Normen
BAO §19 Abs1;
BewG 1955 §10;
BewG 1955 §14 Abs1;
BewG 1955 §14 Abs2;
BewG 1955 §26;
BewG 1955;
DBAbk BRD 1955 ErbSt Art7;
DBAbk BRD 1955 ErbSt;
ErbStG §18;
ErbStG §19 Abs1;
ErbStG §19;
BAO §19 Abs1;
BewG 1955 §10;
BewG 1955 §14 Abs1;
BewG 1955 §14 Abs2;
BewG 1955 §26;
BewG 1955;
DBAbk BRD 1955 ErbSt Art7;
DBAbk BRD 1955 ErbSt;
ErbStG §18;
ErbStG §19 Abs1;
ErbStG §19;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der deutsche Staatsangehörige FB ist am 1. September 1976 verstorben. Sein letzter Wohnsitz befand sich in Österreich. Er hatte seiner Lebensgefährtin AH mit letztwilliger Verfügung vom 9. Juni 1958 verschiedene Vermächtnisse ausgesetzt, und zwar unter anderem ein wertgesichertes Barlegat in Höhe von DM 150.000,--, das am Todestag des Erblassers rechnerisch unbestrittenermaßen einen Wert von DM 622.750,-- = öS 4,369.250,-- besaß, sowie ein in der Bundesrepublik Deutschland liegendes Grundstück.
In einem Testament vom 14. Dezember 1965 hatte der Erblasser seine Lebensgefährtin AH, seine beiden Töchter RR und HB sowie seine getrennt von ihm lebende Ehefrau JB zu je einem Viertel als Erben eingesetzt. AH verstarb am 11. Februar 1978, ihre Erbin war ihre Schwester Frau VH, die ihrerseits am 13. Oktober 1982 verstarb. Als Erbe nach VH trat LH auf, welcher am 18. Mai 1987 verstorben ist. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals (ohne Datum), 1 A 343/87-7, wurde die vom nunmehrigen Beschwerdeführer MN zum ganzen Nachlass des LH auf Grund des Testamentes vom 13. Dezember 1984 abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen und sein Erbrecht für ausgewiesen erachtet. Weiters wurde dem Beschwerdeführer die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Beschwerde war das Verlassenschaftsverfahren noch anhängig.
Mit vorläufigem Bescheid vom 23. Februar 1987 setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber LH als Erben nach VH, diese als Erbin nach AH, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von S 4,886.810,--, 48 % Erbschaftssteuer im Betrag von S 2,345.669,-- fest. Bei dieser Festsetzung bewertete das Finanzamt das Barlegat mit dem Nominalwert von S 4,359.250,-- und setzte für die Ermittlung des Steuersatzes gemäß dem Progressionsvorbehalt nach § 6 Abs. 4 ErbStG die Liegenschaft mit dem Verkehrswert an.
Gegen diesen Bescheid erhob LH Berufung, in welcher er unter anderem beantragte, den Wert des Barlegates nicht mit S 4,359.250,-
- , sondern nur mit 50 v.H. dieses Wertes anzusetzen. Weiters vertrat LH die Auffassung, dass bei der Ermittlung des Steuersatzes gemäß § 6 Abs. 4 ErbStG die in der Bundesrepublik Deutschland gelegene Liegenschaft mit dem Einheitswert und nicht mit dem gemeinen Wert anzusetzen wäre. Dieser Einheitswert wäre darüber hinaus so wie das Barlegat um 50 v.H. zu kürzen. Als Begründung für diese begehrte Kürzung führte LH aus, dass in der Bundesrepublik Deutschland ein Prozess über die Rechtswirksamkeit der Vermächtnisse anhängig gewesen sei. Erst nach dem Durchlaufen von fünf Instanzen (einmal Landgericht Stuttgart, zweimal Oberlandesgericht Stuttgart und zweimal Bundesgerichtshof) sei festgestanden, dass die letztwillige Verfügung des Erblassers hinsichtlich der Vermächtnisse wirksam und von den Erbinnen zu erfüllen gewesen sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen, an MN "als Rechtsnachfolger des Herrn LH" gerichteten Bescheid gab die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland der Berufung des LH gegen den Bescheid vom 23. Februar 1987 teilweise Folge und änderte den genannten Bescheid dahin ab, dass die Erbschaftssteuer mit 46 % von S 3,402.561,--, das sind S 1,565.201,-- festgesetzt wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, FB sei am 1. September 1976 unter Hinterlassung letztwilliger Verfügungen in Stuttgart verstorben. In diesen Verfügungen habe der Erblasser bestimmt, dass AH auf Lebenszeit eine monatliche Rente von DM 1.500,--, einen wertgesicherten Betrag von DM 150.000,-- sowie ein in Deutschland gelegenes Grundstück erhalten solle. Darüber hinaus sollte AH Erbin zu einem Viertel sein. Nach der Aktenlage habe in Österreich ein Verlassenschaftsverfahren nicht stattgefunden. Im Abhandlungsverfahren in Deutschland hätten die Erben HB und RR die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügungen bekämpft und nach Befassung von fünf Gerichtsinstanzen mit LH, dem Erben von AH, einen Vergleich abgeschlossen. In diesem Vergleich sei vereinbart worden, dass die letztwilligen Anordnungen als gültig anzusehen seien, dass aber AH nicht Erbin geworden sei. Die Besteuerung des Liegenschaftserwerbes erfolge gemäß den Bestimmungen des zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens in der Bundesrepublik Deutschland. Der Erwerb des Barlegates sowie der Rente sei gemäß dem vorzitierten Abkommen der Erbschaftssteuer zu unterziehen und es habe des Finanzamt demgemäß die Erbschaftssteuer von S 2,345.669,-- festgesetzt. Für den Progressionsvorbehalt sei hiebei der Wert der in Deutschland gelegenen Liegenschaft mit S 8,820.000,-- angenommen worden.
Weiters führte die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides - soweit für vorliegenden Rechtsstreit noch von Bedeutung - aus, die Bewertung der Vermächtnisse mit 50 v.H. sei nicht gerechtfertigt. Es dürfe nicht übersehen werden, dass diese Vermächtnisse auf einem eigenhändig geschriebenen und offenbar für jedermann erkennbar gültigen Testament beruhten und aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Prozessunterlagen nichts zu entnehmen sei, was für einen Ansatz dieser Vermächtnisse mit 50 v. H. spreche. Unter Berücksichtigung einer Abzinsung von 5,5 v.H. seien von diesem Barlegat S 109.560,69 in Abzug zu bringen. Hinsichtlich der in der Berufung begehrten Anwendung des § 15 Abs. 1 Z. 6 ErbStG werde dem Berufungsbegehren gefolgt und die Bemessungsgrundlage um S 729.069,20 gekürzt. Bei der Berechnung des Progressionsvorbehaltes vertrete die belangte Behörde die Auffassung, dass ausländische Liegenschaften mit dem gemeinen Wert anzusetzen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des MN. Der Beschwerdeführer fühlt sich nach seinem Vorbringen in folgenden Punkten als in seinen Rechten verletzt:
1) durch die volle Anrechnung des Barvermächtnisses in Höhe von S 4,359.250,--;
2) bei der Berechnung des Progressionsvorbehalts durch die Ansetzung des vollen Verkehrswertes der in der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Liegenschaft anstatt des halben Einheitswertes des Grundstückes.
Der Beschwerdeführer beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde erstatteten hiezu unaufgefordert je einen weiteren Schriftsatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 18 ErbStG ist für die Wertermittlung, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend. Nach § 19 Abs. 1 leg. cit. richtet sich die Bewertung - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).
Zu 1) des Beschwerdepunktes:
Gemäß § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 sind Kapitalforderungen, die nicht im § 13 bezeichnet sind, und Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle bleiben Forderungen, die uneinbringlich sind, außer Ansatz. Bei Forderungen oder Schulden ist daher die Bewertung mit dem Nennwert die Regel, von der nur in Ausnahmsfällen - nämlich wenn besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen - eine Abweichung zulässig ist. Als "besondere Umstände" sind solche anzusehen, die vom Normalfall - gemessen an den im Wirtschaftsleben durchschnittlich geltenden Konditionen - erheblich abweichen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. April 1974, 1093/73,Slg. Nr. 4677/F).
Solche besondere Umstände liegen zum Beispiel dann vor, wenn eine Forderung uneinbringlich ist; diesfalls bleibt sie - wie § 14 Abs. 2 Bewertungsgesetz 1955 ausdrücklich anordnet gänzlich außer Ansatz. Uneinbringlich ist eine Forderung, wenn aus irgendwelchen Gründen nicht mehr mit ihrem Eingang gerechnet werden kann, zum Beispiel Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse, Leistung des Offenbarungseides, Verjährung. Als weitere Gründe, aus denen von der Bewertung mit dem Nennwert abgewichen werden kann, werden unter anderem die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel oder eine besonders hohe oder niedrige Verzinslichkeit einer Schuld genannt (vgl. hiezu Twaroch-Wittmann-Frühwald, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 8. Ergänzungslieferung Jänner 1989 bzw. 7. Ergänzungslieferung Oktober 1985, Seite 97 ff).
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die in Rede stehende Forderung im Sinne obiger Ausführungen zum Bewertungsstichtag (Todestag des Erblassers) uneinbringlich gewesen wäre. Er vertritt vielmehr die Auffassung, Gegenstand des Rechtsstreites zwischen den Damen R und B einerseits, Frau AH bzw. deren Rechtsnachfolger andererseits sei der Umstand gewesen, dass FB am 14. Dezember 1965 ein umfassendes Testament errichtet habe, von dem die Damen R und B unter Anführung gewichtiger Argumente behauptet hätten, der Erblasser habe mit diesem Testament die frühere letztwillige Verfügung vom 9. Juni 1958 stillschweigend aufgehoben. Der Rechtsstreit sei "auf des Messers Schneide" gestanden. Die für die "Seite H" zunächst bestandene geringe Erfolgsaussicht ergebe sich besonders aus der Tatsache, dass der deutsche Bundesgerichtshof anlässlich seiner erstmaligen Befassung mit der Sache das vorangegangene Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart, das zu Gunsten der "Seite H" ergangen war, aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuerlichen Verhandlung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen habe. Dabei sei auf Grund der vom Bundesgerichtshof vertretenen Rechtsansicht durchaus nicht klar gewesen, dass die "Seite H" den Rechtsstreit im weiteren Verlauf noch gewinnen würde. Es lägen daher unter Bedachtnahme auf den Prozessverlauf und die gegebenen Prozessaussichten besondere Umstände vor, die zufolge § 13 (richtig: 14) Bewertungsgesetz 1955 eine Bewertung der Forderung (Barlegat) mit dem Nennwert ausschlössen.
In seiner Äußerung vom 18. August 1988 führt der Beschwerdeführer weiters aus, dass die Frage, ob die "Seite H" bei vernünftiger Betrachtung der Dinge eine rechtliche Ungewissheit in Bezug auf die Ansprüche aus der letztwilligen Verfügung vom 9. Juni 1958 habe annehmen dürfen, nach der Situation unmittelbar nach Eintritt des Erbfalls zu beantworten sei. In diesem Zeitpunkt sei die fortbestehende Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung vom 9. Juni 1958 aber von den (Mit)Erbinnen R und B bestritten gewesen. Es sei außerdem die Erfüllung der Vermächtnisansprüche bis zum Jahre 1983 verweigert worden.
Schließlich sei selbst das Finanzamt Stuttgart Körperschaften bei der erstmaligen Veranlagung des Erbfalles davon ausgegangen, dass die letztwillige Verfügung vom 9. Juni 1958 durch das spätere Testament vom 14. Dezember 1965 aufgehoben und daher unwirksam sei. Angesichts all dieser Tatumstände habe die "Seite H" daher annehmen müssen, dass die Durchsetzbarkeit der Vermächtnisansprüche mit gravierenden Zweifeln belastet sei. Diese "ex tunc"-Betrachtung rechtfertige aber jedenfalls einen Abschlag nach § 14 Abs. 1 BewG.
Die belangte Behörde widerspricht dieser Auffassung in ihrer Gegenschrift und führt hiezu aus, mit dem Bestreiten des Vermächtnisanspruches werde lediglich in Frage gestellt, ob der Vermächtnisanspruch bestehe oder nicht, mit anderen Worten, ob der Anspruch geltend gemacht werden dürfe oder nicht. Diese Frage habe keine Auswirkung auf den Wert des Anspruches. Werde z.B. die Bezahlung einer Forderung mit dem Argument bestritten, dass die der Forderung zugrundeliegende Leistung nicht erbracht worden sei und somit gar keine Forderung bestehe, so lasse diese Frage den Wert der Forderung unberührt. Werde diese Forderung vom Gericht als bestehend anerkannt, weil die Bestreitung zu Unrecht erfolgte, dann sei die Forderung zu erfüllen. Der Wert der Forderung habe durch das Bestreiten keine Änderung erfahren.
Zur Untermauerung dieser Ansicht beruft sich die belangte Behörde zwar zu Unrecht auf das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zlen. 87/16/0009, 0011, in dem es ausschließlich um die Frage der Uneinbringlichkeit einer Forderung ging.
Dennoch schließt sich der VwGH der Auffassung der belangten Behörde an. Tatsächlich lässt ja der Umstand, dass eine Forderung dem Grunde nach bestritten wird, deren Höhe (und damit auch deren "Wert") unberührt. Besteht der Einwand zu Recht, dann hatte von Anfang an keine Forderung existiert, deren "Wert" hätte festgestellt werden können Erweist sich die Bestreitung jedoch als unbegründet, dann ist die Forderung mit ihrem vollen Werte existent. Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass das hg. Erkenntnis vom 26. März 1958, Zl. 2824/55, einen, insofern anders gelagerten Fall betraf, als es damals um die Bewertung von Forderungen im Rahmen des Betriebsvermögens nach § 12 BewG ging.
Nicht anders ist auch die Rechtsprechung des deutschen Reichsfinanzhofes bzw. Bundesfinanzhofes zu verstehen, auf die sich der Bfr durch seinen Hinweis auf den Kommentar von Troll u. a., Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz14, Seite 133, indirekt beruft. So hat der Reichsfinanzhof in seinem Urteil vom 10. Februar 1938, III 215/37, RStBl. 1938, S. 537, ausgeführt:
"Umstände, die für den Bestand und die Bewertung von Forderungen und Schulden von Bedeutung sind und am Stichtag bereits vorhanden waren, aber erst nach dem Stichtag bekannt geworden sind, müssen dann bei der Einheitswertfeststellung berücksichtigt werden, wenn sie durch eine Prüfung der in Betracht kommenden Verhältnisse am Stichtag hätten festgestellt werden können. Dies widerspricht nicht dem Grundsatz der Stichtagsbewertung, denn hierbei kommt es darauf an, den objektiv richtigen Wert für den Stichtag festzustellen. Ist eine Forderung oder eine Schuld am Stichtag zweifelhaft, so muss eine nach dem Stichtag eingetretene Klärung der Verhältnisse bei der Bewertung der Forderung oder der Schuld auf den Stichtag berücksichtigt werden."
In seinem Urteil vom 26. November 1943, III 60/43, RStBl. 1944, 147, hat der Reichsfinanzhof daran angeknüpft, dass am Todestag der Erblasserin noch zweifelhaft war, ob der damals gegenständliche Anspruch überhaupt oder jedenfalls in der angegebenen Höhe bestanden habe. Weiters heißt es dort:
"Für solche Fälle gilt die Vorschrift des § 100 Absatz 1 AO. Danach kann das FA bis zur Klarstellung der Sach- und Rechtslage die Veranlagung aussetzen oder die Steuer zunächst vorläufig festsetzen und dann die Steuerfestsetzung nach Behebung der Ungewissheit berichtigen. Das kann nur den Sinn haben, dass bei der endgültigen Veranlagung oder der nach Aufhebung der Aussetzung vorzunehmenden Veranlagung die umstritten gewesene Forderung mit dem Wert anzusetzen ist, den sie am Stichtag ohne Berücksichtigung der Ungewissheit ihres Bestehens gehabt hat. Da es sich bei der Vorschrift des § 100 Abs. 1 AO um eine Kannvorschrift handelt, muss dem Finanzamt aber noch eine andere Möglichkeit in der Behandlung solcher Fälle offen stehen. Diese Möglichkeit besteht darin, dass die Forderung sofort und endgültig mit dem Wert angesetzt wird, der ihr nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit ihres Bestehens am Stichtag beizumessen ist. Liegt der Fall so, dass am Stichtag Ungewissheit über das Bestehen einer Forderung bestand, diese Ungewissheit aber im Zeitpunkt der Veranlagung beseitigt ist, so ist kein Anlass für eine Aussetzung der Veranlagung oder vorläufige Veranlagung mehr vorhanden ..."
Der Bundesfinanzhof ist dieser Auffassung gefolgt (vgl. die Urteile vom 5. April 1968, III 235/64, BStBl. 1968 II S. 768, und vom 20. Juli 1973, III R 115/72, BStBl. 1973 II S. 697, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Er hat in dem zuerst genannten Urteil lediglich in Ausnahmsfällen die Möglichkeit anerkannt, eine Schadensersatzforderung (um die es sich damals handelte) mit einem Wert anzusetzen, der nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit in der Durchsetzbarkeit nach den Verhältnissen vom Bewertungsstichtag zu schätzen sei.
Sieht man von der zuletzt genannten, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes übrigens systemwidrigen Einschränkung ab, so geht daraus hervor, dass auch nach der zitierten Judikatur des Reichs- bzw. Bundesfinanzhofes der Wert einer bestrittenen Forderung jedenfalls dann, wenn im Zeitpunkt der Veranlagung keine Ungewissheit mehr bestand, mit jenem Betrag anzusetzen ist, den sie am Stichtag ohne Berücksichtigung der Ungewissheit ihres Bestehens gehabt hat. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an.
Genau dieser Sachverhalt liegt im Beschwerdefall vor, weil der in letzter Instanz ergangene Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 7. Juli 1982 datiert, während der Erbschaftssteuerbescheid erster Instanz das Datum vom 23. Februar 1987 trägt. Ob für den österreichischen Rechtsbereich die Möglichkeit einer sofortigen, endgültigen Schätzung der Forderung nach der Wahrscheinlichkeit ihres Bestehens denkbar gewesen wäre, braucht somit auch vom Standpunkt des Beschwerdeführers aus nicht mehr geprüft zu werden.
Zu bemerken bleibt in diesem Zusammenhang, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1961, Zl. 1295/60, Slg. Nr. 2502/F, das von Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 2, Seite 212, zur Stützung der Auffassung herangezogen wird, eine solche Schätzung sei zulässig, diese Auffassung nicht zu decken vermag. Mit den Worten "Zweifelhafte Forderungen sind nach ihrem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche Forderungen abzuschreiben." zitiert nämlich das genannte Erkenntnis lediglich den Wortlaut des § 40 Abs. 3 HGB, ohne damit jedoch zum Ausdruck zu bringen, dass die Bewertungsregeln dieser Gesetzesstelle auch bei einer Bewertung nach § 14 Abs. 1 BewG anzuwenden wären. Der Verwaltungsgerichtshof hat damals lediglich dargetan, dass dann, wenn eine Forderung in einer handelsrechtlichen Bilanz (damals: Schillingeröffnungsbilanz) zum vollen Wert angesetzt worden war, daraus der Schluss gezogen werden dürfe, dass die Forderung im Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht uneinbringlich gewesen sei. Von allem anderen abgesehen, handelte es sich also damals gar nicht um eine bestrittene Forderung. Im übrigen hat auch schon der Reichsfinanzhof ausgesprochen, dass die Vorschriften des Reichsbewertungsgesetzes nicht auf die Grundsätze der ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung abstellen (Urteil vom 23. November 1928, I A 45/28, RStBl. 1929, 75, sowie das bereits erwähnte Urteil vom 10. Februar 1938).
Insoweit der Beschwerdeführer auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 1. September 1961, III 15/60 U, BStBl. 1961
III S. 493, verweist, wonach Schwierigkeiten in der Beurteilung einer Rechtsfrage für sich allein kein "besonderer Umstand" nach § 14 BewG seien und daher der Bewertung einer Kapitalforderung keinen Abschlag vom Nennwerte rechtfertigten, ist zu bemerken, dass jener Fall insofern anders gelagert war, als damals keine bestrittene Forderung vorlag. Auf die weiters daran geknüpften Erörterungen des Beschwerdeführers braucht daher nicht eingegangen zu werden. Immerhin enthält die Veröffentlichung gleichfalls den Rechtssatz:
"Für die Bewertung kommt es auf die objektive Rechtslage am Stichtage an."
Der Beschwerdeführer bringt schließlich in seiner Äußerung vom 18. August 1988 noch vor, durch die Weigerung der Miterbinnen, die streitigen Vermächtnisansprüche ganz oder teilweise zu erfüllen, seien sowohl A als auch VH zu Lebzeiten nicht mehr in den Genuss der Vermächtnisse gekommen.
Dem ist zu erwidern, dass auch dieser Umstand keine andere Beurteilung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage erlaubt. Denn es kommt - wie erwähnt - auf den Wert des Vermächtnisses zum Todestag des Erblassers an. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch weder die Dauer des Rechtsstreites vor den deutschen Zivilgerichten noch die Lebensdauer von A und VH abzusehen.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass keine besonderen Umstände im Sinn des § 14 Abs. 1 BewG vorliegen, die einen geringeren Wert der Forderung begründen würden.
Zu 2) des Beschwerdepunktes:
Der Beschwerdeführer vertritt hiezu die Rechtsmeinung, dass im Zusammenhang mit dem Progressionsvorbehalt das streitgegenständliche Grundstück nicht mit dem Verkehrswert, sondern mit dem (deutschen) Einheitswert anzusetzen sei. Die Höhe des von der belangten Behörde angenommenen Verkehrswertes wird nicht bekämpft.
Der Beschwerdeführer führt aus, er verkenne nicht, dass zufolge § 19 Abs. 2 ErbSt der Einheitswert nur für inländische Grundstücke von Bedeutung ist und dass im Zug einer (inländischen) Besteuerung ausländischen Grundbesitzes gemäß § 26 BewG 1955 der gemeine Wert heranzuziehen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 88/16/0094, unter Hinweis auf Vorjudikatur dargetan, aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des § 19 Abs. 1 und 2 ErbStG sowie der §§ 10 und 26 BewG 1955 ergebe sich, dass bei der Bewertung des Nachlasses ausländische Grundstücke - abgesehen davon, dass nicht jeder Staat den Begriff des Einheitswertes kennt - nicht mit dem jeweiligen Einheitswert bzw. mit dem jeweils von diesem abgeleiteten Wert, sondern mit dem jeweiligen Verkehrswert (gemeiner Wert) zum Ansatz zu bringen sind.
Der Beschwerdeführer verweist jedoch auf das Abkommen vom 4. Oktober 1954, BGBl. Nr. 220/1955, zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern (DBA), und insbesondere auf dessen Art. 7, wonach dieses Abkommen nicht ausschließt, dass jeder Staat die Steuer von dem ihm zur Besteuerung überlassenen Teil des Nachlassvermögens oder Erwerbs nach dem Satz erheben kann, der dem Wert des gesamten Nachlasses oder des gesamten Erwerbs entspricht (so genannter Progressionsvorbehalt). Nach Auffassung des Beschwerdeführers könne der in Art. 7 DBA auf den Wert des Nachlasses bzw. Erwerbs abgestellte Progressionsvorbehalt nur so verstanden werden, dass Wert jene Größe sei, die nach den Bewertungsvorschriften jedes der beiden Länder für die dem einzelnen Staat zur Besteuerung zugewiesenen Sachen zu errechnen sei. Der Wert des gesamten Nachlasses bzw. Erwerbs könne nach dem DBA nicht verschieden sein, je nachdem, ob man diesen nach österreichischen oder bundesdeutschen Bewertungsvorschriften ermittle. Es könne sich nur um einen und denselben Wert handeln, den Art. 7 DBA im Auge habe. Mit der Zuweisung des Besteuerungsrechtes an den einen Staat sei dem anderen Staat für Zwecke des Progressionsvorbehalts die Anwendung eigener Bewertungsregeln verboten.
Der Verwaltungsgerichtshof kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Wie er gleichfalls in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zl. 88/16/0094, dargetan hat, soll - wie sich aus Art. 1 DBA ergibt - durch dieses Abkommen vermieden werden, dass der Erwerb von Nachlassvermögen in beiden Staaten zur Erbschaftssteuer herangezogen wird. Das DBA enthält eine Aufteilung, welcher Staat von den beiden Vertragsstaaten für die Besteuerung des Erwerbes von bestimmten Nachlassgegenständen zuständig ist. Bewertungsvorschriften enthält das DBA nicht. Vielmehr hat jeder der Vertragsstaaten die Bewertung nach seinen eigenen Bewertungsvorschriften vorzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch die Meinung der damaligen Beschwerdeführerin, die Bestimmungen des DBA derogierten jenen des österreichischen Erbschaftssteuergesetzes, als verfehlt abgelehnt.
Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Meinung schließt Art. 7 DBA nicht aus, dass der unter den Progressionsvorbehalt fallende Nachlass in den beiden vertragschließenden Staaten jeweils verschieden bewertet wird. Da jeder der Vertragsstaaten die Bewertung nach seinen eigenen Bewertungsvorschriften vorzunehmen hat, kann auch keine Rede davon sein, dass mit der Zuweisung des Besteuerungsrechtes an den einen Staat dem anderen Staat für Zwecke des Progressionsvorbehalts die Anwendung eigener Bewertungsregeln verboten wäre.
Die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhalts haftet dem angefochtenen Bescheid daher nicht an. Aber auch die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor, weil es nach dem Gesagten weder auf den detaillierten Verfahrensverlauf im Rechtsstreit zwischen AH und den Erbinnen nach FB noch auf den Einheitswert der in Deutschland gelegenen Liegenschaft ankommt.
Der Vollständigkeit halber sei noch auf Folgendes hingewiesen:
Gemäß § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Die Abgabenschuld geht auf den gesamten Rechtsnachfolger dann über, wenn der Abgabenanspruch vor dem die Gesamtrechtsnachfolge bewirkenden Ereignis (z.B. Tod) entstanden ist. Nach dem Tod des Erblassers ist ein Bescheid über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft (vertreten durch den Verlassenschaftskurator, Erbenmachthaber oder erbserklärten Erben) zu richten, erst nach Einantwortung jedoch an die Erben als Rechtsnachfolger des Abgabepflichtigen (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch S. 42, sowie die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1965, Zl. 799 bis 801/64, Slg. Nr. 3232/F, vom 25. April 1969, Zl. 685/68 - diesbezüglich in Slg. Nr. 3898/F nicht veröffentlicht -, und vom 15. Jänner 1974, Zl. 636/73, Slg. Nr. 4631/F).
Im vorliegenden Verfahren ist wohl die Abgabenschuld durch Gesamtrechtsnachfolge von AH auf VH und von dieser auf LH übergegangen. Es widersprach jedoch dem Gesetz, vor Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens nach LH (genauer: vor Einantwortung von dessen Verlassenschaft an den Beschwerdeführer) den im Instanzenzug ergangenen Abgabenbescheid gegen den Beschwerdeführer anstatt gegen die Verlassenschaft nach LH zu erlassen. Allerdings ist dieser Umstand vom oben wiedergegebenen, klar formulierten Beschwerdepunkt nicht umfasst. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.
Wien, am 12. Oktober 1989
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