Normen
AbgVG Vlbg 1984 §123 Abs2;
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BAO §289 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art18 Abs2;
KanalisationsG Vlbg 1976 §11 Abs1;
KanalisationsG Vlbg 1976 §11 Abs3;
KanalisationsG Vlbg 1976 §11 Abs6;
KanalisationsG Vlbg 1976 §12 Abs1;
KanalisationsG Vlbg 1976 §12 Abs2;
KanalisationsG Vlbg 1976 §17 Abs1 lita;
KanalisationsG Vlbg 1976 §2 Abs2;
KanalO Egg 1976 §10;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwRallg;
AbgVG Vlbg 1984 §123 Abs2;
AVG §1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
BAO §289 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
B-VG Art18 Abs2;
KanalisationsG Vlbg 1976 §11 Abs1;
KanalisationsG Vlbg 1976 §11 Abs3;
KanalisationsG Vlbg 1976 §11 Abs6;
KanalisationsG Vlbg 1976 §12 Abs1;
KanalisationsG Vlbg 1976 §12 Abs2;
KanalisationsG Vlbg 1976 §17 Abs1 lita;
KanalisationsG Vlbg 1976 §2 Abs2;
KanalO Egg 1976 §10;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Bundesland Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Oktober 1974 wurde dem Beschwerdeführer auf Grund der Kanal- und Gebührenordnung der Gemeinde Egg, Gemeindevertretungsbeschluß vom 27. November 1972, für den Anschluß an die Gemeindekanalisierung eine Anschlußgebühr (Kanalanschlußbeitrag) in Höhe von insgesamt S 19.440,-- vorgeschrieben. Hievon sollten 25 % bis zum 30. November 1974 und weitere 25 % bis zum 30. April 1975 zur Zahlung fällig sein. Weiters heißt es in diesem Bescheid:
"Die restlichen 50 % sind bei Anschluß des Hauptkanales an die biolog. Kläranlage fällig und werden gesondert vorgeschrieben, wobei eine eventuelle Indexerhöhung bei der 50 %igen Vorschreibung dazugerechnet wird. ..."
Der Beschwerdeführer entrichtete auf Grund dieses Bescheides 50 % der ihm insgesamt vorgeschriebenen Anschlußgebühr. Eine Vorschreibung der restlichen 50 % erfolgte nicht.
Am 15. Juli 1983 richtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde an den Beschwerdeführer einen Bescheid, in welchem es nach Hinweis darauf, daß die zentrale Abwasserreinigungsanlage im September vergangenen Jahres in Betrieb genommen worden sei, im wesentlichen heißt:
"Gemäß den §§ 9, 10 und 12 der Kanalordnung der Gemeinde Egg in Verbindung mit den §§ 14, 18 und 28 Abs. 3 des Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 33/1976, wird für das eingangs erwähnte Objekt Egg Nr. nn1 der Kanalanschlußbeitrag wie folgt ermittelt:
BEITRAGSSATZ: S 298,--
BEITRAG: 399,30 Bewertungseinheiten x S 298,--
= S 118.991,40
Hievon kommen gemäß Beschluß des Gemeindevorstandes auf Grund des früher geleisteten Teilanschlußbeitrages in der Höhe von S 9.720,-- 50 %, d.s. S 59.495,70, in Abzug. Außerdem erhalten Sie für die aufgelassene Hauskläranlage eine Entschädigung von S 3.375,--. ..."
Mit Bescheid vom 17. Mai 1984 wies die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit Bescheid vom 5. September 1984 gab die Bezirkshauptmannschaft Bregenz der Vorstellung Folge, hob den Bescheid der Abgabenkommission vom 17. Mai 1984 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, wesentlich für die Anwendung des § 28 Abs. 3 des Kanalisationsgesetzes sei es, daß der vorgeschriebene Kanalisationsbeitrag entweder ausdrücklich als vorläufiger Beitrag bezeichnet oder seinem Inhalt nach als solcher anzusehen sei. Beides träfe nicht zu. Vielmehr sei ein endgültiger Kanalanschlußbeitrag vorgeschrieben worden, dessen Fälligkeit jedoch nur zum Teil datumsmäßig fixiert worden sei. Es sei somit § 28 Abs. 4 des Kanalisationsgesetzes in Anwendung zu bringen, der die Einhebung eines Kanalisationsbeitrages nach den Bestimmungen des Kanalisationsgesetzes ausschließe.
Mit Bescheid vom 24. Juni 1985 gab die Vorarlberger Landesregierung der dagegen von der mitbeteiligten Gemeinde erhobenen Berufung keine Folge.
Mit (Ersatz-)Bescheid vom 23. September 1985 entschied die Abgabenkommission der Gemeinde Egg über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 15. Juli 1983 nunmehr dahin, daß die Entscheidung der ersten Instanz anstelle von § 28 Abs. 3 des Kanalisationsgesetzes auf § 28 Abs. 4 lit. b des zitierten Gesetzes gestützt werde. Im übrigen wurde die Berufung abgewiesen und der Bescheid der ersten Instanz bestätigt. In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, es sei unbestritten, daß die Abwasserreinigungsanlage Egg erst in den Achtzigerjahren, also nach der Vorschreibung vom Jahre 1974 erstellt und aus diesem Grunde noch kein Nachtragsbeitrag erhoben worden sei. Die Abgabenbehörde habe daher ihre Entscheidung nicht auf § 28 Abs. 3, sondern auf § 28 Abs. 4 lit. b des Kanalisationsgesetzes zu stützen gehabt. Die Höhe des Beitrages sei in den gesetzlichen Vorschriften "mehr als gedeckt".
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Da bereits bei der Bescheiderlassung vom 25. Oktober 1974 von einer biologischen Kläranlage die Rede sei und lediglich die Fälligkeit der zweiten Hälfte des Kanalanschlußbeitrages beim Anschluß des Hauptkanales an die biologische Kläranlage vorgesehen gewesen sei, könne von einer Ergänzung der Abwasserreinigungsanlage nicht die Rede sein. Der Tatbestand eines Nachtragsbeitrages sei daher nicht erfüllt. Abgesehen davon dürfe bei einem Nachtragsbeitrag gemäß § 12 Abs. 1 des Kanalisationsgesetzes nur der Unterschiedsbetrag von 8 v.H. auf 12 v.H. vorgeschrieben werden und nicht eine komplett neue Bewertung des Anschlußbeitrages im Sinne des § 14 Abs. 2 Kanalisationsgesetz erfolgen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die Vorarlberger Landesregierung dieser Vorstellung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, gemäß § 2 Abs. 2 des Kanalisationsgesetzes werde unter einer Abwasserbeseitigungsanlage die Gesamtheit aller Einrichtungen der Gemeinde verstanden, durch welche in der Gemeinde anfallende Abwässer oder Niederschlagswässer gesammelt, abgeleitet und gereinigt würden. Diese Begriffsbestimmung sei so zu interpretieren, daß eine Sammlung von Abwässern oder Niederschlagswässern, die Ableitung derselben und auch die Reinigung jeweils Teil einer Abwasserbeseitigungsanlage sein könnten. Die Sammlung, Ableitung und Reinigung müsse sohin nicht kumulativ vorliegen, um von einer Abwasserbeseitigungsanlage sprechen zu können. Wenn auch die Reinigung aus ökologischen Gesichtspunkten immer mehr an Gewicht gewinne, so bleibe sie trotzdem Teil der Gesamtheit aller Einrichtungen der Gemeinde, die insgesamt die Abwasserbeseitigungsanlage darstellten. Im Jahre 1974, sohin zum Zeitpunkt der Vorschreibung des Kanalanschlußbeitrages, habe sich die Abwasserbeseitigungsanlage in der mitbeteiligten Gemeinde auf die Sammlung und Ableitung der Abwässer beschränkt. Die Reinigung sei damals in den Hauskläranlagen erfolgt. Im September 1982 sei der Anschluß an die Abwasserreinigungsanlage Egg erfolgt. Die bestehende öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage sei daher um eine Abwasserreinigungsanlage ergänzt worden. Die Voraussetzungen zur Erhebung eines Nachtragsbeitrages gemäß § 17 Abs. 1 lit. a des Kanalisationsgesetzes lägen sohin vor.
Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 27. Februar 1987, B 766/86-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens in seinem Recht, den ihm vorgeschriebenen Kanalisationsbeitrag nicht entrichten zu müssen, verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Gemeinde erstatteten je eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes, LGBl. Nr. 33/1976, idF vor der Novelle LGBl. Nr. 62/1988 bzw. der Neukundmachung LGBl. Nr. 5/1989 (KanalG), lauten:
"§ 2
Begriffe
(2) Öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage - im folgenden Abwasserbeseitigungsanlage genannt - ist die Gesamtheit aller Einrichtungen der Gemeinde, durch welche in der Gemeinde anfallende Abwässer oder Niederschlagswässer gesammelt, abgeleitet und gereinigt werden. ...
4. Abschnitt
Kanalisationsbeiträge
§ 11
Allgemeines
(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Verordnung der Gemeindevertretung im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zur Deckung der ihnen durch die Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage erwachsenden Kosten Kanalisationsbeiträge zu erheben.
(3) Kanalisationsbeiträge sind der Erschließungsbeitrag, der Anschlußbeitrag, der Ergänzungsbeitrag und der Nachtragsbeitrag.
(6) Das Beitragsausmaß ergibt sich aus dem mit der Bewertungseinheit vervielfachten Beitragssatz.
§ 12
Beitragssätze
(1) Die Gemeindevertretung hat durch Verordnung den Beitragssatz festzusetzen. Dieser darf 8 v.H. und, wenn eine gemeinsame Abwasserreinigungsanlage besteht, in die ungeklärte häusliche Abwässer eingeleitet werden können, 12 v.H. jenes Betrages nicht überschreiten, der den Durchschnittskosten für die Herstellung eines Laufmeters Rohrkanal für die Abwasserbeseitigungsanlage im Durchmesser von 400 mm in einer Tiefe von 3 m entspricht.
(2) Wenn die Gemeindevertreter die Einhebung eines Nachtragsbeitrages nach § 17 Abs. 1 lit. a beschließt, ist hiefür ein eigener Beitragssatz festzusetzen. Dieser darf den Unterschied zwischen 12 v.H. des im Abs. 1 genannten Betrages und dem bei der Vorschreibung der Anschlußbeiträge herangezogenen Hundertsatz nicht übersteigen.
§ 13
Erschließungsbeitrag
§ 14
Anschlußbeitrag
§ 17
Nachtragsbeiträge
(1) Ein Nachtragsbeitrag zum Anschlußbeitrag kann erhoben werden, wenn
a) eine Abwasserbeseitigungsanlage durch eine gemeinsame Abwasserreinigungsanlage ergänzt wird,
b) Sammelkanäle, die nur für Abwässer oder nur für Niederschlagswässer bestimmt sind, so umgebaut oder durch einen neuen Sammelkanal ergänzt werden, daß sowohl Abwässer als auch Niederschlagswässer eingeleitet werden können,
c) Sammelkanäle, die nur für Niederschlagswässer bestimmt sind, so umgebaut werden, daß anstatt Niederschlagswässer Abwässer eingeleitet werden können.
(2) Für die Berechnung des Nachtragsbeitrages nach Abs. 1 lit. a gilt der § 14 in Verbindung mit dem § 12 Abs. 2.
§ 28
Übergangsbestimmungen
(3) Für Bauwerke, befestigte Flächen und Grundstücke, für die nach bisher geltenden Vorschriften ein Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben worden ist, der entweder ausdrücklich als vorläufiger Beitrag bezeichnet wurde oder seinem Inhalt nach als solcher anzusehen ist, können die im § 11 Abs. 3 genannten Kanalisationsbeiträge vorgeschrieben werden, wobei der bereits geleistete vorläufige Beitrag unter Anwendung des § 29 anzurechnen ist. ...
(4) Soweit nach den bisher geltenden Vorschriften ein endgültiger Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben worden ist, können Kanalisationsbeiträge nach diesem Gesetz nur in folgenden Fällen erhoben werden:
b) Für Bauwerke und befestigte Flächen, für die bereits ein endgültiger Anschlußbeitrag vorgeschrieben worden ist, kann ein Ergänzungsbeitrag und ein Nachtragsbeitrag erhoben werden, wenn nach der Vorschreibung des Anschlußbeitrages ein Tatbestand nach § 15 bzw. § 17 Abs. 1 lit. a verwirklicht und aus diesem Grund noch kein Ergänzungsbeitrag bzw. Nachtragsbeitrag erhoben worden ist. Bei Vorschreibung eines solchen Nachtragsbeitrages ist der geleistete Anschlußbeitrag unter Anwendung des § 29 anzurechnen. ...
§ 29
Wertsicherung
Soweit nach den Bestimmungen des § 28 bereits geleistete Kanalisationsbeiträge anzurechnen sind, ist deren Höhe im gleichen Verhältnis zu ändern, wie sich der in Vorarlberg allgemein verwendete Baukostenindex seit der Vorschreibung des anzurechnenden Kanalisationsbeitrages geändert hat."
In seiner Verfahrensrüge bringt der Beschwerdeführer vor, sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei seien auf Grund des formell rechtskräftigen Bescheides, insbesondere wegen Identität der Sache, an den ersten Bescheid der mitbeteiligten Partei vom 25. Oktober 1974 gebunden. Die belangte Behörde hätte daher das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verfahren für nichtig erklären und den Bescheid aufheben müssen.
Wie dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 1971, Slg. Nr. 8035/A, zu entnehmen ist, will der Beschwerdeführer damit zum Ausdruck bringen, daß
- im Sinne der Darlegungen in diesem Erkenntnis - mit dem Bescheid vom 25. Oktober 1974 über den Abgabenanspruch der mitbeteiligten Partei rechtskräftig entschieden worden sei und daher "res iudicata" vorliege. Dem ist zu erwidern, daß mit dem Ersatzbescheid der Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. September 1985 nicht ein Anschlußbeitrag nach § 14 KanalG, sondern - wie sich aus der oben wiedergegebenen Begründung dieses Bescheides ergibt - ein Nachtragsbeitrag nach § 17 Abs. 1 lit. a leg. cit. also eine inhaltlich andere Abgabe, vorgeschrieben wurde. Im Verhältnis zum Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Oktober 1974 liegt daher res iudicata
- ganz abgesehen davon, daß diesem Bescheid eine andere Rechtslage zugrundelag - keinesfalls vor. Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß die Außerachtlassung einer solchen Bindung bzw. das Nichtaufgreifen einer solcherart dem Bescheid der Abgabenkommission vom 23. September 1985 anhaftenden Rechtswidrigkeit durch die Vorstellungsbehörde deren Bescheid seinerseits mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belasten und nicht, wie der Beschwerdeführer annimmt, einen Verfahrensmangel begründen würde.
In einem anderen Sinne könnte die Frage einer Bindung für den Beschwerdefall allenfalls bedeutungsvoll werden, nämlich dann, wenn man eine Bindung an den aufhebenden Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 5. September 1984 bzw. den diesen Bescheid bestätigenden Berufungsbescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 24. Juni 1985 annähme. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nicht nur die Gemeinde, sondern auch die anderen Parteien des Verfahrens an die die Aufhebung tragenden Gründe eines kassatorischen Vorstellungsbescheides gebunden. Diese Bindung erstreckt sich nach der Rechtsprechung auch auf die Aufsichtsbehörde selbst sowie auf den Verwaltungsgerichtshof.
Aber auch eine so geartete Bindung liegt nicht vor. Tragender Grund des Vorstellungsbescheides vom 5. September 1984 war nämlich die Erwägung, daß mit dem Bescheid des Bürgermeisters vom 25. Oktober 1974 ein Beitrag vorgeschrieben worden sei, der im Sinne des § 28 Abs. 3 KanalG weder ausdrücklich als vorläufiger Beitrag bezeichnet wurde noch seinem Inhalt nach als solcher anzusehen war. Nach Auffassung der Vorstellungsbehörde sei somit § 28 Abs. 4 leg. cit. in Anwendung zu bringen, der die Einhebung eines Kanalisationsbeitrages (gemeint: eines Anschlußbeitrages) ausschließe. Im Sinne dieser ihr überbundenen Rechtsauffassung hat die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde mit ihrem Ersatzbescheid vom 23. September 1985 die gegenständliche Vorschreibung nunmehr in der Tat auf § 28 Abs. 4 lit. b leg. cit. gestützt, der nicht vom Anschluß-, sondern (unter anderem) vom Nachtragsbeitrag handelt.
Eben dadurch ist ihr freilich eine vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit unterlaufen. Gemäß § 123 Abs. 2 des Vorarlberger Abgabenverfahrensgesetzes, LGBl. Nr. 23/1984 (AbgVG), hat die Behörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle (ebenso wie im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO oder des § 66 Abs. 4 AVG 1950) ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen RECHTLICHEN ART nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid (im Ergebnis erstmals) erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine ANDERE ABGABE als die von der Abgabenbehörde erster Instanz festgesetzte Abgabe vorschreiben, eine Partei erstmals in eine Schuldnerposition verweisen etc. Eine solche Entscheidung fällt nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde; ein Verstoß dagegen belastet den Berufungsbescheid im diesbezüglichen Umfang mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit (vgl. hiezu das zum inhaltlich übereinstimmenden § 224 Abs. 1 WAO ergangene Erkenntnis vom 19. September 1986, Zl. 84/17/0151, sowie die dort wiedergegebene Lehre und umfangreiche weitere Rechtsprechung).
Im Beschwerdefall hat die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde als Abgabenbehörde zweiter Instanz mit ihrem Berufungsbescheid vom 23. September 1985 anstelle der von der Abgabenbehörde erster Instanz festgesetzten Abgabe - eines Anschlußbeitrages nach § 14 KanalG - eine andere Abgabe, nämlich einen Nachtragsbeitrag nach den §§ 17 Abs. 1 lit. a, 28 Abs. 4 lit. b leg. cit. festgesetzt. Sie hat damit eine sogenannte funktionelle Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukam; die belangte Behörde hat, indem sie diesen Umstand nicht zum Anlaß einer Aufhebung des Berufungsbescheides machte, ihren Bescheid ihrerseits mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, nach den Erläuternden Bemerkungen zu § 2 KanalG umfasse die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage die Sammelkanäle und die gemeinsame Abwasserreinigungsanlage. Es müsse somit zuerst eine gemeinsame Abwasserreinigungsanlage bestehen, um von einer Abwasserbeseitigungsanlage sprechen zu können. Erst wenn die Abwasserbeseitigungsanlage (mit bereits bestehender Abwasserreinigungsanlage) um eine weitere gemeinsame Wasserreinigungsanlage ergänzt werde, liege der Tatbestand des § 17 Abs. 1 lit. a leg. cit. vor.
Entgegen diesem Vorbringen pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der belangten Behörde bei, wonach nicht sämtliche der im § 2 Abs. 2 KanalG genannten Einrichtungen vorhanden sein müssen, um von einer Abwasserbeseitigungsanlage im Sinne des Gesetzes sprechen zu können. Auch die weiteren Tatbestände des § 17 Abs. 1 leg. cit. (nämlich nach lit. b und c) zeigen, daß der Gesetzgeber von der (durchaus realistischen) Annahme ausging, nicht jede Gemeinde werde im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits über eine vollständige Abwasserbeseitigungsanlage verfügen. Gerade zugunsten von Erweiterungen bzw. Änderungen der vorhandenen Abwasserbeseitigungsanlage hat der Gesetzgeber die Erhebung eines Nachtragsbeitrages vorgesehen. Die Auffassung des Beschwerdeführers, § 17 Abs. 1 lit. a KanalG sei nur dann anwendbar, wenn eine Abwasserbeseitigungsanlage mit bereits vorhandener Abwasserreinigungsanlage um eine WEITERE gemeinsame Abwasserreinigungsanlage ergänzt werde, findet sohin im Gesetz keine Deckung.
Ohne rechtliches Gewicht ist auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, die mitbeteiligte Gemeinde habe bereits bei der Erlassung des (endgültigen) Bescheides vom 25. Oktober 1974 die Errichtungskosten der Abwasserreinigungsanlage berücksichtigt, was auch daraus hervorgehe, daß laut diesem Bescheid die restlichen 50 % des damals vorgeschriebenen Kanalanschlußbeitrages bei Anschluß des Hauptkanales an die biologische Kläranlage fällig seien. Gerade für solcherart gelagerte Fälle wurde die Übergangsbestimmung des § 28 Abs. 4 lit. b KanalG geschaffen, zumal nach der vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Rechtslage (vgl. § 12 Abs. 2 der Landesbauordnung, LGBl. Nr. 49/1962, in der Fassung des § 58 lit. a des Baugesetzes, LGBl. Nr. 39/1972), die Gemeindevertretung lediglich ermächtigt war, durch Verordnung für den Anschluß an die Kanalisation einen EINMALIGEN Beitrag zu erheben. Der Umstand, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 25. Oktober 1974 die Errichtung einer Abwasserreinigungsanlage (dort "biologische Kläranlage genannt") bereits GEPLANT war, spielt keine Rolle; denn gemäß § 17 Abs. 4 erster Satz KanalG entsteht der Abgabenanspruch nach Abs. 1 lit. a dieser Gesetzesstelle mit dem Zeitpunkt, ab dem in die Abwasserbeseitigungsanlage ungeklärte häusliche Abwässer eingeleitet werden können, also keineswegs vor FERTIGSTELLUNG der Anlage. Folgerichtig wird in § 28 Abs. 4 lit. b zweiter Satz KanalG normiert, daß bei Vorschreibung eines solchen Nachtragsbeitrages der geleistete Anschlußbeitrag unter Anwendung des § 29 anzurechnen ist. Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang bemerkt, daß die im Bescheid des Bürgermeisters vom 15. Juli 1983 gewählte Anrechnungsmethode (Abzug von 50 % des neu festgesetzten Beitrages) nicht diesen Bestimmungen entsprach.
Im Recht ist der Beschwerdeführer jedoch, wenn er darauf hinweist, daß für die Vorschreibung des vorliegenden Nachtragsbeitrages keine verordnungsmäßige Grundlage besteht. Denn auch für einen gemäß § 28 Abs. 4 lit. b in Verbindung mit § 17 Abs. 1 lit. a vorgeschriebenen Anschlußbeitrag gilt die Bestimmung des § 12 Abs. 2 KanalG, wonach, wenn die Gemeindevertretung die Einhebung eines Nachtragsbeitrages nach § 17 Abs. 1 lit. a beschließt, hiefür (durch Verordnung) ein eigener Beitragssatz festzusetzen ist.
Dies ist hier nicht geschehen. Der insofern durch den Berufungsbescheid vom 23. September 1985 unverändert übernommene Bescheid des Bürgermeisters vom 15. Juli 1983 stützt sich unter anderem auf die §§ 9, 10 und 12 der Kanalordnung der mitbeteiligten Gemeinde. Nach der Aktenlage handelte es sich hiebei um die Kanalordnung laut Beschluß der Gemeindevertretung vom 27. Dezember 1976 (hinsichtlich deren § 10 Abs. 2 idF der Verordnung vom 19. Oktober 1982, kundgemacht durch Anschlag an der Gemeinde-Anschlagtafel vom 21. Oktober bis 13. Dezember 1982). Ihre für den Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
"2. Abschnitt
Kanalisationsbeiträge
§ 9
Allgemeines
(1) Die Gemeinde erhebt nach den Bestimmungen des 4. Abschnittes des Kanalisationsgesetzes folgende Kanalisationsbeiträge: ERSCHLIESSUNGSBEITRAG, ANSCHLUSSBEITRAG, ERGÄNZUNGSBEITRAG und NACHTRAGSBEITRAG.
(5) Der Nachtragsbeitrag wird erhoben, wenn
a) eine Abwasserbeseitigungsanlage durch eine gemeinsame Abwasserreinigungsanlage ergänzt wird;
c) ... Der Nachtragsbeitrag wird ev. von der Gemeinde nach Erstellung der Abwasserbeseitigungsanlage durch Verordnung festgelegt.
§ 10
Beitragsausmaß und Beitragssatz
(1) Das Ausmaß der Kanalisationsbeiträge ergibt sich aus dem mit der Bewertungseinheit (§§ 13, 14 und 17 des Kanalisationsgesetzes) vervielfachten Beitragssatz.
(2) Der Beitragssatz beträgt S 199,--, das sind 8. % v.H. (richtig offenbar: 8 v.H.) jenes Betrages, der den Durchschnittskosten für die Herstellung eines Laufmeters Rohrkanal für die Abwasserbeseitigungsanlage im Durchmesser von 400 mm in einer Tiefe von 3 m entspricht. In diesem Betrag sind die anteilsmäßigen Kosten für die gemeinsame Abwasserreinigungsanlage nicht enthalten."
Das Vorliegen einer von § 12 Abs. 2 KanalG geforderten, gesonderten Verordnung über die Höhe des Beitragssatzes für die Berechnung des Nachtragsbeitrages bzw. der im § 9 Abs. 5 lit. c der Kanalordnung vom 27. Dezember 1976 in Aussicht gestellten Verordnung über die Höhe des Nachtragsbeitrages selbst ist nicht aktenkundig noch wird das Vorliegen einer solchen Verordnung von der belangten Behörde oder etwa auch von der mitbeteiligten Gemeinde behauptet. Eine solche Verordnung konnte auch nicht etwa durch die Anordnung des § 10 Abs. 1 der Kanalordnung vom 27. Dezember 1976 ersetzt werden, wonach sich das Ausmaß der Kanalisationsbeiträge aus dem mit der Bewertungseinheit (§§ 13, 14 und 17 des Kanalisationsgesetzes) vervielfachten Beitragssatz ergibt. Denn während für den Erschließungsbeitrag (§ 13 KanalG) und den Anschlußbeitrag (§ 14 KanalG) die (einheitliche) Festsetzung des Beitragssatzes nach § 12 Abs. 1 leg. cit. genügt, wobei sich das Beitragsausmaß gemäß § 11 Abs. 6 leg. cit. durch Multiplikation des Beitragssatzes mit der Bewertungseinheit (§ 13 Abs. 2 bzw. § 14 Abs. 2 leg. cit.) ergibt, fordert § 12 Abs. 2 KanalG - wie bereits erwähnt - für den hier vorliegenden Fall eines Nachtragsbeitrages nach § 17 Abs. 1 lit. a leg. cit. AUSDRÜCKLICH die Festsetzung eines eigenen Beitragssatzes hiefür. Damit stimmt überein, daß im § 10 Abs. 2 zweiter Satz der Kanalordnung vom 27. Dezember 1976 idF der Verordnung vom 19. Oktober 1982 ausdrücklich gesagt wird, in dem im ersten Satz dieser Verordnungsstelle normierten Beitragssatz seien die anteilsmäßigen Kosten für die gemeinsame Abwasserreinigungsanlage NICHT enthalten. Es war daher verfehlt, wenn die Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde in ihrem Ersatzbescheid vom 23. September 1985, mit dem sie insoweit den Bescheid der ersten Instanz bestätigte, der Vorschreibung des Nachtragsbeitrages einen lediglich für einen Erschließungs- oder Anschlußbeitrag anzuwendenden Beitragssatz zugrundelegte.
Zwar verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift diesbezüglich auf Punkt II.3 des Auszuges aus der Verhandlungsschrift über die am 16. Mai 1983 abgehaltene öffentliche Sitzung der Gemeindevertretung der Mitbeteiligten, wo es heißt:
II. BESCHLÜSSE
3. In den nächsten Wochen sollen die restlichen Teile des Kanalanschlußbeitrages vorgeschrieben werden. Die Zahlungsfrist wird mit einem Jahr bemessen. Bei vorzeitiger Einzahlung werden Abschläge gewährt (15 % bei Einzahlung innerhalb eines Monates, 9 % bei Einzahlung innerhalb von zwei Monaten nach Vorschreibung). Die bereits im Jahre 1978 getroffene Regelung über die Entschädigung von aufgelassenen Hauskläranlagen bleibt aufrecht, wobei jedoch die Entschädigungssätze auf Grund der Indexentwicklung angehoben werden."
Es bedarf jedoch keiner ausführlichen Begründung dafür, daß diese Absichtserklärung der Gemeindevertretung trotz Anschlages der Verhandlungsschrift an die Gemeindetafel in der Zeit vom 6. Juni bis 20. Juli 1983 einer Verordnung im Rechtssinne nicht gleichgehalten werden kann. Daher ist es auch ohne rechtliche Bedeutung, ob - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift weiters behauptet - dieser "restliche Teil des Kanalanschlußbeitrages" als "letztes Drittel" (gemeint offenbar: im Sinne des § 12 Abs. 2 zweiter Satz KanalG) dem Nachtragsbeitrag entspricht oder nicht.
Der erwähnte Beschluß der Gemeindevertretung vom 16. Mai 1983 bot aus diesen Gründen auch keine Deckung dafür, daß der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde seinem Bescheid vom 15. Juli 1983 einen Beitragssatz von S 298,-- zugrundelegte. Zwar scheint dieser Beitragssatz in § 10 Abs. 2 der Kanalordnung vom 14. Mai 1984 auf, der zur Zeit des Ersatzbescheides der Abgabenkommission vom 23. September 1985 bereits in Geltung stand. Abgesehen davon aber, daß auch diese Verordnung keinen eigenen Beitragssatz für den Nachtragsbeitrag ausweist, hätte nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben lediglich ein im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Bürgermeisters vom 15. Juli 1983 allenfalls in Geltung stehender Beitragssatz angewendet werden können.
Nur der Vollständigkeit halber sei schließlich noch erwähnt, daß selbst vom Standpunkt der Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde aus nicht der gesamte Beitragssatz von S 298,--, sondern nur jenes "letzte Drittel" hätte angewendet bzw. vorgeschrieben werden dürfen.
Auch das Fehlen einer verordnungsmäßigen Deckung des geltend gemachten Nachtragsbeitrages hätte die belangte Behörde zum Anlaß nehmen müssen, den Bescheid der Abgabenkommission der mitbeteiligten Gemeinde vom 23. September 1985 aufzuheben. Dies unterlassen zu haben belastet den angefochtenen Bescheid ein weiteres Mal mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher aus den beiden oben genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung abgesehen werden konnte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umsatzsteuer ist im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten; weiters konnten nur die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren zugesprochen werden.
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