VwGH 85/07/0261

VwGH85/07/026123.5.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde der EL in W, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 19. Juli 1985, Zl. VI/1-1190/20-1985, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §14;
AVG §15;
AVG §16;
AVG §48;
VStG §25 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs1;
AVG §14;
AVG §15;
AVG §16;
AVG §48;
VStG §25 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom 28. Februar 1985 wurde die Beschwerdeführerin einer Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 1 WRG 1959 schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von S 2.000,-- (sowie eine Ersatzarreststrafe von 72 Stunden) verhängt, weil sie es unterlassen habe, die zu ihrer Badehütte gehörende Senkgrube, die zufolge einer Überprüfung derartig mit Fäkalabwässern befüllt gewesen sei, daß sie übergelaufen sei und Fäkalabwässer aus der Fuge der Abdeckplatte und des Einstiegdeckels ausgetreten seien, bei Bedarf räumen zu lassen, wodurch sie dem Vorschreibungspunkt 6 eines wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 24. September 1968 nicht entsprochen habe.

Der Berufung der Beschwerdeführerin gab hierauf der Landeshauptmann von Burgenland mit Bescheid vom 19. Juli 1985 gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) teilweise Folge, setzte die Geldstrafe auf S 1.000,-- (sowie die Ersatzarreststrafe auf 36 Stunden) herab und "berichtigte" den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses dahingehend, daß die Beschwerdeführerin es in der Zeit bis 12. September 1983 unterlassen habe, die mit Bescheid vom 24. September 1968, Zl. VI/1-1353/2-1968, wasserrechtlich bewilligte Senkgrube in M, Parzellen Nr. 6063/322 und 323, entsprechend Vorschreibungspunkt 6 des zuletzt genannten Bescheides zu räumen. Begründend wurde dazu ausgeführt, die Übertretung sei von zwei Amtsorganen am 12. September 1983 anläßlich der Überprüfung anderer Badehütten zufällig wahrgenommen worden, als sie mit einem Boot in unmittelbarer Nähe der Badehütte Nr. 9 in M vorbeigefahren und auf ein Überlaufen von Fäkalien aufmerksam geworden seien. Gemäß § 133 Abs. 1 WRG 1959 könne in dringenden Fällen ohne vorangegangene Verständigung die Behörde Besichtigungen und Erhebungen durchführen. Die Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie sei von der Überprüfung nicht verständigt worden, stehe daher im Gegensatz zur zitierten Gesetzesbestimmung, durch welche wohl vermieden werden solle, daß der Betroffene durch ein Strafmandat oder einen Behebungsauftrag überrascht werde. Die Gesetzesauslegung ziele aber auf Situationen ab, die kein aktives Handeln zur Hintanhaltung weiterer, ärgerer Schäden geböten, und durch die das Aufsichtsorgan selbst vor einer Gefährdung in fremden Betrieben geschützt werden solle. Der Hinweis der Beschwerdeführerin darauf, daß die Behörde keine konkreten Maßnahmen getroffen habe, gehe ins Leere, da dessen ungeachtet nach wie vor die Verpflichtung zur Räumung der Senkgrube aufgrund des bezeichneten Bewilligungsbescheides bestehe und dieser Verpflichtung durch eine Strafe bloß Nachdruck habe verliehen werden sollen. Die Wahrnehmung der beiden (nun namentlich genannten) Amtsorgane der Wasserrechtsabteilung und des Gewässeraufsichtsdienstes sei in einem Aktenvermerk festgehalten worden, der über seinen Inhalt vollen Beweis liefere, so daß von der Einvernahme der seitens der Beschwerdeführerin angegebenen Zeugen habe Abstand genommen werden können. Es sei kein Verfahrensfehler, wenn Behördenorgane zufällig Mißstände wahrnähmen und an Ort und Stelle mangels Anwesenheit von Verursachern derselben keine Stellungnahme von solchen festgehalten werden könnten. Da jedoch nicht erwiesen sei, ob sich nicht, zwar ebenfalls durch die Schuld der Beschwerdeführerin, infolge einer undichten Leitung oder der nicht ordnungsgemäßen Schließung eines Wasserleitungshahnes die Senkgrube allmählich gefüllt habe, womit das Verschulden als geringfügig zu bezeichnen wäre, habe die Berufungsbehörde die Strafe herabgesetzt.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht verletzt erachtet, nicht wegen der ihr angelasteten Übertretung bestraft zu werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 ist unter anderem die Nichteinhaltung der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen als Verwaltungsübertretung zu bestrafen.

Nach Punkt 6 der Vorschreibungen des genannten wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides vom 24. September 1968 muß - wie sich aus dem insoweit nicht bestrittenen Straferkenntnis der ersten Instanz ergibt - die Senkgrube, um die es im Beschwerdefall geht, bei Bedarf, mindestens aber einmal jährlich, durch einen hiezu befugten Unternehmer geräumt werden.

Die Beschwerdeführerin beanstandet zunächst, daß die wasserrechtliche Überprüfung entgegen § 133 Abs. 1 WRG 1959 vorgenommen worden und die belangte Behörde in diesem Zusammenhang in einen unlösbaren Widerspruch geraten sei. § 133 Abs. 1 WRG 1959 handelt jedoch nur von solchen Besichtigungen und Erhebungen, bei denen "fremde Anlagen oder Liegenschaften betreten werden"; nur unter dieser Voraussetzung sind - dringende Fälle ausgenommen - die davon unmittelbar Betroffenen vorher zu verständigen. Im Beschwerdefall ist jedoch die belangte Behörde sachverhaltsmäßig davon ausgegangen, daß der aufgezeigte Mißstand anläßlich anderer Überprüfungshandlungen von einem Boot aus zufällig wahrgenommen worden sei. Auch die Beschwerdeführerin hat nicht behauptet, daß die Aufsichtsorgane ihre Anlage bzw. Liegenschaft betreten hätten. Da § 133 Abs. 1 WRG 1959 nicht anzuwenden war, ist ihm auch nicht zuwidergehandelt worden.

Die Beschwerdeführerin hält ferner die Tatzeit nicht für hinlänglich konkretisiert. Die Datumsangabe 12. September 1983 als Endpunkt der zeitlichen Dauer der Unterlassung der durch den Bescheid aus 1968 vorgeschriebenen Maßnahme ergibt sich indessen aus der Tatsache, daß die Amtsorgane die von ihnen beschriebene Wahrnehmung an diesem Tag gemacht haben. Auch wenn derselbe Zustand über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestanden haben sollte, hat die Behörde hierüber keine Ermittlungen angestellt und konnte daher richtigerweise der Beschwerdeführerin gegenüber für eine spätere Zeit keinen Tatvorwurf mehr erheben. Wann vor dem angegebenen Endzeitpunkt der Mißstand begonnen habe, hat sich nach den beschriebenen Umständen nicht feststellen lassen. Mit der im Spruch des angefochtenen Bescheides enthaltenen Zeitangabe ist (wäre) jedenfalls eine ausreichende Bestimmung im Sinn einer unverwechselbaren Identität der Tat auch in zeitlicher Hinsicht (die eine nochmalige Verfolgung wegen desselben Deliktes ausschließt) gegeben.

Die Beschwerdeführerin meint ferner, die belangte Behörde sei bei Ermittlung des Sachverhaltes zu Unrecht vom Inhalt eines der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis gebrachten bloßen Aktenvermerkes ohne Einvernahme der von der Beschwerdeführerin namhaft gemachten Zeugen ausgegangen. Dieser Vorwurf richtet sich dagegen, daß sich die belangte Behörde lediglich von der beschriebenen Beobachtung zweier Amtsorgane habe leiten lassen. In dieser Hinsicht wird zu Recht ein Verfahrensmangel geltend gemacht. Denn wenn die Beschwerdeführerin von dem bezeichneten Mißstand erstmals durch die Zustellung der dem Strafverfahren vorangegangenen Strafverfügung am 27. Oktober 1983 (so nach Ausweis der Verwaltungsakten) Kenntnis erhalten hat - es ist auffällig, daß von seiten der Behörde so lange zugewartet wurde, um die Behebung des Mißstandes zu veranlassen - und laut (bei den Verwaltungsakten liegender) Rechnungskopie am selben Tag die Senkgrube entleert wurde sowie behauptetermaßen seitens des beauftragten Unternehmens keine Überfüllung wahrgenommen worden sein sollte - was umso bedeutsamer wäre, da zwischen dem Vorfall am 12. September 1983 und der Räumung am 27. Oktober 1983 nach der Übersicht in derselben Rechnung vom 2. November 1983 keine Räumungsarbeit stattgefunden hat -, dann durfte zumindest die Aussage des Vertreters des Kanalreinigungsunternehmens nicht von vornherein als für die zu treffende Entscheidung, und zwar schon was die objektive, noch mehr aber, was die subjektive Tatseite betrifft, für unerheblich angesehen werden. In diesem Zusammenhang hätten auch Aussagen von Angehörigen der Beschwerdeführerin Bedeutung haben können. Daß ein Aktenvermerk gemäß § 16 AVG 1950 eine Zeugeneinvernahme entbehrlich machte, trifft ebensowenig zu, wie daß er "vollen Beweis" liefere, was gemäß § 15 AVG 1950 nur für gemäß § 14 aufgenommene Niederschriften gilt.

Dazu kommt, daß der Beschwerdeführerin in schlüssiger Weise ein schuldhaftes - fahrlässiges - Verhalten nach dem Verfahrensergebnis nicht angelastet werden konnte. Schließlich hat nach den vorhandenen Unterlagen die letzte Reinigung der Senkgrube nur einen Monat vor dem besagten Vorfall stattgefunden, wobei die Beschwerdeführerin unwiderlegt erklärt hat, sie sei vom Reinigungsunternehmen nie, auch nicht aus Anlaß der Räumung am 27. Oktober 1983, über eine Überfüllung der Senkgrube informiert worden, ferner daß ihre Angehörigen nichts wahrgenommen hätten, obwohl eine Geruchsbelästigung bestanden haben müßte (Umstände, die von der Behörde nicht näher untersucht wurden). Deswegen, aber auch dann, wenn, wie im angefochtenen Bescheid angedeutet, eine nicht ordnungsgemäße Schließung eines Wasserleitungshahnes (etwa durch einen Dritten) die Ursache des Mißstandes gewesen wäre, könnte nicht davon ausgegangen werden, das beweiskräftige Vorbringen der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 VStG 1950, sie habe es nicht in schuldhafter, sorgfaltswidriger Weise unterlassen, der genannten Verpflichtung des Bescheides aus 1968 nachzukommen, die Senkgrube "bei Bedarf, mindestens aber einmal jährlich" von einem befugten Unternehmer "räumen" zu lassen, wäre widerlegt worden

Da sich der angefochtene Bescheid als mit dem Gesetz nicht in Übereinstimmung stehend erweist, wobei die Verkennung der Rechtslage in Hinsicht der für die Bestrafung erforderlichen Vorwerfbarkeit des angenommenen tatbildlichen und rechtswidrigen Verhaltens - der Schuld - im Vordergrund steht, war jener gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und dem Verordnung BGBl. Nr. 206/1989, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 23. Mai 1989

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