VwGH 84/07/0272

VwGH84/07/027229.11.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Univ. Ass. Dr. Unterpertinger, über die Beschwerde des RM in U, vertreten durch Dr. Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, Hofgasse 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juli 1984, Zl. 511.551/04-15/84, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde X, vertreten durch Dr. Johann Zach, Rechtsanwalt in Wien I , Johannesgasse 14) , zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §121 Abs1;
WRG 1959 §15 Abs1;
WRG 1959 §102 Abs1 litb;
WRG 1959 §121 Abs1;
WRG 1959 §15 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. August 1973 war der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Gemeinde unter einer Reihe von Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung zur Erweiterung ihrer 1959 bewilligten Ortskanalisation durch Erschließung eines näher bezeichneten Gebietes mit vier Kanalsträngen sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiezu erforderlichen Anlagen erteilt worden. Nach deren Fertigstellung wurde am 17. Oktober 1983 eine mündliche Überprüfungsverhandlung durchgeführt, an welcher auch der Beschwerdeführer teilnahm und folgende Erklärung abgab:

"Als Fischereiberechtigter des F-baches, welcher als Vorfluter für die Kläranlage X dient, bin ich dagegen, daß diese neu errichteten Abwasserkanäle bewilligt werden, da die Kläranlage durch diese zusätzlichen Abwässer sehr stark überlastet wird und dadurch jetzt noch mehr Grobstoffe und Klärschlamm in den Vorfluter gelangen. Da nun aufgrund der neuen nicht bewilligten Abwasserkanäle durch die Kläranlage und durch die Regenentlastungskanäle noch mehr Dreck in den Vorfluter gelangt, fordere ich folgende Maßnahmen:

1. Es müssen unverzüglich beim groben und beim feinen Regenentlastungskanal bei der Kläranlage Maßnahmen gesetzt werden, welche verhindern (soll wohl heißen: bewirken), daß durch die zwei Regenentlastungskanäle keine Grobstoffe mehr in den Vorfluter gelangen.

2. Es muß ehestens von der Landesregierung vorgeschrieben werden, daß die Ortskanäle in X ehestmöglich an das Kläranlagenprojekt eines Reinhaltungsverbandes Mattig-Inn in Braunau a.I. angeschlossen werden, welches sicher die beste Lösung wäre, oder daß die bestehende Kläranlage X durch bauliche Maßnahmen den Anforderungen voll entspricht, so daß kein Schmutzwasser, kein Klärschlamm und keine Grobstoffe mehr in den Vorfluter gelangen können.

3. Nachdem durch diese neuen Kanäle jetzt noch mehr Grobstoffe in den Vorfluter gelangen, und somit noch mehr nachteilige Auswirkungen entstehen, z.B. daß sich noch mehr Schlamm und Grobstoffe im Bachbett des F-baches ablagern werden, fordere ich, daß die Gemeinde X den Säuberungs- und Räumungsarbeiten des Bachbettes noch mehr nachkommt als bisher.

4. Ich halte hier fest, daß die Gemeinde X für sämtliche Schäden und nachteilige Auswirkungen, welche durch die Überlastung der Kläranlage im Vorfluter entstanden sind bzw. noch entstehen werden, voll haftbar gemacht wird und auch für alle nachteiligen Auswirkungen und Schäden gegenüber dem Fischereiberechtigten aufkommen muß."

Mit Bescheid vom 3. November 1983 stellte der Landeshauptmann sodann gemäß § 121 WRG 1959 fest, daß die ausgeführte Anlage bis auf die geänderte Ausführung der Regenentlastung 1 und die Nichtausführung der Regenentlastung 2 der mit Bescheid vom 28. August 1973 erteilten wasserrechtlichen Bewilligung im wesentlichen entspreche, daß aber die geänderte Ausführung der Regenentlastung 1, die Nichtausführung der Regenentlastung 2 und die zusätzliche Errichtung mehrerer näher bezeichneter Kanäle nicht als geringfügige Abweichungen vom Inhalt der Bewilligung angesehen und daher, aber auch deshalb, weil sie öffentlichen Interessen nachteilig seien, nicht im Überprüfungsverfahren nachträglich genehmigt werden könnten. Für die abgeänderte Ausführung der Regenentlastung 1 und für die Nichtausführung der Regenentlastung 2 wurde gleichzeitig unter aufschiebenden Bedingungen die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung erteilt, im übrigen die Herstellung des gesetzlichen Zustandes angeordnet. Andere, im einzelnen angegebene Änderungen bei mehreren Strängen wurden als geringfügige Abweichungen gewertet und nachträglich genehmigt.

Aufgrund der von der mitbeteiligten Partei erhobenen, gegen die Nichtbewilligung der zusätzlichen Errichtung von Kanälen, mit welchen sanitären Mißständen habe vorgebeugt werden sollen, gerichteten Berufung änderte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hierauf mit Bescheid vom 2. Juli 1984 den Bescheid des Landeshauptmannes vom 3. November 1983 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 dahin ab, daß Spruchabschnitt I/c (worin die Kanäle bezeichnet worden waren) und V (womit insoweit die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes verfügt worden war) zu entfallen hätten; gleichzeitig wurden die in Spruchabschnitt I/c des erstinstanzlichen Bescheides angeführten Kanalstränge gemäß § 121 WRG 1959 nachträglich genehmigt. Begründend wurde nach einem Hinweis auf das bisherige Verwaltungsgeschehen - wobei die Behörde erster Instanz noch zwei Sachverständigengutachten nachreichte - sowie unter Bezugnahme auf § 121 (Abs. 1) WRG 1959 ausgeführt, es sei zur Frage, ob die im Beschwerdefall zusätzlich errichteten Kanalstränge als geringfügig und öffentlichen Interessen sowie fremden Rechten nicht nachteilig angesehen werden könnten, ein Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen der Berufungsbehörde eingeholt worden, zu welchem die mitbeteiligte Partei und die Wasserrechtsbehörde erster Instanz Stellung genommen hätten; hierauf habe sich der wasserbautechnische Amtssachverständige der belangten Behörde neuerlich gutachtlich geäußert und sei dabei zu dem Ergebnis gelangt, die zusätzliche Belastung des Vorfluters durch die betreffenden Kanalstränge könne als geringfügig angesehen werden. In der Frage der Geringfügigkeit einer Abweichung sei insbesondere der Rechtsgrund der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung zu beachten, die sich im Beschwerdefall vornehmlich auf § 32 WRG 1959 gegründet habe. Der Sinn der Bewilligungsbedürftigkeit des Vorhabens liege daher in der Gewährleistung der Reinhaltung der Gewässer. Da nach der schlüssigen Darlegung des wasserbautechnischen Amtssachverständigen nur eine geringfügige Belastung des Vorflutgerinnes zu erwarten sei, bedeute dies, daß einer nachträglichen Bewilligung im selben Umfang öffentliche Interessen des Gewässerschutzes nicht entgegenstünden. Im Hinblick darauf sowie auf die Bereitschaft der mitbeteiligten Partei, ihre Kläranlage zu erweitern oder einem bestimmten Abwasserverband beizutreten, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen. Abschließend sei festzustellen, daß die vom fischereiberechtigten Beschwerdeführer im Kollaudierungsverfahren erhobenen Forderungen keine tauglichen Einwendungen im Sinne des § 15 WRG 1959 darstellten, auf die einzugehen gewesen wäre.

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf "Versagung der nachträglichen Genehmigung der von der (mitbeteiligten Partei) ohne Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung errichteten Anlagen" in einem verfahrensrechtlich einwandfreien Verfahren verletzt erachtet.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in denen die Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 hat sich unmittelbar nach erfolgter Ausführung einer nach diesem Bundesgesetz bewilligungspflichtigen Wasseranlage die zur Erteilung der Bewilligung in erster Instanz zuständige Wasserrechtsbehörde in einem nach den Bestimmungen der §§ 40 bis 44 AVG 1950 auf Kosten des Unternehmers durchzuführenden Verfahren von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung zu überzeugen, das Ergebnis dieser Überprüfungsverhandlung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung der dabei etwa wahrgenommenen Mängel und Abweichungen zu veranlassen, wobei geringfügige Abweichungen, die öffentlichen Interessen oder fremden Rechten nicht nachteilig sind oder denen der Betroffene zustimmt, im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden können.

Auch dem Fischereiberechtigten kommt im Überprüfungsverfahren Parteistellung zu (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1981, Slg. 10.504/A, und vom 26. Jänner 1982, Zl. 81/07/0125). Abweichungen der Ausführung einer Wasseranlage können indessen seinen Rechten nur in der durch § 15 Abs. 1 (§ 102 Abs. 1 lit. b) WRG 1959 umschriebenen Hinsicht in zu berücksichtigender Weise nachteilig sein. Seine Einwendungen können daher nur den Schutz gegen der Fischerei schädliche Verunreinigungen der Gewässer oder die Anlegung von Fischwegen (Fischpässen, Fischstegen) und Fischrechen oder die Regelung der Trockenlegung (Abkehr) von Gerinnen in einer der Fischerei tunlichst unschädlichen Weise bezwecken, wobei diesen Einwendungen Rechnung zu tragen ist, wenn hiedurch der anderweitigen Wasserbenutzung kein unverhältnismäßiges Erschwernis verursacht wird (andernfalls gebührt eine angemessene Entschädigung). Einwendungen des Fischreiberechtigten können sich somit nicht gegen das betreffende Vorhaben als ganzes richten, wie auch nicht mit Erfolg die Bewilligung eines anderen Projektes gefordert werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1979, Zl. 2757/77). Der Beschwerdeführer als Fischereiberechtigter hatte jedoch einen Anspruch auf Beachtung seiner innerhalb der Grenzen des § 15 Abs. 1 WRG 1959 in bezug auf die Abweichungen vom bewilligten Projekt gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 erhobenen Einwendungen. Die vom Beschwerdeführer in der Überprüfungsverhandlung am 17. Oktober 1983 geltend gemachten Bedenken betreffend die festgestellten (in der Folge nachträglich bewilligten) Abweichungen, enthalten die Behauptung von Nachteilen und bewegen sich zum Teil, nämlich in dem Umfang, im dem sie auf den Schutz gegen der Fischerei schädliche Verunreinigungen des von solchen betroffenen Vorfluters abzielen und zu diesem Zweck bestimmte Maßnahmen nennen, im Rahmen des Gesetzes.

Eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers ist seitens der belangten Behörde - es gibt allerdings von dieser nicht verwertete Sachverständigenäußerungen dazu - zu Unrecht gänzlich unterblieben. Die belangte Behörde hat ihre Annahme, es lägen keine tauglichen Einwendungen vor, nicht begründet.

Auf die Frage, ob die Behörde im gegebenen Fall rechtens von einer Geringfügigkeit der Abweichungen ausgegangen ist, brauchte hingegen in diesem Zusammenhang nicht eingegangen zu werden; denn der Beschwerdeführer kann inhaltlich berechtigte Einwendungen - wobei die ihm gegenüber dann bestehende Nachteiligkeit eine nachträgliche Genehmigung der betreffenden Abweichungen im Überprüfungsbescheid gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 ausschließt - unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WRG 1959 ohnedies durchsetzen; wenn aber die Einwendungen nicht zu Recht bestehen sollten, kann er die Beurteilung des Grades der Abweichungen nicht abstrakt (losgelöst von seinen Rechten) bekämpfen.

Da der Beschwerdeführer in der bezeichneten Hinsicht in seinen Rechten verletzt worden ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.

Wien, am 29. November 1988

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