Normen
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
B-VG Art130 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt (Land Wien) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Magistrat der Stadt Wien, MA 12, Sozialreferat für den
19. Bezirk, richtete am 4. Mai 1987 an die Beschwerdeführerin ein Schreiben mit folgendem Wortlaut:
"Sehr geehrte Frau Z!
Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, daß eine Nachzahlung der Dauerleistung für die Monate Oktober 1986 bis Februar 1987 lt. Entscheidung der Magistratsabteilung 12, MA12-12708/79/A, vom 28. 4. 1987 leider nicht erfolgen kann, da Sie keine Belege vorgewiesen haben, wonach eine begründete Ursache für den Auslandsaufenthalt festgestellt hätte werden können und Sie das Sozialreferat von Ihrem Auslandsaufenthalt nicht vorher verständigt haben.
Eine Berücksichtigung der Auslagen für die Miete und Pflege bei Ihrer Schwester ist nicht möglich, da Sie ohnehin die Alimente und das Pflegegeld weiterbezogen haben.
Hochachtungsvoll"
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 12. Mai 1987 "Einspruch". Die Wiener Landesregierung entschied über diese als Berufung gewertete Eingabe mit Bescheid vom 1. Juni 1987 - nach wörtlicher Wiedergabe des Schreibens der Erstbehörde - wie folgt:
"Auf Grund der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG 1950, BGBl. Nr. 172/1950) diese Erledigung in Bezeichnung und Inhalt abgeändert wie folgt:
'BESCHEID
Unter Anwendung der §§ 8, 12 und 13 des Wiener
Sozialhilfegesetzes ... wird Frau HZ ... eine Nachzahlung der
Dauerleistung für die Monate Oktober 1986 bis Februar 1987 nicht zuerkannt.'
Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen."
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht; die Beschwerdeführerin beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerde macht einleitend "Nichtigkeit" des erstinstanzlichen Verfahrens geltend und führt dazu unter anderem aus, es sei "in diesem Bescheid" (gemeint ist die Erledigung vom 4. Mai 1987) "weder eine Verfügung getroffen noch eine Begründung
.... angegeben" worden. Damit stellt die Beschwerdeführerin die
Bescheidqualität der Erledigung vom 4. Mai 1987 in Frage.
Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift entgegen, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme der Bezeichnung einer behördlichen Erledigung als Bescheid dann keine maßgebliche Bedeutung zu, wenn der Akt den materiellen Merkmalen eines Bescheides entspreche, d.h. im Wortlaut der behördlichen Erledigung zum Ausdruck komme, daß die Behörde eine Verwaltungssache in rechtsverbindlicher Weise erledige. Die Erledigung der Behörde erster Instanz vom 4. Mai 1987 erfülle unzweifelhaft diese Voraussetzung.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Auffassung nicht zu teilen. Richtig ist, daß dann, wenn eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder die Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich ist. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann aber nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. In dem Fall aber, in dem der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essentiell (vgl. zum ganzen den Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Zl. 934/73, Slg. Nr. 9458/ A). Die im Schreiben vom 4. Mai 1987 (am Beginn und am Ende) gebrauchte Höflichkeitsform, die gewählte Ausdrucksweise ("bedauern ... mitteilen zu müssen") und die - durch die Stellung am Anfang hervorgehobene - Aussage dieses Schreibens, der Beschwerdeführerin werde etwas "mitgeteilt", sprechen gegen die Bescheidqualität und lassen so zumindest Zweifel entstehen, daß damit die betreffende Angelegenheit normativ entschieden werden sollte. Somit kam es entscheidend auf die Bezeichnung als "Bescheid" an. Deren Fehlen hat nach dem gesagten den Mangel der Bescheidqualität der erstbehördlichen Erledigung zur Folge. Daß dies die belangte Behörde (entgegen ihrem nunmehrigen Vorbringen in der Gegenschrift) offenbar selbst erkannt hat, zeigt ihre Begründung für die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Änderung der Bezeichnung und des Inhaltes der erstinstanzlichen Erledigung. Danach war die spruchgemäße Änderung "aus verfahrensrechtlichen Gründen geboten, da das AVG die Erledigung einer Sache im
Rechtssinn ... durch Bescheid ... vorsieht". Angesichts der
mangelnden Bescheidqualität der erstbehördlichen Erledigung wäre die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Dadurch, daß die belangte Behörde dies unterließ und statt dessen eine Sachentscheidung fällte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1985, Zl. 84/11/0178, und vom 30. Juni 1987, Zl. 87/11/0167). Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil als Ersatz für Schriftsatzaufwand nur der Pauschalbetrag von S 9.270,--
gebührt und dieser bereits die darauf entfallende Umsatzsteuer beinhaltet.
Wien, am 28. Juni 1988
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