, ob eine Gesundheitsgefährdung vorliege.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Sie ging davon aus, daß die im konkreten Fall beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit in dem vorgesehenen Gebäude keine Nutzungsform darstelle, die a priori dem § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 widerspreche. Dem ausführlichen Gutachten des Amtssachverständigen sei zu entnehmen, daß jedenfalls keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursacht würden. In den Aktenunterlagen habe auch eine im Zuge der Vorprüfung für das bau- und gewerbebehördliche Verfahren eingeholte gutächtliche Stellungnahme des Amtsarztes vom 2. Februar 1988 festgestellt werden können, wonach vom sanitätspolizeilichen Standpunkt aus bei projektgemäßer Ausführung gegen die Änderung der Betriebsanlage keine Bedenken bestünden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich vor allem in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Einhaltung der Flächenwidmung verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG), LGBl. 8000-0, in der Fassung LGBl. 8000-1 und 8000-2, also vor der hier noch nicht wirksam gewordenen Aufhebung einer Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof (G 134, 143/87) mit 30. November 1988, sind Wohngebiete für Wohngebäude und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude sowie für Betriebe bestimmt, welche in Wohngebäuden untergebracht werden können und keine, das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigungen sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen können; da der vorliegende Betrieb zweifellos nicht dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dient (vgl. etwa auch § 16 Abs. 3 ROG), kommt es nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Gesetzes darauf an, ob es sich um die letztgenannte in Wohngebieten zugelassene Gruppe von Betrieben handelt. Die dabei festgesetzten Umschreibungen zulässiger Betriebe lassen die Auslegung zu, daß es sowohl auf die Emissionen der Betriebe an sich ankommt, als auch darauf, welche Immissionen die Nachbarschaft tatsächlich erleidet. Dies ist im vorliegenden Fall deshalb von Bedeutung, weil der Sachverständige, auf dessen Ausführungen sich die baubehördlichen Bescheide stützen, in der mündlichen Bauverhandlung einerseits dargelegt hat, daß infolge besonderer Ausgestaltung der Räume (schallabsorbierende Verkleidung der gesamten Deckenfläche, Ausführung der Bauteile einschließlich Fenster, Türen und Tore in zweischaliger Konstruktion mit einem Schalldämmaß von 30 dB etc.) von dem äquivalenten Dauerschallpegel in den Räumen bis zu 90 dB (bei entsprechender Ausstattung bis 85 dB) nur Betriebsgeräusche von etwa 40 dB nach außen dringen.

Nun entspricht es der insoweit seit dem hg. Erkenntnis vom 13. September 1977, Slg. N.F. Nr. 9382/A, ständigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, daß Maßstab für die Lösung der Frage nach der Zulässigkeit eines Betriebes unter dem Gesichtspunkt der FLÄCHENWIDMUNG, anders als für die Gewerbebehörde, für die Baubehörde nicht ein in seinen Betriebsmitteln und Betriebsanlagen bis ins einzelne fest umrissener (konkreter) Betrieb ist. Vielmehr hat hiebei als Maßstab eine BETRIEBSTYPE zu dienen, die nach der Art der dort üblicherweise nach dem jeweiligen Stand der Technik verwendeten Anlagen und Einrichtungen (einschließlich der zum Schutze vor Belästigungen typisch getroffenen Maßnahmen) sowie nach der Art der demgemäß herkömmlich entfalteten Tätigkeit einem bestimmten (abstrakten) Betriebsbild entspricht. Dies im Gegensatz zu gewerberechtlichen Vorschriften. Für die Frage der Einhaltung der Flächenwidmung, auf die die Nachbarn insofern einen entsprechenden Anspruch haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1983, Zl. 83/05/0036, BauSlg. Nr. 68), ist es also bedeutungslos, ob der Betrieb nach gewerberechtlichen Vorschriften zu bewilligen ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1985, Zl. 85/05/0141, BauSlg. Nr. 590), also, wie hier, die gewerberechtlichen Bewilligungen mit den entsprechenden Auflagen erteilt wurden. Ist ein Betriebstyp als solcher nicht zulässig, so kann er im Gegensatz zum Gewerberecht auch durch entsprechende Auflagen nicht zulässig gemacht werden. Dabei kann es nach Ansicht des Gerichtshofes nicht von Bedeutung sein, ob die Minderung von Immissionen erst durch gewerbe- oder baubehördliche Auflagen erreicht wird oder unter Vorwegnahme solcher zu erwartender Auflagen bereits das konkrete Bauvorhaben eine Gestaltung aufweist, daß die notwendig mit dem Betriebstyp verbundenen Emissionen nur in einem zumutbaren Maß nach außen dringen. Für eine derartige Auslegung sprechen sowohl die Formulierung "Betriebe ...., welche keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen KÖNNEN", als auch die hier noch anzuwendende Wendung "in Wohngebäuden untergebracht werden können", dies auch nach Wirksamkeit der Aufhebung dieser Wortfolge durch den Verfassungsgerichtshof. Denn damit wird zum Ausdruck gebracht, daß - wie dies auch dem Sinn einer vernünftigen Raumordnung entspricht - störende Betriebe von vornherein von ihrer Ansiedlung im Wohngebiet ausgeschlossen sein sollen. Andernfalls bestünde auch kein Unterschied zu den "dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäuden" bzw. (§ 16 Abs. 3 ROG) Gebäuden "für Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes". Kann doch nicht ernstlich bezweifelt werden, daß auch bei diesen allgemein zugelassenen Betrieben nach § 62 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 die zur Abwehr der Belästigungen von Nachbarn nötigen Vorkehrungen getroffen werden müssen.

Freilich darf nicht auf einen metallverarbeitenden Betrieb im allgemeinen, sondern muß hier auf den konkreten Produktionstyp der Erzeugung von Lüftungsanlagen abgestellt werden. Nach den Ausführungen der Sachverständigen in der mündlichen Bauverhandlung, auf die sich die verwaltungsbehördlichen Bescheide, wenn auch ohne Wiedergabe des Inhaltes, stützen, werden im Werkstättenbereich im Erdgeschoß eine Tafelschere, eine Abkantpresse, eine Einrollmaschine, eine Sickenmaschine, eine Falzmaschine und zwei Werkbänke aufgestellt. Dabei werden die im oberflächenbehandelten Zustand angelieferten Bleche nach dem Zuschneiden durch spanloses Verformen mittels Einrollen, Abkanten und Sicken zu fertigen Blechrohrleitungen verarbeitet; Schweißvorgänge oder Oberflächenbehandlungen wie Lackieren etc. erfolgen nicht. Ohne schalltechnische Vorkehrungen nahm der Sachverständige 90 dB als äquivalenten Dauerschallpegel und 95 dB als Spitzenwert an; die mitbeteiligte Partei verwies dagegen auf die Angaben des Maschinenherstellers, daß die Leerlaufgeräusche der Maschinen 58 bis 74 dB und Geräusche unter Last mit 72 bis 86 dB anzunehmen sind.

Daß bei diesen Lärmentwicklungen - welche Werte man immer zugrundelegt - ein Betriebstyp vorliegt, der auch nach seiner speziellen Art beim derzeitigen Stand der Technik im Wohngebiet unzulässig ist, liegt auf der Hand; auf allfällige Verfahrensmängel (kein Parteiengehör zu dem im Vorverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten) kommt es daher nicht mehr an.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Damit erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über die Gewährung aufschiebender Wirkung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989; die Stempel waren lediglich im erforderlichen Ausmaß zu ersetzen.

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