VwGH 86/16/0159

VwGH86/16/015914.1.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der NN-Bank in W, vertreten durch Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwalt in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 27. Juni 1986, Zl. 300.506/7-I 7/86, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

AbgEG 1951 §14 Abs2;
AbgRallg;
BAO §235 Abs2;
BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs3;
BAO §237 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
GEG §6;
GEG §7;
GEG §9 Abs2;
GEG;
VwRallg;
WGG 1979 §30 Abs1;
AbgEG 1951 §14 Abs2;
AbgRallg;
BAO §235 Abs2;
BAO §236 Abs1;
BAO §236 Abs3;
BAO §237 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
GEG §6;
GEG §7;
GEG §9 Abs2;
GEG;
VwRallg;
WGG 1979 §30 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluss vom 4. September 1980, Zlen. 3751/80, Uh 106/80, bewilligte das Bezirksgericht Floridsdorf auf Antrag der S Gesellschaft m.b.H. und auf Grund des notariellen Schuldscheines sowie der notariellen Pfandbestellungsurkunde je vom 5. August/7. August 1980 unter anderem ob der der Antragstellerin gehörigen Liegenschaft EZ. 924, KG. S, die Einverleibung eines Pfandrechtes von S 18 Mio. sowie die Einverleibung eines Pfandrechtes für den Höchstbetrag von S 40 Mio., je zu Gunsten der nunmehrigen Beschwerdeführerin, und die Hinterlegung der erwähnten notariellen Urkunden zum Erwerb von Pfandrechten ob den der Antragstellerin gehörigen, auf Teilen des Grundstückes Nr. 446/15 Baufläche (inneliegend der Liegenschaft EZ. 1461 der KG. S) errichteten Superädifikaten gleichfalls zur Sicherstellung der genannten Darlehensforderungen der Beschwerdeführerin. Auf Grund einer Zahlungsaufforderung (GeoForm Nr. 51) vom 4. September 1980 entrichtete die S Gesellschaft m.b.H. noch im September 1980 einen Betrag von S 667.700,-- als Gebühr für die Pfandrechtseinverleibung.

Mit Zahlungsauftrag vom 27. September 1982 schrieb sodann der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Floridsdorf der S Gesellschaft m. b.H. zur ungeteilten Hand mit der Beschwerdeführerin für die Urkundenhinterlegung einen weiteren Betrag von S 667.700,-- als Eintragungsgebühr gemäß TP 11 lit. b Z. 2 GJGebGes 1962 zuzüglich der Einhebungsgebühr von S 20,-- zur Zahlung vor. Dagegen erhobene Berichtigungsanträge der beiden Gebührenschuldnerinnen blieben erfolglos; eine Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. gegen den diesbezüglichen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1985, Zl. 83/15/0061, als unbegründet abgewiesen.

Mit gemeinsamen Antrag vom 22. Jänner 1986 begehrten die S Gesellschaft m.b.H. und die nunmehrige Beschwerdeführerin die Nachsicht der zuletzt genannten Gebühr im wesentlichen mit folgender Begründung:

Die "Doppelvorschreibung" der Gerichtsgebühr in Höhe von S 667.720,-- stelle für die Antragsteller eine "außergewöhnliche" Härte dar. Die Beschwerdeführerin habe im Zusammenhang mit den den vorgeschriebenen Gerichtsgebühren zugrundeliegenden Kredit- bzw. Darlehensgewährungen zur Existenzsicherung des betriebswirtschaftlich an sich lebensfähigen Betriebes der S Gesellschaft m.b.H. einen Forderungsverzicht in Höhe von ca. S 25. Mio. geleistet. Die S Gesellschaft m.b.H., welche im Innenverhältnis gegenüber der Beschwerdeführerin für die genannten Gebühren regresspflichtig sei, habe im Zusammenhang mit den den vorgeschriebenen Gerichtsgebühren zugrundeliegenden Darlehen- bzw. Kreditgewährungen Belastungen zu tragen, die an die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines branchenvergleichsmäßig gesunden Betriebes heranreichten, wobei die nunmehr zu unterstellende Lebensfähigkeit des Unternehmens nur durch den Beitrag der Beschwerdeführerin (gemeint: den oben genannten Forderungsverzicht) möglich gewesen sei. Außerdem bestehe die Notwendigkeit der Sicherung von 50 Arbeitsplätzen bei der S Gesellschaft m.b.H. Eine besondere Härte der Einbringung gegenüber der Beschwerdeführerin bestehe auch im Risiko eines allfälligen Ausfalls, wenn die Eintragungsgebühr im Regressweg bei der S Gesellschaft m.b.H. nicht einbringlich gemacht werden könnte, zumal die Beschwerdeführerin - wie bereits erwähnt - zur Sicherung der Existenz des an sich lebensfähigen Unternehmens bereits auf ca. S 25. Mio. habe verzichten müssen.

Nicht nur im Hinblick auf die Existenzsicherung der S Gesellschaft m.b.H., die nur dann gegeben sei, wenn beiden Solidarschuldnern Nachsicht gewährt werde, sondern auch aus folgendem Grund liege ein Nachlass darüber hinaus im öffentlichen Interesse. Die durch das GJGebGes 1962 geschaffene Möglichkeit einer Doppelvorschreibung dann, wenn ein Pfandrecht nicht auf zwei Liegenschaften, sondern auf einer Liegenschaft und einem Superädifikat (auch durch einheitlichen Gerichtsbeschluss) begründet werde, sei bedenklich und grob unbillig gewesen. Dem habe der Gesetzgeber durch die Anmerkung 8 zu TP 9 des Gerichtsgebührengesetzes, BGBl. Nr. 501/1984, Rechnung getragen. Nur durch die bisherige unbillige Regelung sei es überhaupt zur vorliegenden Doppelvorschreibung gekommen. Es liege im öffentlichen Interesse, diese Unbilligkeit zu beseitigen, zumal auch der mit der Durchführung der Amtshandlung verbundene Aufwand im gegebenen Fall nicht größer sei als bei der Einverleibung einer Simultanhypothek.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid ließ der Bundesminister für Justiz auf Grund des oben genannten Antrages der S Gesellschaft m.b.H. die mit dem Zahlungsauftrag des Kostenbeamten des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 27. September 1982 vorgeschriebenen Gerichtsgebühren im Betrag von S 667.720,-- gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962 nach, gab jedoch dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Nachlass dieser Gerichtsgebühren nicht Folge. Diesem Bescheid ist nur in seinem abweisenden Teil eine Begründung beigegeben. Darin heißt es im wesentlichen, in der Regel könne eine mit der Einbringung der Gebührenforderung verbundene, die Behörde zum Nachlass berechtigende besondere Härte nicht allein aus Umständen abgeleitet werden, die die Entstehung der Gebührenpflicht möglicherweise als unbillig erscheinen ließen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum GJGebGes 1962 könne die Hinterlegung einer Urkunde gebührenrechtlich nicht der Eintragung auf einem Grundbuchskörper gleichgestellt werden; in diesen Fällen komme die Begünstigungsvorschrift der Anmerkung 6 zu TP 11 GJGebGes 1962 nicht zur Anwendung. Die von der Beschwerdeführerin angestrebte Erweiterung der angeführten Begünstigungsvorschrift oder eine Rückwirkung der Anmerkung 8 lit. c zur TP 9 GGG könnten auch nicht im Umweg über die Nachsicht der Gerichtsgebühren erreicht werden.

Auch das Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin das Risiko eines allfälligen Ausfalles trage, wenn die Eintragungsgebühren im Regressweg bei der S Gesellschaft m.b.H. nicht einbringlich gemacht werden könnten, berechtige die Behörde nicht, die Gebühren unter dem Gesichtspunkt der "besonderen Härte" nachzulassen. Gegenstand der Gebührenverbindlichkeit sei nämlich die Amtshandlung des Gerichtes; schon daraus gehe aber hervor, dass für die Frage, ob die Gebühren seitens der Beschwerdeführerin allenfalls bei ihrer Vertragspartnerin nicht einbringlich gemacht werden könnten, kein Raum bleibe. Es könne ein Nachlassbegehren nicht auf wirtschaftliche Folgen gestützt werden, die sich - wie hier - aus der richtigen Anwendung des GJGebGes 1962 ergäben. Soweit im Nachlassansuchen weiters geltend gemacht werde, öffentliche Interessen am Nachlass lägen im Hinblick auf die Existenzsicherung der S Gesellschaft m.b.H. vor, die nur dann gegeben sei, wenn beiden Solidarschuldnern Nachsicht gewährt werde, sei darauf zu verweisen, dass der Nachlass nur dann gewährt werden dürfe, wenn öffentliche Interessen unmittelbar hinsichtlich des begehrten Nachlasses vorlägen. Es könne aber nicht der Zweck des § 9 Abs. 2 GEG 1962 sein, einem bestimmten Wirtschaftzweig (hier sogar einer kleineren Wirtschaftseinheit, nämlich einem einzelnen Unternehmen) wegen seiner Bedeutung für Österreich eine Abgabenentlastung zuteil werden zu lassen. Die Frage der Äquivalenz des Aufwandes (Verhältnis der Höhe der Gerichtsgebühr zur Gegenleistung) sei gebührenrechtlich ohne Bedeutung.

Gegen den abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach ihrem Vorbringen erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Nachsicht der gegenständlichen Gerichtsgebühren verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die Beschwerdeführerin erstattete am 12. November 1986 und am 9. Februar 1987 unaufgefordert zwei weitere Schriftsätze.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz GEG 1962 können Gebühren und Kosten auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Die Beschwerdeführerin meint zunächst, die mit § 9 Abs. 2 GEG 1962 vergleichbare Bestimmung des allgemeinen Abgabenrechts finde sich im § 236 BAO; § 236 Abs. 1 BAO entspreche in seiner Grundkonzeption dem § 9 Abs. 2 GEG. Hingegen fehle im GEG 1962 eine mit § 237 Abs. 1 BAO vergleichbare Bestimmung über die Entlassung eines Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld. Dass bei Gesamtschuldnerschaft auch einer der Gesamtschuldner allein aus der Gesamtschuld entlassen werden könne, gehöre nicht zu den im Verfahren nach dem GEG 1962 anzuwendenden Grundsätzen eines geordneten Verfahrens. Es stelle daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dar, wenn über das gemeinsame Nachsichtsgesuch keine einheitliche Entscheidung getroffen worden sei. Werde die Gerichtsgebühr nachgelassen, so komme dieser Nachlass sämtlichen Solidarschuldnern, daher auch der Beschwerdeführerin zugute.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

So wie für das in den §§ 6 und 7 GEG 1962 nur bruchstückweise geregelte Verfahren weder das AVG 1950 noch die BAO anzuwenden, sondern mangels gesetzlicher Regelungen die allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens heranzuziehen sind, sind auch in dem nicht näher geregelten Verfahren über Nachsichtsanträge die allgemeinen Grundsätze eines geordneten Verfahrens zu beachten (vgl. hiezu zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 3. September 1987, Zl. 86/16/0188, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Schon im Erkenntnis vom 25. Oktober 1973, Zl. 12/73, hatte der Verwaltungsgerichtshof im übrigen ausgesprochen, dass § 9 Abs. 2 GEG 1962 nicht die gleichen Voraussetzungen für eine Nachsicht aufstellt wie sie im § 236 BAO enthalten sind.

Es trifft auch zu, dass im Anwendungsbereich der BAO eine einem Abgabenschuldner gewährte Nachsicht gemäß § 236 Abs. 3 iVm § 235 Abs. 2 leg. cit. das Erlöschen des Abgabenanspruches als solchen zur Folge hat und damit jede weitere Geltendmachung dieses Anspruches ausschließt. Die Nachsicht einer Abgabenschuld kommt daher allen Solidarschuldnern (Mitschuldnern, Haftenden) zugute. Eine Nachsicht nach § 236 BAO kann deshalb einem Abgabenschuldner (Haftenden) nur dann erteilt werden, wenn die Billigkeitsgründe hinsichtlich aller Mitschuldner gegeben sind (vgl. hiezu Reeger-Stoll, Komm. zur Bundesabgabenordnung, Wien 1966, S. 779 f; Stoll, BAO Handbuch, Wien 1980, S. 582, 589; hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1987, Zl. 86/16/0204, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Damit ist aber noch nicht gesagt, dass aus dem Fehlen einer mit § 237 Abs. 1 BAO vergleichbaren Bestimmung im GEG 1962 der Schluss gezogen werden müsse, die Entlassung eines Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld sei im Bereich des GEG 1962 unzulässig. So ist beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Juli 1962, Zl. 1028/60, ungeachtet des Umstandes, dass der damals anzuwendende § 14 Abs. 2 AbgEG zwar die Nachsicht von fälligen Abgabenschuldigkeiten, nicht aber auch die Entlassung eines Gesamtschuldners aus der Gesamtschuld (Haftung) vorsah, davon ausgegangen, eine solche Entlassung aus der Haftung sei auch im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 AbgEG zulässig gewesen. Die von Reeger-Stoll aaO S. 786, vertretene Auffassung, nach bisherigem Recht habe nur die gegen alle Mitschuldner wirkende Nachsicht Anwendung finden können, während nach der neuen Rechtslage auch eine gegen einen einzelnen Mitschuldner wirkende Nachsichtsmaßnahme zulässig sei, ist daher unzutreffend.

Nicht zu Unrecht verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift im übrigen auch auf die Vorschrift des § 894 zweiter Satz ABGB, wonach die Nachsicht oder Befreiung, welche ein Mitschuldner für seine Person erhält, den übrigen nicht zustatten kommt. Obwohl - wie die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 12. November 1986 an sich zu Recht betont - das Verhältnis zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner einer zivilrechtlichen Regelung nicht zugänglich ist, kann doch der im § 894 zweiter Satz ABGB zum Ausdruck kommende Gedanke zur Stützung der Rechtsansicht herangezogen werden, dass es auch im Bereich des GEG 1962 die allgemeinen Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht ausschließen, lediglich einen von mehreren Gesamtschuldnern im Nachsichtswege aus der Gesamtschuld (Haftung) zu entlassen, wie dies die belangte Behörde getan hat. In dieser Hinsicht ist ihr daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht unterlaufen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, handelt es sich bei der Bestimmung des § 9 Abs. 2 GEG 1962 um eine Ermessensvorschrift; doch ist das Recht der Behörde, von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz enthaltenen Alternativvoraussetzungen abhängig (vgl. etwa das Erkenntnis vom 12. November 1987, Zl. 86/16/0142, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Was nun diese Alternativvoraussetzungen anlangt, bringt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses am Nachlass vor, dieses öffentliche Interesse bestehe nicht darin, dass die S Gesellschaft m.b.H. allein aus der Gesamtschuldnerschaft entlassen werde und nach Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin im Regressweg dann wiederum die Eintragungsgebühr zu zahlen habe, sondern darin, dass beide Solidarschuldner ihrer Zahlungspflicht dem Staatsschatz gegenüber entbunden würden, womit auch alle Regressansprüche der Beschwerdeführerin gegenüber der S Gesellschaft m.b.H. wegfielen.

Dem hat die belangte Behörde schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides entgegengehalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein öffentliches Interesse am Nachlass einer vorgeschriebenen Gebühr nur in jenen Fällen gegeben sein kann, in welchen dieses Interesse unmittelbar am Nachlass der Gebühr besteht. Insoweit die Beschwerdeführerin dies in Abrede stellt, sei sie auf das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1987, Zl. 86/16/0041, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter Berufung auf Vorjudikatur auch weiters dargetan, es könne nicht der Zweck des § 9 Abs. 2 GEG 1962 sein, einem ganzen Wirtschaftszweig wegen seiner Bedeutung für Österreich eine Abgabenentlastung zuteil werden zu lassen; derartige Maßnahmen müssten vielmehr dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Zutreffend hat daraus die belangte Behörde den Schluss gezogen, dass dies umsoweniger statthaft ist, wenn die Abgabenentlastung einem einzelnen Unternehmen zugute kommen soll; dies ganz abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin niemals dargetan hat, worin das öffentliche Interesse an einer Sanierung der S Gesellschaft m.b.H. bestehe. Dass die Sicherung von Arbeitsplätzen eine Nachsicht von Abgaben nicht rechtfertigt, hat der Verwaltungsgerichtshof für den Bereich der BAO im übrigen bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1985, Zl. 82/17/0021, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Gleiches muss auch hier gelten.

Unter dem Gesichtspunkt eines öffentlichen Interesses am Gebührennachlass bringt die Beschwerdeführerin weiters vor, die vorliegende Fallkonstellation sei entfernt vergleichbar mit der Situation einer gemeinnützigen Bauvereinigung, die nach § 30 Abs. 1 WGG persönlich von den Gerichtsgebühren befreit sei, bei der sich aber die kreditgewährende Bank als nicht befreiter Solidarschuldner der Gerichtsgebühren kraft Zivilrechtes regressieren könne. Die Beschwerdeführerin verweist hierzu auf den Bericht des Bautenausschusses über die Regierungsvorlage zum WGG (1220 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XIV der GP). Auch die belangte Behörde beruft sich ihrerseits zur Untermauerung ihres Standpunktes in der Gegenschrift auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Regressanspruch eines zur Entrichtung der Gebühren verpflichteten Darlehensgebers gegenüber einer nach dem Gesetz persönlich gebührenbefreiten Partei einen Nachlass nach § 9 Abs. 2 GEG 1962 rechtfertigt.

Hiezu ist folgendes zu sagen:

Richtig ist, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für den Geltungsbereich des § 30 Abs. 1 WGG, BGBl. Nr. 139/1979, der Regressanspruch des Gebührenschuldners gegenüber einer persönlich gebührenbefreiten Bauvereinigung für sich allein nicht die Annahme eines Nachsichtsgrundes rechtfertigt (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 21. November 1974, 1449/74, Slg. Nr. 4758/F, vom 13. Februar 1975, Slg. Nr. 4794/F, vom 12. November 1981, Zl. 81/15/0088, vom 19. November 1981, Zl. 81/15/0010, und vom 3. September 1987, Zl. 86/16/0188). Diese Rechtsprechung ist freilich auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Sie beruht nämlich, wie aus den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses vom 21. November 1974, Slg. Nr. 4758/F hervorgeht, auf der Überlegung, dass die Belastung auch im Falle der Überwälzung der Gebühr auf das gemeinnützige Wohnungsunternehmen nicht dieses, sondern im Endeffekt als Kostenfaktor die einzelnen Bau- bzw. Wohnungswerber trifft. Wie der Verwaltungsgerichtshof dort weiters ausgeführt hat, kann es nicht Aufgabe einer gesetzlichen Ausnahmebestimmung sein, die wie der Gebührennachlass nach § 9 Abs. 2 GEG 1962 typisch auf den Einzelfall zugeschnitten ist, einem umfangreichen und völlig unbestimmten Personenkreis, nämlich den inländischen Bauwerbern, die mit Hilfe von Krediten unter Einschaltung eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens Wohnungen für den eigenen Bedarf erwerben, generell eine finanzielle Entlastung durch Nachsicht der Gerichtsgebühren zu verschaffen. Eine derartige Gesetzesanwendung käme hier dem Wesen nach der Schaffung einer neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen generellen Gebührenbefreiung gleich, deren Statuierung jedoch systemgemäß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben muss. Der vorliegende Fall ist dem gegenüber insofern anders gelagert, als weder ein öffentliches Interesse am Nachlass der Gebührenschuld der S Gesellschaft m.b.H. dargetan wurde noch eine weitere Überwälzung dieser Schuld in Frage kommt.

Aus der zitierten Rechtsprechung ist daher für die Lösung des vorliegenden Rechtsfalles nichts zu gewinnen; auch der in der Beschwerde zitierte Ausschussbericht ist hiefür ohne Bedeutung.

Die Beschwerdeführerin meint schließlich, sollte die belangte Behörde davon ausgegangen sein, dass der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen sei, so liege nicht nur der Entfall der Zahlungspflicht dem Abgabengläubigen gegenüber im öffentlichen Interesse, sondern gleichermaßen auch der Entfall der Zahlungspflicht der S Gesellschaft m.b.H. gegenüber dem intern Regressberechtigten. Der Entfall der letztgenannten Zahlungspflicht könne aber nur dadurch erreicht werden, dass auch diesem Regressgläubiger der S Ges.m.b.H. - also der Beschwerdeführerin - die Abgabe nachgesehen werde.

Diese Argumentation lässt außer acht, dass schon ihr Ausgangspunkt unrichtig ist. Die belangte Behörde hat zwar nicht ausdrücklich begründet, auf Grund welcher Erwägungen sie der S Gesellschaft m.b.H. die beantragte Nachsicht gewährte. Ein darin allenfalls gelegener Begründungsmangel ist jedoch nicht wesentlich, weil aus der Verneinung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses am Nachlass gegenüber der Beschwerdeführerin und insbesondere der dafür gegebenen Begründung klar hervorleuchtet, dass die belangte Behörde dieses öffentliche Interesse auch hinsichtlich der S Gesellschaft m.b.H. verneinen wollte. Dies stimmt übrigens auch mit den Ausführungen im "1. Einlageblatt" zum Akt Zl. 300.506/-I 7/86 der belangten Behörde überein.

Was nun die Frage einer mit der Einbringung verbundenen besonderen Härte für die Beschwerdeführerin anlangt, so kann diese nicht, wie sie meint, in der nach ihrer Auffassung unbilligen Gesetzeslage nach dem GJGebGes 1962 gelegen sein. Denn es kann, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, eine mit der Einbringung der Gebührenforderung verbundene, die Behörde zum Nachlass berechtigende "besondere Härte" nicht allein aus Umständen abgeleitet werden, die die Entstehung der Schuld möglicherweise als unbillig erscheinen lassen. Kann doch nicht einmal gesagt werden, dass selbst die Einbringung einer zwar rechtskräftigen, materiell gesehen aber zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühr allein schon wegen ihres Unrechtsgehaltes eine "besondere Härte" für den Zahlungspflichtigen bedeuten müsse. Ein Nachlassbegehren kann nicht auf wirtschaftliche Folgen gestützt werden, die sich aus der richtigen Anwendung des GJGebGes 1962 ergeben; vielmehr muss die besondere Härte, die eine Nachsicht begründet, in der Einbringung des Gebührenbetrages bei dem Zahlungspflichtigen, also in dessen persönlichen Verhältnissen begründet sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1987, Zl. 86/16/0142, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Der Umstand, dass die S Gesellschaft m.b.H. gegenüber der Beschwerdeführerin für die gegenständliche Gebührenschuld regresspflichtig ist, vermag, für sich allein genommen, auch unter dem Gesichtspunkt einer besonderen Härte einen Gebührennachlass gegenüber der Beschwerdeführerin nicht zu rechtfertigen; zum einen deshalb, weil die Regelung des § 9 Abs. 2 GEG keinen Raum für Erwägungen darüber bietet, ob die Einziehung der Gerichtsgebühren eine dritte Person besonders hart treffen würde; zum andern deshalb, weil - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend betont - privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Parteien niemals einen hoheitlichen Abgabenanspruch des Bundes verkürzen oder beeinträchtigen können. Zudem ist der Effekt, dass die S Gesellschaft m.b.H. trotz der ihr gewährten Nachsicht letztlich doch von der Gebührenpflicht betroffen wird, nicht zwangsläufig mit der Einhebung der Gebühr bei der Beschwerdeführerin verbunden, sondern von ihrer eigenen Entschließung abhängig, ob sie von dem ihr vertraglich eingeräumten Regressrecht Gebrauch macht oder nicht (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. November 1974, Slg. Nr. 4758/F).

Auch das Risiko der Einbringlichkeit beim Regresspflichtigen kann noch nicht eine besondere Härte gegenüber der Beschwerdeführerin bedeuten.

Ohne rechtliches Gewicht ist schließlich der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nach ihren Behauptungen der S Gesellschaft m. b.H. bereits einen Nachlass von S 25 Mio. gewährt hat. Hat die Beschwerdeführerin von sich aus, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein, gegenüber der S Gesellschaft m.b.H. auf S 25 Mio. verzichtet, dann stellt die Erhöhung dieses Verlustes um weitere S 667.000,--, das sind rund 2,5 %,. nicht die vom Gesetz geforderte besondere Härte dar.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die SS 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Hinsichtlich der oben erwähnten, nicht in der Amtlichen Sammlung seiner Erkenntnisse und Beschlüsse veröffentlichten Erkenntnisse wird auf Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 14. Jänner 1988

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