VwGH 87/07/0200

VwGH87/07/020022.3.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unterpertinger, über die Beschwerde der UG in G, vertreten durch Dr. Wilfried Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, Hauptplatz 34/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. November 1987, Zl. 512.028/06-I 5/87, betreffend Anordnungen gemäß § 34 Abs. 1 WRG 1959 (mitbeteiligte Parteien: E und PW, beide vertreten durch Dr. Kuno Purr, Rechtsanwalt in Graz, Neutorgasse 49/1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
WRG 1959 §34 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
WRG 1959 §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg (BH) vom 5. März 1986 wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 14. Oktober 1985 auf Bestimmung von Schutzgebieten und Erlassung von Anordnungen zum Schutz der Wasserversorgungsanlage in Form eines Brunnens auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück 524, KG X, gegen Verunreinigung und gegen eine Beeinträchtigung der Ergiebigkeit gemäß § 34 Abs. 1 und § 98 WRG 1959 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin berufen. Da über diese am 20. März 1986 bei der BH eingelangte Berufung von der zuständigen Rechtsmittelbehörde, dem Landeshauptmann von Steiermark, innerhalb von sechs Monaten nicht entschieden worden war, stellte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1986 beim Bundesiminister für Land- und Forstwirtschaft als der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde den dort am 4. Dezember 1986 eingelangten Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 1986, der Beschwerdeführerin zugestellt am 5. Jänner 1987, entschied der Landeshauptmann von Steiermark (LH) über die vorgenannte Berufung der Beschwerdeführerin dahingehend, daß der Bescheid der BH vom 5. März 1986 gemäß § 66 Abs. 2 AVG 1950 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen werde.

Dieser Bescheid des LH vom 15. Dezember 1986 wurde aufgrund der dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Juni 1987, Zl. 87/07/0038, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des LH (der damals belangten Behörde) aufgehoben. Dies mit der Begründung, daß im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des LH (5. Jänner 1987) diese Behörde aufgrund des mit Wirkung vom 4. Dezember 1986 eingetretenen Überganges der Zuständigkeit an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zur Erledigung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der BH vom 5. März 1986 nicht mehr zuständig gewesen sei.

2. Im daraufhin fortgesetzten Verfahren erließ der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (die nunmehr belangte Behörde) - ohne weitere Ermittlungsschritte - den Bescheid vom 11. November 1987, mit dem "aufgrund des Devolutionsantrages" der Beschwerdeführerin über deren Berufung gegen den Bescheid der BH vom 5. März 1986 dahin abgesprochen wurde, daß dieser "gemäß § 73 i. V. m. § 66 AVG 1950" behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen werde.

Begründend führte die belangte Behörde - nachdem sie zunächst im Hinblick auf das vorzitierte aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 87/07/0038 ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über den Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin bejahte - in der "Sache selbst" aus, daß sie (in Übereinstimmung mit der vom LH in seinem aufgehobenen Bescheid vom 15. Dezember 1986 dargelegten Ansicht) zu dem Ergebnis gelangt sei, es bedürfe "hier zwecks Abklärung bisher nicht gelöster wichtiger Fragen einer neuerlichen Verhandlung". Letztere solle zweckmäßigerweise von der mit den örtlichen Verhältnissen schon besser vertrauten BH durchgeführt werden. Diese Auffassung stütze sich vor allem darauf, daß die BH in ihrem Bescheid vom 5. März 1986 die Feststellung getroffen habe, es handle sich bei dem gegenständlichen Brunnen (der Beschwerdeführerin) um gar keine Wasserversorgungsanlage. Die Erstbehörde habe diese Ansicht allerdings weder aus den Ergebnissen der vor ihr stattgefundenen Verhandlung noch aus dem sonstigen Akteninhalt schlüssig herleiten können; aus "letzterer" (gemeint offenbar: der Verhandlung) lasse sich jedenfalls nicht folgern, "ob der Brunnen zur Gewinnung von Nutz- und Trinkwasser verwendet wird oder überhaupt verwendet werden kann".

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde, wobei sich die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten verletzt erachtet, daß die belangte Behörde anstatt meritorisch gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 kassatorisch nach § 66 Abs. 2 leg. cit. entschieden habe.

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligten Parteien haben eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Nach § 66 Abs. 2 AVG 1950 kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, daß die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.

1.2. Ein auf diese Gesetzesstelle gegründeter letztinstanzlicher Bescheid - ein solcher liegt im Beschwerdefall vor - ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid, der durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch einen solchen aufhebenden Bescheid kann u.a. darin gelegen sein, daß die Berufungsbehörde von dieser Regelung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung erlassen hat (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 3. Dezember 1987, Zl. 87/07/0072, und die dort zitierten Judikate).

2.1. In Ausführung des Beschwerdepunktes (oben I.3.) bringt die Beschwerde im wesentlichen folgendes vor: Die BH habe den Antrag der Beschwerdeführerin vom 14. Oktober 1985 deshalb abgewiesen, weil der von dieser auf ihrem Grundstück errichtete Brunnen keine Wasserversorgungsanlage darstelle. Es handle sich - so die Erstinstanz in ihrem Bescheid vom 5. März 1986 - lediglich um eine Anlage in Form eines Schachtbrunnens, in dem sich Grundwasser aufspiegle; der Brunnen verfüge über keinen künstlichen Abfluß, geschweige denn über eine Wasserpumpe mit erforderlichen Rohrleitungen, Windkessel und dergleichen. Die BH sei solcherart aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht zur Abweisung des Antrages gekommen. Nach Meinung der Beschwerdeführerin sei der im Untergrabungsverfahren von einem Brunnenbauunternehmer errichtete Schachtbrunnen im Hinblick auf verschiedene (im einzelnen bezeichnete) Merkmale bereits im Zeitpunkt der vor der BH stattgefundenen mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1985 als Wasserversorgungsanlage zu beurteilen gewesen. Darüber hinaus sei von Bedeutung, daß die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit Eingabe vom 12. März 1987 im Nachhang zu ihrem Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht eine Bestätigung der Fa. Z, Wasser- und Heizungsinstallationen KG. D, vom 15. Jänner 1987 vorgelegt habe. Aus dieser Urkunde gehe hervor, daß vom bestehenden Schachtbrunnen eine Druckleitung mit Wasserhahn in das Wohnhaus der Beschwerdeführerin verlegt worden sei und dadurch eine regelmäßige Wasserentnahme gewährleistet sei.

Zusammenfassend ergebe sich daher, daß von der belangten Behörde bei richtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes andere rechtliche Schlüsse zu ziehen gewesen wären als von der Erstbehörde, ohne daß es dazu einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bedurft hätte. Die Ergebnisse der Verhandlung vom 16. Dezember 1985 hätten vollständig ausgereicht, um über den Antrag (gemeint: die Berufung) der Beschwerdeführerin meritorisch abzusprechen. Der beigezogene hydrogeologische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten das erforderliche Schutzgebiet zur Hintanhaltung einer Beeinträchtigung der Ergiebigkeit und Beschaffenheit des Wassers des Brunnens eingehend dargestellt, und zwar sowohl das engere als auch das erweiterte. Zur Sachentscheidung durch die belangte Behörde als Berufungsbehörde hätte es daher keinesfalls der Wiederholung einer mündlichen Verhandlung bedurft.

2.2.1. Wie aus der Begründung des Bescheides der BH vom 5. März 1986 zu ersehen ist, hat die Erstinstanz den Antrag der Beschwerdeführerin vom 14. Oktober 1985 auf Erlassung von Anordnungen und Bestimmung eines Schutzgebietes im Sinne des § 34 Abs. 1 WRG 1959 ausschließlich deswegen abgewiesen, weil zum damaligen Zeitpunkt nach Ansicht der BH keine Wasserversorgungsanlage bestanden habe, die durch Maßnahmen nach der vorgenannten Gesetzesstelle geschützt hätte werden können. Den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die BH im Anschluß an den auf § 66 Abs. 2 AVG 1950 gestützten (vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Juni 1987, Zl. 87/07/0038, aufgehobenen) Bescheid des LH vom 15. Dezember 1986, mit dem der erstinstanzliche Bescheid vom 5. März 1986 behoben worden war, die Beschwerdeführerin um Mitteilung ersuchte (Schreiben vom 12. Jänner 1987), ob der Anschluß ihres Hauses an die "Einzelwasserversorgungsanlage bereits ordnungsgemäß durchgeführt wurde, bejahendenfalls um Übermittlung einer Bescheinigung einer konzessionierten Fachfirma ersucht (werde), aus der hervorgeht, daß der Anschluß durchgeführt wurde und eine Wasserentnahme möglich ist". In Beantwortung dieses Schreibens legte die Beschwerdeführerin der BH mit Eingabe vom 19. Jänner 1987 eine von der Firma Z, Wasser- und Heizungsinstallationen KG. D ausgestellte "Bestätigung" vom 15. Jänner 1987 vor, in der darauf hingewiesen wird, daß "durch unsere Firma am 12. Mai 1986 eine funktionstüchtige Druckleitung mit Wasserhahn vom bestehenden Schachtbrunnen unterirdisch in das Haus G 49 (d.i. das Haus der Beschwerdeführerin) verlegt wurde, die eine regelmäßige Wasserentnahme gewährleistet. Die Anbringung einer Druckpumpe war aufgrund des natürlichen Gefälles nicht notwendig".

2.2.2. Im Hinblick auf diese einen Bestandteil der Akten der BH bildende und als solche der belangten Behörde aufgrund der von ihr im fortgesetzten Verfahren zu treffenden Berufungsentscheidung notwendig gewordenen Aktenvorlage (siehe das Vorlageschreiben des LH vom 23. Oktober 1987) bekannt gewesene "Bestätigung" hatte sich zwar - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift hinweist - die maßgebende Sachlage geändert, allerdings nicht mit den im angefochtenen Bescheid angenommenen (und in der Gegenschrift weiterhin als zutreffend erachteten) Konsequenzen. Gerade die in der besagten "Bestätigung" enthaltene Aussage steht - mangels dagegen zum Ausdruck gebrachter Bedenken seitens der belangten Behörde - der im angefochtenen Bescheid dargelegten Auffassung, es bedürfe in Ansehung der "bisher nicht gelösten wichtigen Frage", ob überhaupt eine Wasserversorgungsanlage bestehe, einer neuerlichen Verhandlung, entgegen. Vielmehr hat die Bestätigung des projektausführenden Unternehmens die für die Beurteilung der im Grunde des § 34 Abs. 1 WRG 1959 relevanten Rechtsfrage nach dem Vorliegen einer Wasserversorgungsanlage bedeutsamen Tatsachen und damit der Wasserrechtsbehörde insoweit die sachverhaltsmäßige Basis für die zu treffende Entscheidung nach der vorzitierten Gesetzesstelle geliefert. Die - laut "Bestätigung" - bereits seit 12. Mai 1986 existierende Verbindung zwischen Brunnen und Haus und die damit gegebene Gewähr regelmäßiger Wasserentnahme bedeutet zweifelsohne eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes gegenüber jenem, von dem die BH bei ihrer Entscheidung vom 5. März 1986 auszugehen hatte, nicht aber zugleich auch eine qualifizierte Mangelhaftigkeit des Sachverhaltes im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG 1950. Dafür, daß im Beschwerdefall diese gesetzliche Voraussetzung vorliegt, d.h. aufgrund eines mangelhaften Sachverhaltes die Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, ist der angefochtene Bescheid jegliche Begründung schuldig geblieben und ist nach dem Gesagten für den Gerichtshof auch sonst nicht erkennbar.

3. Da die belangte Behörde in Ansehung der Frage "Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Wassserversorgungsanlage" offensichtlich - hierauf deuten vor allem auch die Ausführungen in der Gegenschrift hin (Annahme der wesentlichen Sachverhaltsänderung als Voraussetzung für die von ihr gewählte kassatorische Entscheidung) - in Verkennung der Rechtslage das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gebrauchnahme von § 66 Abs. 2 AVG 1950 angenommen hat - der bekämpfte Bescheid läßt nicht erkennen, daß die belangte Behörde diese Voraussetzungen allenfalls noch in anderer Hinsicht als gegeben erachtet hat -, war der in Beschwerde gezogene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalte aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Antrages (§ 59 Abs. 1 VwGG) - auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 22. März 1988

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