Normen
BauO Wr §6 Abs3 idF vor 1976/018
BauO Wr §71
BauRallg implizit
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985050141.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. Juni 1985 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 71 der Bauordnung für Wien die nachträgliche Bewilligung für ein einstöckiges Werkstättengebäude auf der Liegenschaft Wien nn., W‑Gasse ONr. 3, EZ. 1333 des Grundbuches über die Kat. Gem. F, versagt. Die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß für die in Rede stehende Liegenschaft die Flächenwidmung „Wohngebiet“ gilt und die Bauklasse III sowie die geschlossene Bauweise festgesetzt sind. Das Werkstättengebäude der Beschwerdeführer sei nach deren Angaben vor ca. 20 Jahren errichtet worden und diene betrieblichen Zwecken; eine Aufstockung sei aus finanziellen Gründen nicht möglich. Am 19. Dezember 1983 sei zunächst um die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 der Bauordnung für Wien in Zusammenhang mit einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 69 leg. cit. ersucht worden. Während der Verhandlung vom 20. Februar 1985 sei das Ersuchen dahingehend modifiziert worden, daß eine Baubewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien auf jederzeitigen Widerruf begehrt worden sei. Während dieser Verhandlung habe der Eigentümer der anrainenden Liegenschaft W‑Gasse 5 gegen jede Art der Bewilligung Einwendungen erhoben, weil durch das Betriebsgebäude eine unzumutbare Belästigung durch Lärm und Geruch gegeben sei. Nach einer Wiedergabe des Berufungsvorbringens sowie des Wortlautes des § 71 der Bauordnung für Wien vertrat die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides sodann die Auffassung, daß dem Nachbarn aus den Bestimmungen über die Einhaltung der Widmung ein subjektiv-öffentliches Recht erwachse; insbesondere könne der Nachbar aus § 6 Abs. 6 leg. cit. insofern ein subjektiv-öffentliches Recht ableiten, als die Herstellung der in dieser Gesetzesstelle als nicht zulässig bezeichneten Baulichkeiten in einem Wohngebiet ihn in seinen Rechten verletzen könne. Die Unterbringung von Werkstätten sei zufolge § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien nur in kleinerem Umfang unter bestimmten Bedingungen in Wohngebäuden zulässig. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch nicht um die Unterbringung einer Werkstätte in einem Wohngebäude, sondern es sei die ganze Baulichkeit ein einstöckiges Werkstättengebäude. Abgesehen davon, daß die Werkstätte mit insgesamt 250 m2 über „den kleineren Umfang“ im Sinne des § 6 Abs. 6 leg. cit. hinausgehe, stehe die Errichtung ganzer Werkstättengebäude mit dieser Bestimmung nicht in Einklang, da, wie erwähnt, nur die Unterbringung von Werkstätten in Wohngebäuden zulässig sei. Der Eigentümer der anrainenden Liegenschaft habe während der Verhandlung vom 20. Februar 1985 klar zu erkennen gegeben, daß er nicht bereit sei, auf das ihm aus der Bauordnung erfließende Recht auf Einhaltung der Widmung zu verzichten. Die Gründe, welche zur Verweigerung dieser Zustimmung führen, seien nach der bisherigen einhelligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unerheblich. Da alle im § 71 der Bauordnung genannten Bedingungen vorliegen müßten, habe mangels der Zustimmung des Anrainers die beantragte Baubewilligung selbst bei Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles nicht erteilt werden können. Bei dieser Sachlage habe es auch keiner weiteren Ermittlungen über das Ausmaß der möglichen Belästigungen bedurft. Solche Ermittlungen wären nur bei Unterbringung von Werkstätten kleineren Umfanges in einem Wohngebäude erforderlich gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 71 der Bauordnung für Wien kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für sie gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes insofern nicht, als nach Lage des Falles im Bescheid auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichtet worden ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegenstehen, es sei denn, daß der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder gemäß § 42 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes als der Bewilligung zustimmend anzusehen ist.
Das in Rede stehende Gebäude liegt unbestritten in einem Gebiet mit der Flächenwidmung Wohngebiet, in welchem zufolge § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien nur Wohngebäude und Bauten, die religiösen, kulturellen oder sozialen Zwecken oder der öffentlichen Verwaltung dienen, errichtet werden dürfen, Die Errichtung von Gast-, Beherbergungs-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, von Büro- und Geschäftshäusern sowie die Unterbringung von Lagerräumen und Werkstätten kleineren Umfanges und von Büros und Geschäftsräumen in Wohngebäuden ist dann zulässig, wenn sichergestellt ist, daß sie nicht durch Rauch, Ruß, Staub, schädliche oder üble Dünste, Niederschläge aus Dämpfen oder Abgasen, Geräusche, Wärme, Erschütterungen oder sonstige Einwirkungen, Gefahren oder den Wohnzweck beeinträchtigende Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen geeignet sind.
Diese letztgenannte Bestimmung gehört zu jenen, die im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien dem Schutz der Nachbarn dienen, weshalb nach Maßgabe des zweiten Satzes des eben wiedergegebenen § 71 leg. cit. davon auszugehen ist, daß die von den Beschwerdeführern angestrebte Baubewilligung auf Widerruf im Falle eines Widerspruches ihres Gebäudes zu der zitierten Widmungsvorschrift zu versagen war, sofern die Nachbarn nicht ausdrücklich zugestimmt haben oder als zustimmend anzusehen waren.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem zu § 6 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (nunmehr Abs. 6) ergangenen Erkenntnis vom 31. Jänner 1977, Slg. N. F. Nr. 9235/A, ausgesprochen hat, dürfen im Wohngebiet Werkstätten nur in Wohnhäusern, aber nicht als selbständige Gebäude errichtet werden.
Schon allein daraus ergibt sich unter Zugrundelegung der Tatsache, daß ein Eigentümer einer im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien benachbarten Liegenschaft der Erteilung der Bewilligung gemäß § 71 leg. cit. ausdrücklich widersprochen hat, die Richtigkeit der von der belangten Behörde getroffenen Entscheidung, da es sich bei der Baulichkeit der Beschwerdeführer unbestritten um ein Werkstättengebäude, also nicht um eine nach § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien zulässige Unterbringung von Werkstätten kleineren Umfanges in einem Wohngebäude handelt. Daraus folgt aber, daß das Werkstättengebäude der Beschwerdeführer mit dieser Regelung auch dann nicht vereinbar wäre, wenn sichergestellt wäre, daß es keine der dort erwähnten beeinträchtigenden Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen geeignet wäre, weshalb auch diesbezügliche Erhebungen entbehrlich waren. Unter diesen Umständen war die belangte Behörde entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer aber auch nicht verpflichtet, sich mit ihrem Einwand auseinanderzusetzen, wonach durch die mit der Betriebsanlagengenehmigung erteilten Auflagen unzumutbare Belästigungen ausgeschlossen seien, weil sich aus der allfälligen gewerberechtlichen Zulässigkeit der Betriebsanlage noch nicht deren Übereinstimmung mit den erwähnten baurechtlichen Widmungsvorschriften ergibt. Für die belangte Behörde bestand keine Verpflichtung, die vom erwähnten Nachbarn für die Verweigerung der Zustimmung ins Treffen geführten Umstände (nämlich eine unmittelbare Belästigung durch Lärm und Geruch, letzteres insbesondere infolge der Lagerung von ölgetränkten Abfällen) auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen, weil die in diesem Zusammenhang angeführten Gründe der Nachbarn unerheblich sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1985, Zl. 84/05/0236, und die darin zitierte Vorjudikatur). Im übrigen können die Beschwerdeführer aus dem Umstand nichts für ihren Standpunkt gewinnen, daß „der genehmigte Betrieb (mechanische Werkstätte) bereits vor der Umwidmung existent gewesen ist“, weil die belangte Behörde bei der Erledigung des Ansuchens der Beschwerdeführer um Erteilung der Baubewilligung auf Widerruf von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, also davon auszugehen hatte, daß das Gebäude der Beschwerdeführer in einem Gebiet mit der Flächenwidmung Wohngebiet gelegen ist und daher die Bestimmungen des § 6 Abs. 6 der Bauordnung für Wien anzuwenden waren.
Da die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sohin nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VWGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 leg. cit. in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 10. Dezember 1985
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