Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der näheren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1976, Zlen. 1114, 1308, 1309/75, 29. April 1981, Zl. 2714/78 sowie 19. Dezember 1984, Zl. 82/09/0075 und Zl. 82/09/0076, verwiesen.
Der im Jahre 1922 geborene Beschwerdeführer bezieht auf Grund des rechtskräftigen Bescheides der belangten Behörde vom 3. März 1971 die Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. Als Dienstbeschädigung (DB) wurden dabei insgesamt elf verschiedene Leidenszustände anerkannt, davon als Dienstbeschädigung 5 "Geringe Schädigung des linken Nervus ulnaris", als Dienstbeschädigung 6 "Geringe Schädigung des Nervus radialis" und als Dienstbeschädigung 9 "Interkostalneuralgie links".
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. November 1973 wurde unter anderem ausgesprochen, daß auf Antrag des Beschwerdeführers als Dienstbeschädigung "Narben an der rechten Fußsohle" gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) anerkannt werden. Der Bescheid ist hinsichtlich dieses Abspruches in Rechtskraft erwachsen.
Bereits am 27. Mai 1967 hatte der Beschwerdeführer den Antrag auf Gewährung der Schwerstbeschädigtenzulage nach § 11a KOVG 1957 gestellt.
Mit (einem weiteren) Bescheid vom 27. November 1973 wies das Landesinvalidenamt diesen Antrag des Beschwerdeführers ab. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. Mai 1975 keine Folge. Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. November 1976, Zlen. 1114, 1308, 1309/75, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Den in der Folge ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. September 1978, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers neuerlich keine Folge gegeben worden war, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. April 1981, Zl. 2714/78, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Den Bescheid der belangten Behörde vom 13. Mai 1982, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers wiederum keine Folge gegeben worden war, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Dezember 1984, Zl. 82/09/0076, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Nach den Entscheidungsgründen ergebe sich aus dem Bescheid vom 13. Mai 1982 nicht, auf welches ärztliche Gutachten sich die Feststellung der Abheilung der DB 5, 6 und 9 gründe und mit welchem Zeitpunkt die Abheilung dieser Gesundheitsschädigungen anzunehmen sei. Ferner enthalte der angefochtene Bescheid lediglich die Aufzählung der sich aus dem Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 27. November 1973 ergebenden neubezeichneten Gesundheitsschädigungen, nicht aber die bei der Anwendung des § 11a KOVG 1957 entscheidungswesentliche, durch die einzelnen Dienstbeschädigungsleiden bewirkte MdE.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 1986 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den - offensichtlich unrichtig als Bescheid vom "5. September 1978" bezeichneten - erstinstanzlichen Bescheid (richtig wohl: vom 27. November 1973) teilweise Folge gegeben und dieser Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahin abgeändert, daß entsprechend dem Antrag vom 29. (richtig:
27. Mai 1967 gemäß § 11a Abs. 4 lit. a KOVG 1957 mit Wirkung vom 1. Juli 1967 bis 31. Oktober 1973 eine Schwerstbeschädigtenzulage zuerkannt werde. Für die Zeit ab 1. November 1973 wurde der Bescheid der ersten Instanz hingegen bestätigt. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurden ferner die dem Beschwerdeführer vom 1. Juli 1967 bis 31. Oktober 1973 zuerkannten Leistungen näher aufgeschlüsselt.
In der Begründung nahm die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984 Bezug, in dem unter Zitierung von Vorjudikatur darauf hingewiesen worden sei, daß eine anerkannte Dienstbeschädigung, die abgeheilt sei, nicht mehr bei der Gewährung bzw. Bemessung der Schwerstbeschädigtenzulage zu berücksichtigen sei. Nach neuerlicher Prüfung der Berufungsangelegenheit sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, daß für die Bestimmung des Abheilungszeitpunktes der Leiden "Geringe Schädigung des linken Nervus ulnaris bzw. radialis sowie der Interkostalneuralgie links" das am 16. Oktober 1973 erstellte Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. L relevant sei. Darin werde festgehalten, daß gegenüber dem Vergleichsgutachten insofern eine Veränderung eingetreten sei, als auf Grund des neurologischen Gutachtens keine Schädigung des linken Nervus ulnaris und radialis und keine Interkostalneuralgie links mehr habe objektiviert werden können. Die belangte Behörde habe in weiterer Folge das Sachverständigengutachten des praktischen Arztes Dr. F eingeholt. Dieses Gutachten und jenes von Dr. L seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
Unter Berücksichtigung dieser Gutachten schlüsselte die belangte Behörde zunächst die bis 16. Oktober 1973 ermittelten Dienstbeschädigungen im einzelnen auf, unterstellte sie den Positionen der Richtsatzverordnung und ermittelte gemäß § 7 KOVG 1957 die jeweilige MdE. In weiterer Folge begründete sie auch ausführlich, weshalb die Summe der nach § 11a KOVG 1957 ermittelten Hundertsätze in diesem Fall 150 betragen habe.
Da der Antrag auf Gewährung einer Schwerstbeschädigtenzulage am 27. Mai 1967 eingebracht worden sei, sei unter Bedachtnahme auf Artikel III des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1967, mit dem das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 neuerlich geändert und ergänzt worden sei, die Schwerstbeschädigtenzulage frühestens vom 1. Juli 1967 an zuzuerkennen.
Die ab 17. Oktober 1973 ermittelten Dienstbeschädigungen wurden danach im Sinne der oben dargestellten Grundsätze ebenfalls einzeln aufgeschlüsselt und für sie nunmehr die Summe der nach § 11a ermittelten Hundertsätze mit 120 festgesetzt.
Die belangte Behörde verwies in ihrer Begründung schließlich darauf, daß dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG 1950 zur Kenntnis gebracht worden sei. Seine Einwendungen seien nicht geeignet gewesen, die auf medizinisches Fachwissen gestützten Gutachten zu entkräften. Es sei deshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 45 Abs. 2 AVG 1950, das auch auf das Verfahren in Kriegsopferversorgungsangelegenheiten anzuwenden ist (§ 86 Abs. 1 KOVG 1957), hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Dieser Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG 1950 hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Diese Regelung schließt keinesfalls eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind aber solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Der Verwaltungsgerichtshof ist an den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt insofern nicht gebunden, als der Sachverhalt von dieser in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen wurde, der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung bedarf oder Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Zl. 1579/73, VwSlg. 8619/A).
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG 1950 zu erlassende Bescheide sind, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, zu begründen und zufolge der Regelung des § 60 AVG sind in dieser Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtslage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diese Begründungserfordernisse schließen auch die Verpflichtung der Behörde mit ein, in der Bescheidbegründung in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, von welchen konkreten Tatsachenfeststellungen bei der getroffenen Entscheidung ausgegangen wurde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. Jänner 1980, Zl. 2583/77).
Eine Begründung, die sich in der bloßen Wiedergabe von Sachverständigengutachten erschöpft, ist nicht als ausreichend anzusehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. November 1976, Zlen. 1114, 1308, 1309/75).
Auf dem Boden dieser Rechtssprechung kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers Berechtigung zu. Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthält hinsichtlich der streitentscheidenden Frage, auf welches bzw. welche Gutachten sich die Annahme der belangten Behörde gründet, die Dienstbeschädigungen 5, 6 und 9 des Beschwerdeführers seien abgeheilt - im Gegensatz zu den ausführlichen chefärztlichen Stellungnahmen vom 19. Juni und 12. August 1985 (vgl. OZl. 470/4 und 6 des Verwaltungsaktes) - lediglich den Hinweis auf das von Dr. L am 16. Oktober 1973 erstellte Gutachten, in dem festgehalten wird, daß gegenüber dem - nicht näher bezeichneten - Vergleichsgutachten insofern eine Veränderung eingetreten ist, als auf Grund des - ebenfalls nicht näher genannten - nervenärztlichen Gutachtens keine Schädigung des linken Nervus ulnaris und radialis und keine Interkostalneuralgie links mehr habe objektiviert werden können.
Die Richtsatzeinschätzung durch den praktischen Arzt Dr. F wurde auf der Grundlage des von Dr. L erstatteten Gutachtens rein aktenmäßig vorgenommen.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde auf das vom Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs unter Hinweis auf ärztliche Bestätigungen am 4. Dezember 1985 erstattete Vorbringen, er leide weiterhin an einer Läsion des Nervus radialis und ulnaris, nicht näher eingegangen ist (vgl. etwa den unter der OZl. 471/1 im Verwaltungsakt erliegenden Diagnostik-Befund des Hanuschkrankenhauses vom 12. Oktober 1981 und den unter der Zl. 499 erliegenden vorläufigen Entlassungsbericht der Landesnervenklinik Salzburg vom 22. Juli 1985).
Auf Grund der dargestellten Feststellungs- und Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides erweist sich dieser mit Verfahrensmängeln belastet, die seine Aufhebung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG nach sich ziehen mußten.
Von der beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 29. Juni 1989
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