VwGH 87/07/0155

VwGH87/07/015526.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Z, vertreten durch Dr. Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenburg, Friedhofgasse 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. August 1987, Zl. 512.159/01- I 5/87, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Wasserrechtssache (mitbeteiligte Partei: M-Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, Rechbauerstraße 4/11), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §8;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §26 Abs3;
AVG §56;
AVG §8;
WRG 1959 §107 Abs2;
WRG 1959 §26 Abs3;

 

Spruch:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird zurückgewiesen.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom 10. Februar 1984 erteilte der Landeshauptmann von Steiermark der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 11 Abs. 2, 32 Abs. 2 lit. a und c, 107 und 111 WRG 1959 unter Vorschreibung zahlreicher "Auflagen und Bedingungen" die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Mülldeponie auf den Grundstücken 600/6, 600/7 und 600/8, alle KG X, mit einem Sickerwasseranfall im Höchstausmaß von 215 m3/d und "Verfuhr" des Sickerwassers zur Kläranlage Y bzw. zur Kläranlage Z, sowie für die Einleitung gereinigter Sickerwässer in die Mur im Ausmaß von höchstens 45 m3/d bzw. 0, 5 l/s.

Die beschwerdeführende Gemeinde, die ihrem Beschwerdevorbringen zufolge im Einzugsbereich der bewilligten Mülldeponie drei im Wasserbuch eingetragene Wasserversorgungsanlagen betreibt und daraus für sich Parteistellung in dem zur Erlassung des vorzitierten Bescheides führenden Verfahren ableitet (§ 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959), war diesem Verfahren nicht beigezogen worden.

Nach Ausweis der vorgelegten Akten war die Anberaumung der am 30. November 1983 und am 21. Dezember 1983 durchgeführten mündlichen Verhandlungen öffentlich kundgemacht und der Bewilligungsbescheid den dem Verfahren beigezogenen Parteien teils am 15. Februar 1984, teils am 16. Februar 1984 zugestellt worden. Am 30. Juni 1987 erlangte die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben in der Beschwerde von der in Rede stehenden wasserrechtlichen Bewilligung nachweislich Kenntnis. Mit dem an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung gerichteten Schreiben vom 3. Juli 1987 begehrte die Beschwerdeführerin vom Landeshauptmann von Steiermark, ihr gemäß § 102 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit § 31a Abs. 5 WRG 1959 "die Parteistellung einzuräumen und damit alle Parteienrechte zuzuerkennen". Mit Schriftsatz vom 27. Juli 1987 erhob die beschwerdeführende Gemeinde gegen den (ihr mittlerweile vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung übermittelten) Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 1984 Berufung.

2. Diese Berufung wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 20. August 1987 gemäß § 66 AVG 1950 zurück.

Begründend wies die belangte Behörde darauf hin, daß die Beschwerdeführerin dem wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht beigezogen und ihr auch der Bewilligungsbescheid nicht zugestellt worden sei; sie sei als übergangene Partei dieses Verfahrens anzusehen. Durch § 107 Abs. 2 WRG 1959 werde die Rechtskraftwirkung eines wasserrechtlichen Bescheides gegenüber einer übergangenen Partei normiert. Der in Rechtskraft erwachsene Bescheid könne durch die übergangene Partei nicht mit Berufung bekämpft werden, und zwar auch nicht im Falle einer auf Antrag der übergangenen Partei erfolgten nachträglichen Zustellung des Bescheides (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 1978, Zl. 2484/76). Demnach sei die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den ihr mit Erlaß der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Juli 1987 zugekommenen Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 1984 zurückzuweisen gewesen.

3. Die beschwerdeführende Gemeinde erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt. Sie macht inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Des weiteren stellt sie den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle die Beschwerde "zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des § 107 des Wasserrechtsgesetzes 1959 an den Verfassungsgerichtshof abtreten".

4. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 107 Abs. 2 WRG 1959 kann eine Partei (§ 102 Abs. 1), die eine mündliche Verhandlung versäumt hat, weil sie nicht persönlich verständigt worden war, selbst dann, wenn die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung öffentlich bekanntgemacht worden ist (§ 41 Abs. 2 AVG 1950), ihre Einwendungen auch nach Abschluß der mündlichen Verhandlung und bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit vorbringen. Solche Einwendungen sind binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt, in dem die Partei nachweislich davon Kenntnis erhalten hat, daß ihre Rechte durch das Bauvorhaben berührt werden, bei der Behörde einzubringen, die die mündliche Verhandlung anberaumt hat, und von dieser oder von der Berufungsbehörde in gleicher Weise zu berücksichtigen, als wären sie in der mündlichen Verhandlung erhoben worden.

2. Da, wie bereits erwähnt, der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid allen dem Verfahren beigezogenen Parteien zugestellt worden ist, und die letzte dieser Zustellungen am 16. Februar 1984 erfolgte, ist er nach - zufolge der Aktenlage - fruchtlosem Ablauf der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist, somit am 2. März 1984, den dem Verfahren zugezogenen Parteien gegenüber in Rechtskraft erwachsen.

Aus der Regelung des § 107 Abs. 2 WRG 1959 folgt - dies haben die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes wiederholt ausgesprochen -, daß in solchen Fällen dem wasserrechtlichen Bescheid Rechtskraftwirkung auch gegenüber der übergangenen Partei zukommt (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. 3246/1957, 5884/1969 und 8661/1979 einerseits und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. November 1983, Zlen. 83/07/0317, 0318, und vom 21. Oktober 1986, Zl. 85/07/0192, sowie die dort jeweils zitierte Vorjudikatur anderseits). Im Hinblick darauf ist einer solchen Partei jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft die rechtliche Möglichkeit genommen, den Bescheid mit Berufung zu bekämpfen. Sie ist diesfalls auf den im § 26 Abs. 3 WRG 1959 vorgesehenen Weg verwiesen.

Da die beschwerdeführende Gemeinde Partei im Sinne des § 107 Abs. 2 WRG 1959 ist - davon gehen sowohl die belangte Behörde als auch die Beschwerdeführerin aus -, sohin auch ihr gegenüber der Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 1984 am 2. März 1984 rechtskräftig geworden ist, haftet der angefochtenen, ihre Berufung vom 27. Juli 1987 zurückweisenden Entscheidung unter Zugrundelegung der dargestellten Rechtslage die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an.

3. Nach dem Gesagten war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Der Antrag der Beschwerdeführerin, die Beschwerde zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 107 Abs. 2 WRG 1959 an den Verfassungsgerichtshof abzutreten, war mangels gesetzlicher Deckung einer derartigen Vorgangsweise zurückzuweisen. Im übrigen wird dazu, daß seitens des Verfassungsgerichtshofes gegen die vorgenannte Bestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, auf das Erkenntnis dieses Gerichtshofes Slg. 8661/1979 verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die dort dargelegte Rechtsansicht.

5. Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren in der Höhe von lediglich S 360,-- (Gegenschrift in zweifacher Ausfertigung: S 240,--; Vollmacht: S 120,--) zu entrichten waren.

7. Da bereits in der Hauptsache entschieden worden ist, erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 26. November 1987

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