VwGH 87/12/0077

VwGH87/12/007712.12.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Janistyn, über die Beschwerde der UN, Richterin des Kreisgerichtes X in X, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 24. März 1987, Zl. 4616/1-III 6/87, betreffend Karenzurlaub, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §75 impl;
RDG §75 Abs1;
BDG 1979 §75 impl;
RDG §75 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Richterin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Kreisgericht X.

Mit Eingabe vom 14. Jänner 1987 beantragte sie, ihr im Anschluss an den mit 17. August 1987 endenden Karenzurlaub gemäß § 15 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes 1979 einen Karenzurlaub nach § 75 des Richterdienstgesetzes (RDG) bis 17. August 1989, allenfalls bis 17. August 1988, zu gewähren. Zur Begründung führte sie an, dass sie am 26. Jänner 1982 ihren ersten Sohn, am 2. September 1983 ihren zweiten Sohn und am 17. August 1986 ihre Tochter geboren habe. Sie möchte ihre Tochter bis zum Eintritt in den Kindergarten mit drei Jahren persönlich betreuen. Die Unterbringung in einer Kinderkrippe, getrennt von den Brüdern und der gewohnten Umgebung, würde sich - abgesehen vom organisatorischen Aufwand - nicht mit ihrer Auffassung von familienbetonter Kindererziehung decken. Eine geeignete Betreuungsperson stehe nicht zur Verfügung, sei für drei Kleinkinder auch schwer zu finden und würde überdies eine zu hohe finanzielle Belastung darstellen. In etwa zwei Jahren stünde ihr ihre Mutter, die derzeit noch in Salzburg arbeite, zur Verfügung. Darüber hinaus habe die Ausübung des Richterberufes eine langjährige und spezialisierte Ausbildung erfordert. Sie möchte diese Anstrengungen nicht vergeblich unternommen haben und auch nicht die Befriedigung missen, die sie aus ihrer Arbeit ziehe. Die Liebe und Verantwortung ihrer Familie, in diesem Fall ihren Kindern gegenüber sollte daher nicht mit dem Verlust der Arbeit bestraft werden. Die angeführte Ausbildung habe aber auch Kosten verursacht. Sie könne ihre Schuld dem Staate gegenüber nur abtragen, wenn sie ihren Beruf wieder mit voller Kraft und unbelastet ausübe.

Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Oberösterreich, Landessektion Richter und Staatsanwälte, trat dem Ansuchen der Beschwerdeführerin bei. Derzeit bestehe auch kein Mangel an Ersatzplanstellen (die für die Beschwerdeführerin systemisierte Vertretungsplanstelle sei derzeit besetzt). Im übrigen sei es Sache des Dienstgebers, für eine ausreichende Anzahl von Ersatzplanstellen Sorge zu tragen, damit auch den Richterinnen Karenzurlaub in der sonst bei Beamten im Bundesdienst üblichen Dauer (§ 75 Abs. 1 BDG) gewährt werden könne.

Der Präsident des Kreisgerichtes X befürwortete das Ansuchen der Beschwerdeführerin. Ihr Vorbringen sei ebenso überzeugend wie berücksichtigungswürdig. Sie habe sich beim Kreisgericht X als Untersuchungsrichterin bestens bewährt und genieße eine ausgezeichnete Beurteilung. Es wäre daher ein Schaden für die Justiz, wenn sie im Falle einer Ablehnung des Ansuchens gezwungen würde, ihren Austritt aus dem Dienstverhältnis zu erklären. Zwingende dienstliche Gründe stünden dem Ansuchen nicht entgegen, da dem Kreisgericht X für die Beschwerdeführerin eine Karenzplanstelle zugewiesen worden sei, die auch besetzt sei. Die Nachbesetzung allenfalls freiwerdender Planstellen im Sprengel des Kreisgerichtes X erscheine derzeit gesichert. Da jedoch die Entwicklung für einen längeren Zeitraum nicht mit Sicherheit überblickt werden könne, rege er an, das Ansuchen vorerst für die Dauer eines Jahres zu genehmigen. Er setze jedoch voraus, dass die Karenzplanstelle für die Beschwerdeführerin dem Kreisgericht X erhalten bleibe und dass auch für den nächsten Schwangerschaftsfall (Richter des Bezirksgerichtes Dr. UW; Entbindung voraussichtlich am 21. Mai 1987) eine weitere Karenzplanstelle beim Kreisgericht X systemisiert werde.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz sprach sich aus grundsätzlichen Erwägungen gegen die Gewährung eines Karenzurlaubes aus. Einerseits stünden den beiden nunmehr beim Kreisgericht X systemisierten Vertretungsplanstellen schon jetzt die drei bekannten Vertretungsfälle (Beschwerdeführerin, StA Dr. C und RdBG Dr. W) gegenüber, andererseits sollten die dem Sprengel zugewiesenen Planstellen zur Vertretung gemäß Punkt 2 Abs. 5 des allgemeinen Teils des Stellenplanes nur dazu dienen, um jene Dienstabwesenheiten abzudecken, auf die ein Rechtsanspruch bestehe. Zudem sei beim Kreisgericht X auf die in den letzten Jahren angespannte Personallage Rücksicht zu nehmen. Im Zuge der Planstellenaufteilung für 1987 sei das Kreisgericht X zwar mit Richterplanstellen aufgestockt worden, eine spürbare Entlastung des Gerichtshofes werde aber voraussichtlich erst nach Abschluss der laufenden Besetzungsverfahren eintreten. Unter diesen Voraussetzungen sehe er sich außer Stande, das weitgehend im privaten Bereich begründete Ansuchen der Beschwerdeführerin zu befürworten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht Folge. Begründend wurde nach Wiedergabe des § 75 Abs. 1 RDG ausgeführt, das Gesetz untersage ausdrücklich die Bewilligung des Karenzurlaubes, wenn zwingende dienstliche Gründe entgegenstünden. In allen anderen Fällen sei die Gewährung des Karenzurlaubes dem freien Ermessen der zuständigen Dienstbehörde anheim gestellt. Für den Karenzurlaub der Beschwerdeführerin nach § 1 des Mutterschutzgesetzes 1979 sei auf Grund des Stellenplans für das Jahr 1987 (Planstellenbereich 3020 Justizbehörden in den Ländern) eine der für die Verwendung als Richter gemäß § 77 Abs. 3 und 4 RDG gebundenen Vertretungsrichterplanstellen systemisiert worden. Für derartige Vertretungsfälle seien 20 Planstellen gesetzlich vorgesehen. Zum 1. Jänner 1987 seien im Bundesbereich 21 Richter wegen eines Präsenzdienstes, eines Karenzurlaubes oder einer Freizeitgewährung bzw. Außerdienststellung gemäß § 79 RDG ihrem Gericht nicht oder nur teilweise zur Verfügung gestanden. Weitere acht weibliche Richter seien im Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz gewesen oder würden in den nächsten Monaten in dieses Beschäftigungsverbot fallen und voraussichtlich im Anschluss daran einen Karenzurlaub in Anspruch nehmen. Die im Stellenplan vorgesehenen Ersatzplanstellen reichten in der Regel nicht aus, diejenigen Fälle einer Dienstabwesenheit abzudecken, auf deren Gewährung ein Rechtsanspruch bestehe. Die beim Kreisgericht X zur Vertretung der Beschwerdeführerin systemisierte Ersatzplanstelle werde daher nach Ablauf des am 17. August 1987 endigenden Mutterschaftskarenzurlaubes nicht bei diesem Gerichtshof belassen werden können. Im Sprengel des Oberlandesgerichtes Linz seien derzeit 11 Richterplanstellen unbesetzt, weitere drei Richter seien mit einem in naher Zukunft liegenden Wirksamkeitstermin in den Ruhestand versetzt worden. Diese freien bzw. freiwerdenden Richterplanstellen würden mit den vorhandenen Richteramtsanwärtern im Laufe des Jahres 1987 aller Voraussicht nach nicht zur Gänze aufgefüllt werden können. Beim Kreisgericht X selbst seien derzeit zwei Richterplanstellen unbesetzt. Auch hier sei - sollten nicht anderswo Lücken in der richterlichen Besetzung verursacht werden - eine Auffüllung dieser Planstellen bis zum Jahresende nicht garantiert. Bei diesem Sachverhalt sehe sich die belangte Behörde nicht in der Lage, der Beschwerdeführerin einen Karenzurlaub nach § 75 RDG im Anschluss an den Mutterschaftskarenzurlaub zu gewähren. Die stellenplanmäßigen Voraussetzungen erlaubten es nicht, für sie beim Kreisgericht X auch nach Beendigung des Mutterschaftskarenzurlaubes eine Ersatzplanstelle zu systemisieren, da mit diesen Ersatzplanstellen vor allem für jene Fälle vorgesorgt werden müsse, bei denen auf die Gewährung eines Karenzurlaubes oder einer Dienstfreistellung ein Rechtsanspruch bestehe. Dazu komme, dass systemisierte Richterplanstellen unbesetzt seien und ihre Besetzung in absehbarer Zeit nicht gewährleistet sei. Die angespannte Personalsituation stelle einen der Gewährung des beantragten Karenzurlaubes entgegenstehenden zwingenden Grund dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 RDG kann dem Richter auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen. Daraus folgt, wie die belangte Behörde unter erkennbarem Bezug auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1986, Zl. 85/12/0116, ausgeführt hat, dass das Gesetz für den Fall, dass zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, die Bewilligung des Karenzurlaubes ausdrücklich untersagt, in allen anderen Fällen jedoch dem freien Ermessen der für die Entscheidung zuständigen Dienstbehörde anheim stellt.

Gegen die von der belangten Behörde unter Zugrundelegung des Stellenplanes 1987 angestellten Erwägungen zur angespannten Personallage, die als ein der Gewährung eines Karenzurlaubes nach § 75 Abs. 1 RDG an die Beschwerdeführerin entgegenstehender zwingender dienstlicher Grund zu werten sei, wendet die Beschwerdeführerin Nachstehendes ein:

Die belangte Behörde führe aus, dass derzeit freie und freiwerdende Richterplanstellen im Laufe des Jahres 1987 aller Voraussicht nach nicht zur Gänze aufgefüllt werden könnten. Dabei seien lediglich die im Sprengel Linz arbeitenden Richteramtsanwärter, nicht jedoch die Möglichkeit in Betracht gezogen worden, dass sich aus anderen Sprengeln Kollegen bewürben. Eine Vermutung allein könne nicht Grundlage für eine dermaßen schwer wiegende Entscheidung sein, wie es die bekämpfte für die Beschwerdeführerin sei. Die herangezogene angespannte Personallage stelle auch dann keinen zwingenden Grund für die Ablehnung des Ansuchens dar, wenn diejenigen, die unmittelbar davon betroffen wären, nämlich die Kollegen der Beschwerdeführerin, dem Ansuchen zustimmten. Die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst Oberösterreich sei aber dem Ansuchen beigetreten. Ebenso habe sich der Präsident des Kreisgerichtes X zustimmend geäußert. Er habe auch ausgeführt, dass die Entwicklung für einen längeren Zeitraum nicht mit Sicherheit überblickt werden könne. Diese Unsicherheit dürfe aber für die Beschwerdeführerin bei pflichtgemäßer Interessenabwägung nicht negativ ausgelegt werden.

Diesen Ausführungen ist vorerst entgegenzuhalten, dass die Beurteilung des Vorliegens zwingender dienstlicher Gründe, die der Gewährung eines Karenzurlaubes im Sinne des § 75 Abs. 1 RDG entgegenstehen, der zur Entscheidung berufenen Dienstbehörde und nicht dem Leiter der Dienststelle oder der Gewerkschaft obliegt (vgl. zu der ähnlichen Bestimmung des § 75 BDG 1979 das Erkenntnis vom 13. Oktober 1986, Zl. 86/12/0193). Auch ist es für diese Beurteilung nicht entscheidend, ob "diejenigen, die unmittelbar davon betroffen wären, nämlich meine Kollegen" dem Antrag nach § 75 Abs. 1 RDG zustimmen. (Abgesehen davon ist es gar nicht aktenkundig, dass eine derartige Zustimmung vorliegt; denn dass die obgenannte Gewerkschaft dem Ansuchen beigetreten ist, kann nicht als Zustimmung der unmittelbar von einer Dienstabwesenheit der Beschwerdeführerin betroffenen Kollegen gewertet werden). Dass die belangte Behörde bei der Prüfung des Begehrens der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt entgegenstehender zwingender dienstlicher Gründe im Hinblick auf den begehrten Zeitraum eines Karenzurlaubes eine Prognose über die während dieses Zeitraumes bestehende Personallage vornehmen musste, stellt auch die Beschwerdeführerin nicht in Abrede. Sie meint allerdings, diese Prognose komme über eine (bloße, unbegründete) Vermutung nicht hinaus, wenn man auch die Möglichkeit der Bewerbung von Richteramtsanwärtern aus anderen Sprengeln in die Erwägung miteinbeziehe. Dieser Hinweis auf solche möglichen Bewerbungen ist nicht geeignet, die ziffernmäßig untermauerten Darlegungen der belangten Behörde, die sie zur Auffassung führten, es würden aller Voraussicht nach die freien bzw. freiwerdenden Richterplanstellen im Sprengel des Oberlandesgerichtes Linz, insbesondere beim Kreisgericht X, im Laufe des Jahres 1987 nicht zur Gänze aufgefüllt und die derzeit für die Beschwerdeführerin vorgesehen gewesene Ersatzplanstelle aufrecht erhalten werden können, zu entkräften. Diesbezüglich weist die belangte Behörde in der Gegenschrift auch mit Recht auf die infolge der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Unversetzbarkeit der Richter bestehenden "Schwierigkeiten bei der Verwaltung der richterlichen Planstellen" (zeitaufwändiges Verfahren der Nachbesetzung vakanter Richterplanstellen, Beseitigung von Überbesetzungen eines Gerichtes nur durch Wegbewerbung von Richtern, nicht ohne weiters mögliche Versetzung eines auf eine Ersatzplanstelle ernannten Richters nach Rückkehr des vertretenen Richters) hin. Auf die Beschwerdesausführungen zu den von der belangten Behörde angestellten Erwägungen zum Stellenplan brauchte daher nicht eingegangen zu werden.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Hinsichtlich der angeführten, in der Amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 12. Dezember 1988

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