Normen
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
ForstG 1975 §68 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §68 Abs1;
ForstG 1975 §68 Abs2 idF 1987/576;
ForstG 1975 §68 Abs2;
ForstG 1975 §68 Abs3 lita idF 1987/576;
ForstG 1975 §68 Abs3 lita;
ForstG 1975 §68 Abs3 litb;
ForstG 1975 §70 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §70 Abs1;
ForstG 1975 §70 Abs2 idF 1987/576;
ForstG 1975 §70 Abs2;
ForstG 1975 §70 Abs4 idF 1987/576;
ForstG 1975 §70 Abs4;
VwRallg;
AVG §1;
AVG §6 Abs1;
ForstG 1975 §68 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §68 Abs1;
ForstG 1975 §68 Abs2 idF 1987/576;
ForstG 1975 §68 Abs2;
ForstG 1975 §68 Abs3 lita idF 1987/576;
ForstG 1975 §68 Abs3 lita;
ForstG 1975 §68 Abs3 litb;
ForstG 1975 §70 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §70 Abs1;
ForstG 1975 §70 Abs2 idF 1987/576;
ForstG 1975 §70 Abs2;
ForstG 1975 §70 Abs4 idF 1987/576;
ForstG 1975 §70 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 20. Mai 1988 genehmigte die Bezirkshauptmannschaft XY (BH) gemäß § 70 Abs. 4 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 (FG), die von der "Bringungsgenossenschaft N (freiwillige Genossenschaft)" am 1. Dezember 1987 beschlossene Satzung.
Zur Begründung führte die Erstinstanz im wesentlichen folgendes aus: Den Aktenunterlagen, insbesondere der Verhandlungsniederschrift vom 1. Dezember 1987, der Stellungnahme der Bezirksforstinspektion ohne Datum, den Eingaben des nunmehrigen Beschwerdeführers und des Mag. AM vom 19. Jänner 1988 bzw. vom 25. März 1988 sowie den schriftlichen Zustimmungserklärungen sei zu entnehmen, dass sich am 1. Dezember 1987 der Beschwerdeführer, Mag. AM und FK zum Zweck der Errichtung und Erhaltung der gegenständlichen Weganlage freiwillig zur Bringungsgenossenschaft N zusammengeschlossen hätten. Aktenkundig sei weiters, dass anlässlich der Verhandlung am 1. Dezember 1987 die Trasse des geplanten Forstweges erläutert und ein Plan für das Wegeprojekt vorgelegt worden sei; der Vertreter der Bezirksforstinspektion XY habe noch ergänzend darauf hingewiesen, dass die Wegtrasse im Herbst 1987 dem Beschwerdeführer auch in der Natur gezeigt worden sei. Darüber hinaus stehe fest, dass bei der genannten Verhandlung vom Vertreter der Bezirksforstinspektion den Interessenten der Inhalt der Satzung vorgelesen und die Anerkennung der Satzung vereinbart worden sei. Zugleich seien die Organe der Genossenschaft bestellt worden. Der Beschwerdeführer, der sich mit der Errichtung der Bringungsanlage N mit Zubringer laut Projekt der Bezirksforstinspektion ausdrücklich einverstanden erklärt habe, habe außerdem seine Bereitschaft zur Leistung eines Baukostenzuschusses in der Höhe von S 25.000,-- erklärt, die Tragung weiterer Kosten, z.B. für die Wegerhaltung, jedoch abgelehnt. Mit dem erwähnten Schreiben vom 19. Jänner 1988 habe der Beschwerdeführer der Bezirksforstinspektion mitgeteilt, dass er das bei der Verhandlung vom 1. Dezember 1987 erzielte Übereinkommen widerrufe und er seine Unterschrift zurückziehe; er habe dazu vorgebracht, zur Unterschriftsleistung gedrängt worden zu sein, die Unterfertigung durch ihn sei unter Vorgabe falscher Tatsachen zu Stande gekommen.
In rechtlicher Hinsicht sei einerseits zu beurteilen gewesen, ob eine Genossenschaft durch freiwillige Übereinkunft aller Beteiligten (freiwillige Genossenschaft) i.S. des § 68 Abs. 3 lit. a FG gebildet worden sei, anderseits zu prüfen gewesen, ob die Satzung ordnungsgemäß beschlossen worden sei, und ob der Inhalt derselben nicht den Bestimmungen des Forstgesetzes, insbesondere dem § 70 Abs. 2, widerspreche. Die vorgelegte Satzung entspreche durchaus den Mindesterfordernissen der vorzitierten Gesetzesstelle (was im einzelnen erläutert wird). Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei auf Grund der Erklärung des Vertreters der Bezirksforstinspektion XY sowie der weiteren vorhandenen Aktenunterlagen davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer der Sachverhalt in allen wesentlichen Belangen bekannt gewesen sei und er sowohl die Verhandlungsschrift vom 1. Dezember 1987 als auch die Zustimmungserklärung mit gleichem Datum jeweils mit dem Bemerken unterfertigt habe, einen Baukostenzuschuss zur Errichtung der Weganlage zu leisten, nicht jedoch auch Kosten für die Wegerhaltung zu übernehmen. Demnach habe sich der Beschwerdeführer im klaren darüber gewesen sein müssen, was er unterfertige. Wenn er nunmehr das Gegenteil behaupte und sogar von einer Nötigung spreche, so stehe dies in Widerspruch zum Ermittlungsergebnis. Nach Auffassung der Erstbehörde könne daher die Frage, ob eine freie Übereinkunft zur Bildung der Bringungsgenossenschaft N zu Stande gekommen sei, durchaus bejaht werden. Da in Bezug auf die Satzung die Voraussetzungen des § 70 Abs. 4 FG erfüllt seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Tirol (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 27. Juli 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab.
In der Begründung ihres Bescheides schloss sich die belangte Behörde in allen wesentlichen Punkten den Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides an, wobei sie in rechtlicher Hinsicht folgende Überlegungen hinzufügte: Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe der Genossenschaftsbildung nicht freiwillig zugestimmt, sondern sei dazu überredet worden, müsse entgegengehalten werden, dass sich keine Anhaltspunkte ergeben hätten, wonach er die Übereinkunft nicht freiwillig abgeschlossen habe. Laut glaubwürdiger Aussage des Leiters der Bezirksforstinspektion XY, der bei der Verhandlung am 1. Dezember 1987 das Protokoll geführt habe, sei die nunmehrige Haltung des Beschwerdeführers auf gewisse Differenzen mit den zwei anderen Interessenten zurückzuführen und als reine Schutzbehauptung zu werten, um die Nichteinhaltung der in der Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen zu begründen. Auch das Argument, er sei bereits 77 Jahre alt, könne nicht berücksichtigt werden, da der Beschwerdeführer voll geschäftsfähig sei und er daher für sein Handeln voll einzustehen habe. Zudem wäre es ihm freigestanden, eine Vertrauensperson zur Verhandlung mitzunehmen oder einen bevollmächtigten Vertreter zu entsenden, wenn er sich nicht mehr in der Lage gesehen hätte, seine Interessen selbst wahrzunehmen. Der Einwand des Beschwerdeführers, das Projekt sei anlässlich der Verhandlung nicht ausführlich erläutert, und die Wegtrasse nicht begangen worden, sei nicht geeignet, das Zustandekommen der Bringungsgenossenschaft in Frage zu stellen, da das Forstgesetz über das Zustandekommen der freien Übereinkunft keine näheren Bestimmungen enthalte, es also bei den Interessenten selbst liege, wie und in welcher Form sie sich über den Inhalt der Übereinkunft klar würden. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Genossenschaft erst mit Rechtskraft des die Satzung genehmigenden Bescheides Rechtspersönlichkeit erwerbe und vor diesem Zeitpunkt die freie Übereinkunft eine nach privatrechtlichen Normen zu beurteilende Vereinbarung sei. Was die Satzung anlange, so habe bereits die Erstbehörde zu Recht bejaht, dass den Erfordernissen des § 70 Abs. 2 FG entsprochen worden sei; dies sei vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Unzutreffend sei die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe die Satzung nicht unterfertigt; er übersehe hiebei, dass bereits mit der Unterschrift auf dem Protokoll die Satzung mitanerkannt worden sei (vgl. Seite 3 drittletzter Absatz der Satzung). Die belangte Behörde sei somit wie die Erstinstanz der Meinung, dass anlässlich der Bildung der Genossenschaft von den Interessenten auch eine Satzung i.S. des § 70 FG beschlossen worden sei.
3. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die belangte Behörde die Bestimmungen der §§ 68 Abs. 3 lit. a sowie 70 Abs. 1 und 2 FG unrichtig angewendet habe. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet. Der Beschwerdeführer hat auf beide Gegenschriften repliziert.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 68 Abs. 1 FG in der Fassung der Forstgesetz-Novelle 1987, BGBl. Nr. 576, können sich Grundeigentümer, auch unter Teilnahme von Nutzungsberechtigten gemäß § 32, als Beteiligte zur gemeinsamen Errichtung, Erhaltung und Benützung von Bringungsanlagen, die über ihre Liegenschaften führen oder sie erschließen, zu einer Bringungsgenossenschaft zusammenschließen (kurz Genossenschaft genannt). Nach § 68 Abs. 2 leg. cit. sind zur Bildung einer Genossenschaft mindestens drei Beteiligte erforderlich. Abs. 3 lit. a dieses Paragraphen sieht vor, dass eine Genossenschaft durch freie Übereinkunft aller Beteiligten (freiwillige Genossenschaft) und Genehmigung der Satzung (§ 70 Abs. 4) gebildet werden kann.
Nach § 70 Abs. 1 FG hat die Satzung die Tätigkeit der Genossenschaft zu regeln. Sie ist von den Mitgliedern einer freiwilligen Genossenschaft zugleich mit der freien Übereinkunft zu beschließen. § 70 Abs. 2 leg. cit. normiert in Form einer demonstrativen Aufzählung die Regelungsinhalte der Satzung. Gemäß § 70 Abs. 4 leg. cit. ist die Satzung durch Bescheid von der Behörde zu genehmigen, wenn sie den Bestimmungen dieses Paragraphen oder den sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht widerspricht. Mit Eintritt der Rechtskraft des Bescheides erlangt die Genossenschaft Rechtspersönlichkeit.
2. § 68 Abs. 3 lit. a FG in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987 bringt klar zum Ausdruck, dass für die Bildung einer freiwilligen Genossenschaft zwei Akte erforderlich sind:
Einerseits ein Beschluss ("freie Übereinkunft") der Beteiligten (mit dem zugleich eine Satzung zu beschließen ist; § 70 Abs. 1 FG), anderseits der die Satzung genehmigende Bescheid der Forstbehörde. Aus § 70 Abs. 4 zweiter Satz FG ergibt sich, dass die Genossenschaft als solche erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des die Satzung betreffenden Genehmigungsbescheides rechtlich existent wird. Damit die Behörde in die Lage versetzt wird, in rechtlich einwandfreier Weise den die Genossenschafts-Bildung abschließenden Genehmigungsbescheid zu erlassen, bedarf es eines darauf abzielenden Antrages der Proponenten an die Behörde. Ohne Vorliegen eines auf Genehmigung der Satzung gerichteten rechtswirksamen Antrages aller an der Bildung der freiwilligen Genossenschaft Beteiligten mangelt es der Behörde an der (funktionellen) Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung, d.h. zur Erlassung eines die Genehmigung aussprechenden oder eine solche versagenden Bescheides. Dies gilt auch für jene Fälle, in denen mehr als drei Beteiligte, also mehr als die vom Gesetz vorgesehene Mindestanzahl an Proponenten, beschlossen haben, eine freiwillige Genossenschaft zu bilden, da sich die Genehmigung einer Satzung und damit der Bildung einer freiwilligen Genossenschaft jeweils nur auf eine bestimmte Genossenschaft mit jeweils bestimmten Mitgliedern bezieht.
3.1. Mit der Rechtsrüge macht der Beschwerdeführer geltend, dass es hinsichtlich seiner Person "der freien Übereinkunft und Genehmigung der Satzung im Sinne des § 68 Abs. 2 (richtig: Abs. 3) lit. a Forstgesetz 1975 mangelt". Er begründet dies einerseits mit Mängeln der Willenserklärung sowie damit, dass die Satzung von ihm nicht unterfertigt worden sei. Von einem freiwilligen Beitritt zur Bringungsgenossenschaft könne demnach nicht gesprochen werden. Schließlich weist der Beschwerdeführer noch darauf hin, dass er im Hinblick auf das Zustandekommen seines Beitrittes "unter falschen Voraussetzungen" mit Schreiben vom 19. Jänner 1988 der Forstbehörde erster Instanz gegenüber seine Einwilligung bzw. seinen Beitritt zur Genossenschaft zurückgezogen habe.
3.2. Es kann dahinstehen, ob eine gültige "freie Übereinkunft" zur Bildung einer Genossenschaft zu Stande gekommen ist. Dies deshalb, weil selbst dann, wenn diese Frage zu bejahen wäre, nicht darüber hinweggegangen werden könnte, dass der Beschwerdeführer mit an die Bezirksforstinspektion XY adressiertem Schreiben vom 19. Jänner 1988 (bei der BH eingelangt am 22. Jänner 1988) unter Bezugnahme auf die am 1. Dezember 1987 stattgefundene Verhandlung betreffend den freiwilligen Zusammenschluss dreier Interessenten (darunter der Beschwerdeführer) zur Bringungsgenossenschaft N ausdrücklich erklärte, seine "Unterschrift zu obigem Projekt (zurückzuziehen)". Denn auch bei Zutreffen der von den Behörden beider Rechtsstufen übereinstimmend vertretenen Ansicht, die freie Übereinkunft im Sinne des § 68 Abs. 3 lit. b FG in der Fassung BGBl. Nr. 576/1987 sei ebenso wie die Satzung durch die eigenhändige Unterfertigung der Verhandlungsniederschrift vom 1. Dezember 1987 durch den Beschwerdeführer von diesem mitbeschlossen worden, mit der Folge, dass beide Beschlüsse gültig zu Stande gekommen seien, musste die "Zurückziehung der Unterschrift" durch den Beschwerdeführer dahingehend als rechtlich relevant gedeutet werden, dass der Beschwerdeführer seinen gemeinsam mit Mag. AM und FK gestellten Antrag auf Genehmigung der Satzung zurückgezogen habe, war doch das Unterfertigen der Niederschrift vom 1. Dezember 1987 der sichtbare Ausdruck auch der Stellung des für die forstbehördliche Genehmigung der Satzung unabdingbaren diesbezüglichen Antrages der Proponenten. Mit dem bei der BH am 22. Jänner 1988 eingelangten Widerruf des Genehmigungsantrages durch den Beschwerdeführer aber lag der Erstinstanz ab diesem Zeitpunkt im Lichte der vorstehenden Ausführungen (oben II.2.) - kein rechtswirksames Begehren auf bescheidmäßige Genehmigung der Satzung vor. (Die vom Leiter der Bezirksforstinspektion am 12. April 1988 an die BH gerichtete "Bitte", die Satzung zu genehmigen, konnte keinesfalls als Antragstellung, vielmehr bloß als Weiterleitung des - zu diesem Zeitpunkt lediglich von zwei Beteiligten gestellten und damit unwirksamen - Antrages auf Genehmigung der Satzung angesehen werden.) Mangels Vorliegens einer wesentlichen Voraussetzung war es daher der BH ab 22. Jänner 1988 verwehrt, einen die Genehmigung der Satzung aussprechenden Bescheid zu erlassen.
4. Da die belangte Behörde dies nicht erkannte und die Berufung des Beschwerdeführers nicht zum Anlass nahm, die (funktionelle) Unzuständigkeit der Erstbehörde aufzugreifen, belastete sie ihren Bescheid im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 27. Februar 1989
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