VwGH 86/08/0062

VwGH86/08/006229.6.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. Novak, über die Beschwerde der X in M, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien I, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 9. Jänner 1986, Zl. 62.100/17-3/85, betreffend Vorschreibung zusätzlicher Ruhepausen gemäß § 11 Abs. 7 AZG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
AZG §11 Abs7;
NSchG 1981 Art7 Z7;
AVG §52;
AZG §11 Abs7;
NSchG 1981 Art7 Z7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem gegenüber der Beschwerdeführerin erlassenen Bescheid des Arbeitsinspektorates für den 5. Aufsichtsbezirk mit Sitz in Wien vom 10. September 1984 wurde auf Grund des § 11 Abs. 7 AZG festgestellt, daß bei Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen, wenn die Arbeit mit dem Bildschirmgerät und die Arbeitszeit an diesem Gerät bestimmend für die gesamte Tätigkeit seien und dabei zwei- oder mehrstündige kontinuierliche Arbeitsperioden am Bildschirmgerät aufträten, für 50 Minuten ununterbrochener Tätigkeit an solchen Arbeitsplätzen eine Ruhepause in der Dauer von zehn Minuten zu gewähren sei, die in die Arbeitszeit einzurechnen sei. Begründend wurde ausgeführt, daß nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Erkenntnissen die kontinuierliche Arbeit an Bildschirmgeräten, die den im Spruch angeführten Voraussetzungen entspreche, einen solchen Einfluß auf die Gesundheit der Arbeitnehmer ausübe, daß zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden Ruhepausen im angeführten Ausmaß erforderlich seien. Dieser Einfluß manifestiere sich in Sehbeschwerden, Augenbrennen und Kopfschmerzen zufolge des ständigen Wechsels der Akkommodation und Adaption des Auges auf unterschiedliche Entfernungen und Leuchtdichten im Arbeitsbereich; arbeitsbedingte Zwangshaltungen von Kopf und Oberkörper und mangelhafter Positionswechsel verursachten Spannungen im Bereich der Halswirbelsäule und des Rückens, die zu Abnützungsschäden führen könnten; aus dem für Bildschirmarbeiten charakteristischen Arbeitsablauf, aus Arbeitsaufgabe und Arbeitsinhalt resultierten Beanspruchungen im psychisch-mentalen Bereich, die bei kontinuierlicher Tätigkeit als Stressoren wirksam würden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin nachstehende (im Beschwerdeverfahren noch relevante) Einwände:

Es werde im Bescheid nicht gesagt, welcher Art die "gesicherten arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Erkenntnisse" seien. Das könne schon deshalb nicht verwundern, weil es keine "gesicherten arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Erkenntnisse" gebe, nach denen die kontinuierliche Arbeit an Bildschirmgeräten, die den im Spruch des Bescheides angeführten Voraussetzungen entspreche, einen solchen Einfluß auf die Gesundheit der Arbeitnehmer ausübe, daß zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden zusätzliche Ruhepausen erforderlich wären. Es bestünden vielmehr arbeitswissenschaftliche und arbeitsmedizinisch anerkannte Erkenntnisse, daß ein solcher Einfluß nicht gegeben sei. Mit dieser zur Auffassung der erstinstanzlichen Behörde kontroversiellen Literatur habe sie sich nicht auseinandergesetzt. Es würde zu weit führen, alle wesentlichen Stellen aus den wissenschaftlichen Abhandlungen (deren Titel und Fundstelle in der Berufung angeführt wurden) im Rahmen der Berufung wiederzugeben, zumal die Quellen der belangten Behörde zweifellos zugänglich seien. Es genüge darauf hinzuweisen, daß in den zitierten wissenschaftlichen Arbeiten klar festgestellt werde, daß es durch die Tätigkeit am Bildschirm zu keinerlei Schäden komme. Es sei zwar nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar, aber aus anderen Publikationen bekannt, daß sich die belangte Behörde bei ihrem Erlaß vom 23. März 1982, Zl. 61.720/5- 4/82, betreffend Bildschirmarbeitsplätze, auf dem der erstinstanzliche Bescheid beruhe, ausschließlich auf eine Auftragsstudie einer Interessenvertretung, nämlich der Universitätsprofessoren DDr. M. Haider und Dr. M. Kundi aus dem Jahre 1981, gestützt habe, in der ausdrücklich festgestellt werde, daß der Verallgemeinbarkeit ihrer Erkenntnisse gewisse Grenzen gesetzt seien. Diese einzelne Studie könne aber keineswegs hinreichen, von "gesicherten arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Erkenntnissen" zu sprechen.

Dadurch, daß die erstinstanzliche Behörde jegliche Auseinandersetzung mit der reichhaltigen Literatur unterlassen habe, sei es zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung gekommen, die im gegenständlichen Betrieb vorhandenen Bildschirmarbeitsplätze generell der Bestimmung des § 11 Abs. 7 AZG zu unterstellen und daraus folgend zusätzlich Kurzpausen anzuordnen, ohne nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens diese Arbeitsplätze im einzelnen konkret zu beschreiben. So sei nicht überprüft worden, ob die Bedingungen jener Tests, die zur Annahme der genannten Wissenschaftler DDr. Haider und Dr. Kundi geführt hätten, auch nur annähernd mit jenen Bedingungen zu vergleichen seien, unter denen die Mitarbeiter der Beschwerdeführerin an Bildschirmgeräten tätig seien. In den genannten Tests hätten die Testpersonen eine reine Arbeitszeit von drei Stunden am Bildschirm zu bewältigen gehabt, wobei jeweils drei einstellige Aufgabenblöcke zu bearbeiten gewesen seien. Wie sich aus den Angaben über das Arbeitsprogramm ergebe, seien die wenigsten Versuchspersonen in der Lage gewesen, die Lösung der Aufgaben innerhalb der vorgegebenen Zeit vorzunehmen, so daß man von der Annahme ausgehen müsse, daß die Testpersonen während der Untersuchungen weitaus stärker in Anspruch genommen worden seien als im alltäglichen Berufsleben. Dazu komme, daß jeweils drei der sechs Aufgaben "Bildschirm zu Bildschirm" - Aufgaben gewesen seien, also die Akkommodationsfähigkeit der Augen besonders beansprucht hätten. Hingegen stelle sich der Arbeitsablauf bei der Texterfassung an Bildschirmgeräten im Unternehmen der Beschwerdeführerin wie folgt dar: Der Dienstnehmer rufe zu Beginn des Arbeitstages die Maske am Bildschirm auf und gebe die erforderlichen Befehle ein. In der Folge taste er vom Manuskript die Texte ein. Der Bildschirm diene dann ausschließlich der Selbstkontrolle für die Dienstnehmer, wenn er beim Tasten "stecken" bleibe. Ein Blickkontakt zum Bildschirm sei nicht erforderlich, auch kein Wechsel vom Manuskript zum Bildschirm. Es falle demnach der im Bescheid angeführte "ständige Wechsel der Akkomodation und der Adaption des Auges auf unterschiedliche Entfernungen" nicht an. Dazu komme, daß die Arbeit häufig unterbrochen werde, um zufolge der Eigenheit der Texte zu überlegen und nachzusehen, wie der Text zu setzen sei. Die Dienstnehmer machten auch die eigene Arbeitsvorbereitung (nicht am Bildschirm!) und entwickelten die Filmkassetten. Es komme dadurch zu häufigem Wechsel der Art der Tätigkeit, ein Umstand, der gerade von der belangten Behörde gewünscht werde. Es komme daher auch zu keinen zwei- oder mehrstündigen kontinuierlichen Arbeitsperioden am Bildschirmgerät und zu keiner ununterbrochenen Tätigkeit von 50 oder mehr Minuten. Zu den durch den Arbeitsablauf sich ergebenden Unterbrechungen kämen noch weitere Unterbrechungen durch Telefongespräche, Kurzimbisse, Rauchpausen u.dgl. Es komme somit die im Bescheid der erstinstanzlichen Behörde dargelegte Arbeit am Bildschirm im Unternehmen der Beschwerdeführerin gar nicht vor, da auf Grund des geschilderten Arbeitsablaufes keine "zwei- oder mehrstündigen kontinuierlichen Arbeitsperioden am Bildschirmgerät" aufträten und die Arbeit mit dem Bildschirmgerät und die Arbeitszeit an diesem Gerät nicht "für die gesamte Tätigkeit bestimmend" seien. Die Arbeit am Bildschirm bestehe nämlich nicht im wesentlichen in der Eingabe, Abberufung oder Verarbeitung von Daten, die ohne Bildschirmgerät in Verbindung mit einem Rechner nicht gelöst werden könnte; die Aufgabe der Texterfassung im Betrieb der Beschwerdeführerin wäre auch ohne Bildschirm möglich; er erleichtere bloß die Arbeit des Dienstnehmers.

Rechtswidrig sei der erstinstanzliche Bescheid schließlich insofern, als in ihm festgestellt werde, daß die verordneten Ruhepausen in der Dauer von zehn Minuten in die Arbeitszeit einzurechnen seien. Dadurch werde § 11 Abs. 8 AZG verletzt. Darnach hätten die Ruhepausen von je zehn Minuten nach einer ununterbrochenen Arbeitszeit an Bildschirmgeräten von 50 Minuten bis zu einer Gesamtdauer von 30 Minuten nicht in die Arbeitszeit eingerechnet werden dürfen, sondern nur jene Ruhepausen, die zusammengenommen die halbstündige Pause des § 11 Abs. 1 überschritten. Auch schreibe der Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe Österreichs bei überwiegender Bildschirmarbeit bereits zweimal täglich 15 Minuten bezahlte Pausen vor, so daß auch diese Pausen bei Anordnung weiterer Pausen zu berücksichtigen gewesen wären.

Über Ersuchen der belangten Behörde führte die erstinstanzliche Behörde eine Erhebung im Betrieb der Beschwerdeführerin durch und erstattete mit Schreiben vom 8. Februar 1985 folgenden Bericht:

"Bildschirmarbeit im Ausmaß von mehr als zwei Stunden am Tag liegt in folgenden Bereichen vor:

1) Fotosatz: 3 männliche Arbeitnehmer;

Gleitzeit mit 8 Stunden tägl. Arbeitszeit (Beginn zwischen 7.00 Uhr und 8.00 Uhr, Ende zwischen 15.30 Uhr - 16.30 Uhr), eine halbe Stunde Mittagspause und zusätzlich zweimal 1/4 Stunde bezahlte Pause lt. Kollektivvertrag; die Bildschirmarbeit beträgt i. d.R. mehr als 4 Stunden/Tag.

2) Texterfassung: 2 weibliche Arbeitnehmer;

Arbeitszeit und Ruhepausen sind genauso geregelt wie in "Fotosatz"; Bildschirmarbeit ist ganztägig (8 Stunden/Tag) erforderlich."

Zu diesem Ermittlungsergebnis erstattete die Beschwerdeführerin mit ihren Schreiben vom 20. Juni und 27. Juni 1985 folgende Stellungnahmen: Zunächst betrage die derzeitige tägliche Arbeitszeit nicht 8 Stunden, sondern 7 Stunden und 36 Minuten. Weiters könne in einem sehr wesentlichen Punkt, nämlich der Feststellung der Dauer der Bildschirmarbeit, der Sachverhaltsdarstellung nicht gefolgt werden, weil weder definiert worden sei, was unter diesem Begriff verstanden werde, noch die Art der tatsächlich stattfindenden Arbeitsabläufe eines Tages dargelegt worden sei. Wenn behauptet werde, daß die Bildschirmarbeit mehr als vier Stunden bzw. ganztägig erforderlich sei, so sei dabei offensichtlich unter Bildschirmarbeit nicht Arbeit mit dem Bildschirm unter visuellem Kontakt mit diesem verstanden, sondern lediglich der Umstand als Bildschirmarbeit bezeichnet worden, daß die Dienstnehmer an einem Arbeitsplatz tätig seien, an dem mehr oder weniger zufällig ein Bildschirm sei. Wie schon in der Berufung ausgeführt worden sei, könne aber nur entscheidend sein, wie lange ein Augenkontakt und eine Kommunikation mit dem Bildschirm geschehe. Unter Berücksichtigung dieser Fakten liege Bildschirmarbeit nur für einen Bruchteil der Tagesarbeitszeit vor.

Im Akt findet sich eine von Dr. Med. ET gezeichnete "Einsichtsbemerkung der Abteilung VI/4" der belangten Behörde vom 19. April 1985 nachstehenden Inhalts:

"Nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Erkenntnissen treten bei Bildschirmarbeit, insbesondere bei Dauerbildschirmtätigkeit, bei den am Bildschirm tätigen Arbeitnehmern folgende Beschwerden auf:

Asthenopische Beschwerden: Durch die erhöhte Belastung des visuellen Apparates, insbesondere durch den ständigen Wechsel der Akkomodation und Adaption des Auges kommt es zu Druckgefühl in den Augen, Augenbrennen, Tränen der Augen, Augenflimmern, Kopfschmerzen, verschwommenes Sehen, Schwindelgefühl.

Beschwerden des Halte- und Stützapparates: Durch die Dauerzwangshaltung mit mangelhaftem Positionswechsel, dem das Skelett- und Muskelsystem ausgesetzt ist, kommt es zu Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Arm- und Schulterschmerzen, schmerzhaften Muskelhärten in den wirbelsäulennahen Streckmuskeln und im weiteren zur frühzeitigen Abnutzung der Wirbelsäule durch die dauerhaften Fehlhaltungen, verbunden mit den damit verbundenen Beschwerden und Funktionseinbußen.

Belastungen in psychisch-mentalen Bereich: erhöhter Streß u.a. durch veränderte Anforderungen an die Konzentration, die Undurchsichtigkeit des Systems mit dem Effekt der Hilflosigkeit des Arbeitnehmers dem Bildschirm gegenüber, durch Isolation infolge geänderten Kontaktverhaltens des Bildschirmarbeiters zur Umwelt und den Mitarbeitern, durch Angst vor Leistungskontrolle und Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.

Die angeführten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse in Bezug auf Bildschirmtätigkeit, über welche eine umfangreiche Literatur vorliegt, werden laufend durch die bei ihrer Tätigkeit in den Betrieben gewonnenen Erfahrungen der Arbeitsinspektionsärzte bestätigt.

Um die geschilderten Beschwerden und gesundheitlichen Schäden bei zwei- oder mehrstündiger kontinuierlicher Bildschirmtätigkeit hintanzuhalten, ist es, wie auch die bisherigen praktischen Erfahrungen gezeigt haben, nötig, mindestens nach 50 Minuten Tätigkeit eine ausreichend bemessene Pause einzuhalten; zehn Minuten können als ausreichend angesehen werden.

Mit den durch Bildschirmtätigkeit gegebenen erhöhten Belastungen befassen sich unter anderem auch die Autoren nachfolgend genannter Publikationen:"

(Es folgt eine Aufzählung der Titel und Fundstellen dieser Publikationen).

Dazu erstattete die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Mai 1985 folgende Stellungnahme: Es würden zur Untermauerung des Standpunktes der Beschwerdeführerin in der Beilage Literaturauszüge zum Thema Bildschirmarbeit übermittelt. Zum Teil handle es sich dabei um Auszüge aus wissenschaftlichen Arbeiten, die in der genannten Einsichtsbemerkung erwähnt würden. Besonders verweise die Beschwerdeführerin auf das Gutachten von Dr. Radl, in dem auf die behaupteten Beeinträchtigungen eingegangen werde. Aus all diesen zitierten Berichten ergebe sich, daß Bildschirmarbeitsplätze keine über das übliche Ausmaß hinausgehenden Belastungen nach sich zögen. Es ergebe sich aber auch weiters, daß die in der Einsichtsbemerkung behaupteten Beschwerden weder als unabdingbar festgestellt worden noch zwangsläufig mit Bildschirmarbeit verbunden seien. Bei Beachtung ergonomischer Gegebenheiten seien sie beseitigbar. Die Beschwerdeführerin habe die Arbeitsplätze im gegenständlichen Betrieb nach den letzten Erkenntnissen der Ergonomie ausgestattet.

Mit Punkt I des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin, soweit sie sich gegen die Vorschreibung zusätzlicher Ruhepausen richte, gemäß § 11 Abs. 7 AZG in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1950 nicht Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß der Spruch zu lauten habe:

"Gemäß § 11 Abs. 7 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl. Nr. 461/1969, in der geltenden Fassung, sind den in den Bereichen Fotosatz und Texterfassung der X-druckerei M, an Bildschirmarbeitsplätzen, an denen mindestens zweistündige kontinuierliche Arbeitsperioden auftreten, beschäftigten Arbeitnehmern zusätzliche Ruhepausen in dem Ausmaß zu gewähren, daß an jeweils 50 Minuten Arbeit am Bildschirmgerät eine Ruhepause von mindestens 10 Minuten anschließt."

Mit Punkt II des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin, soweit sie sich gegen die gänzliche Einrechnung der zusätzlichen Ruhepausen in die Arbeitszeit richte, gemäß § 11 Abs. 8 AZG statt und hob den erstinstanzlichen Bescheid in diesem Punkt auf.

Punkt I des Spruches des angefochtenen Bescheides wurde wie folgt begründet:

Gemäß § 11 Abs. 7 AZG könne das Arbeitsinspektorat für Betriebe, Betriebsabteilungen oder für bestimmte Arbeiten über die Bestimmungen des Abs. 1 hinausgehende Ruhepausen anordnen, wenn die Schwere der Arbeit oder der sonstige Einfluß der Arbeit auf die Gesundheit der Arbeitnehmer dies erfordere. Daß Bildschirmarbeit als schwere Arbeit qualifiziert sei, ergebe sich schon daraus, daß der Gesetzgeber in Art. VII Abs. 2 Z. 7 des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes - NSchG, BGBl. Nr. 354/1981, diese Tätigkeit als eine jener erschwerenden Bedingungen aufgezählt habe, die bei Ausübung der Nachtschicht im Sinne des Art. VII Abs. 1 leg. cit. als Nachtschicht-Schwerarbeit gelten. Hinsichtlich des zweiten Kriteriums in § 11 Abs. 7 AZG, des negativen Einflusses auf die Gesundheit der Arbeitnehmer, sei folgendes festzustellen: Die Gesundheit sei ein Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindends und nicht bloß das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen (Satzung der Weltgesundheitsorganisation, BGBl. Nr. 96/1949). Die belangte Behörde komme auf Grund des Gutachtens der Ärztin im Zentral-Arbeitsinspektorat Dr. ET und zahlreicher im Gutachten zitierter Publikationen zum Schluß, daß Bildschirmarbeit eine nachteilige Wirkung auf die Gesundheit der Arbeitnehmer im Sinne des § 11 Abs. 7 letzter Satz AZG ausübe. Der ständige Wechsel der Akkomodation und Adaption des Auges, die Zwangshaltung und die damit verbundenen Belastungen des Halte- und Stützapparates sowie die Belastungen im psychisch-mentalen Bereich führten zu einer erheblichen gesundheitlichen Belastung der an Bildschirmarbeitsplätzen tätigen Arbeitnehmer, und zwar ohne daß dadurch bleibende Schäden entstehen müßten und unabhängig von individuellen Fehlern und schlechter ergonomischer Gestaltung des Arbeitsplatzes, wenngleich die beiden letztgenannten Faktoren die gesundheitliche Belastung individuell noch zu erhöhen vermöchten. Bei Bildschirmarbeit sei sowohl das Kriterium der Schwere der Arbeit als auch das Kriterium des sonstigen Einflusses der Arbeit auf die Gesundheit der Arbeitnehmer gegeben. Die von der Beschwerdeführerin fragmentarisch zitierten Autoren, insbesondere Dr. Radl, schlössen nach Ansicht der belangten Behörde die Notwendigkeit der vorgeschriebenen Pausengewährung nicht aus.

Zu den gerügten Verfahrensverletzungen werde darauf verwiesen, daß die belangte Behörde die erforderlichen Erhebungen im Betrieb der Beschwerdeführerin einerseits durch die erstinstanzliche Behörde, andererseits selbst am 6. August 1985 durchgeführt habe. Anläßlich der zuletzt genannten Erhebung habe der Betriebsleiter Ing. A erklärt, daß der von der erstinstanzlichen Behörde geschilderte Sachverhalt den Tatsachen entspreche. Zum Einwand der Beschwerdeführerin betreffend die Heranziehung der Untersuchungen von Haider/Kundi sei festzustellen, daß die erstinstanzliche Behörde keineswegs diese Untersuchungen zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht habe. Sie habe sich vielmehr auf arbeitsmedizinische Erkenntnisse gestützt. Ein diesbezügliches ärztliches Gutachten sei der Beschwerdeführerin seitens der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt worden. Zur Darstellung des Arbeitsablaufes im Betrieb der Beschwerdeführerin werde festgestellt, daß sich bei den Setzarbeiten Unterbrechungen in der von der Beschwerdeführerin angegebenen Art befänden, die aber zum Arbeitsablauf unbedingt dazugehörten. Insgesamt mache der Anteil von Bildschirmarbeit - auch nach Angaben der damit beschäftigten Arbeitnehmer - vier Stunden aus. Bei der Texterfassung, dem zweiten Bereich mit Bildschirmgeräten, erfolgten keine wesentlichen Arbeitsunterbrechungen, sodaß der Bildschirm für diese Tätigkeit auf jeden Fall bestimmend sei. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes seien somit die in den im Spruch genannten Bereichen verwendeten Bildschirmgeräte eindeutig für die gesamte Tätigkeit bestimmend, da ohne sie Texterfassung und Textverarbeitung nicht erfolgen könne. Die belangte Behörde könne sich nicht der in der Stellungnahme vom 27. Juni 1985 geäußerten Meinung anschließen, wonach für die Beurteilung von "Bildschirmarbeit" nur die Zeiten von Augenkontakt und Kommunikation herangezogen werden könnten. Die Frage der Häufigkeit von Augenkontakt hänge - abgesehen vom objektiven Arbeitsvorgang - von der jeweiligen Textvorlage bzw. vom jeweiligen Arbeitnehmer ab; sie wechsle ständig. Die Zeit der Kommunikation mit dem Bildschirm habe die belangte Behörde insofern berücksichtigt, als diese Zeit die eigentliche Grundvoraussetzung für die Pausenregelung in den im Spruch angeführten Bereichen sei. Deshalb sei die Entscheidung für jene Arbeitsplätze getroffen worden, für die das Bildschirmgerät bestimmend für die dort ausgeübte Tätigkeit sei. Das im Spruch vorgeschriebene Ausmaß der zusätzlichen Ruhepausen stütze sich auf das ärztliche Gutachten. Zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend die im Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe festgelegten, zusätzlichen Pausen sei zu vermerken, daß durch die Neuformulierung des Bescheidspruches I bereits bestehende innerbetriebliche Zusatzpausen berücksichtigt worden seien. Sie könnten auf die bescheidmäßig vorgeschriebenen Pausen angerechnet werden.

Punkt II des Spruches des angefochtenen Bescheides wurde damit begründet, daß Ruhepausen gemäß § 11 Abs. 7 AZG nach § 11 Abs. 8 leg. cit. nur insoweit in die Arbeitszeit einzurechnen seien, als sie das Ausmaß einer halben Stunde überschritten. Kollektivvertragliche oder innerbetriebliche Vereinbarungen, die für die Arbeitnehmer günstiger seien, seien jedoch zulässig. Hinsichtlich der Frage der gänzlichen Einrechnung der zusätzlichen Ruhepausen in die Arbeitszeit sei daher der Berufung stattzugeben gewesen.

In der gegen Punkt I dieses Bescheides erhobenen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides im angefochtenen Umfang.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im § 11 AZG vorgeschriebenen Unterbrechungen der Arbeitszeit durch eine oder mehrere Ruhepausen bezwecken die Erholung der Arbeitnehmer (vgl. Abs. 5), also die Regenerierung ihrer durch die Beschäftigung beanspruchten körperlichen und geistigen Kräfte im Interesse einer Erhaltung bzw. Verhinderung einer vorzeitigen Abnutzung dieser Kräfte. Hiebei wird nicht auf die individuelle gesundheitliche Verfassung der Arbeitnehmer, sondern auf die Art der jeweils bezeichneten Arbeiten und demgemäß - hinsichtlich der Belastbarkeit der Arbeitnehmer durch diese Arbeiten - auf eine Durchschnittsbetrachtung abgestellt.

Beträgt die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden, so erachtet der Gesetzgeber zu einer solchen Regenerierung jedenfalls die in Abs. 1 verfügte (nach Abs. 6 modifizierbare) Pausenregelung für notwendig. (Die Absätze 3 bis 5 und 8 enthalten Sonderregelungen für Arbeiten in Schichtbetrieben). Erfordert es aber "die Schwere der Arbeit" oder "der sonstige Einfluß der Arbeit auf die Gesundheit der Arbeitnehmer", so kann das Arbeitsinspektorat nach Abs. 7 "für Betriebe, Betriebsabteilungen oder für bestimmte Arbeiten" über die Bestimmungen des Abs. 1 hinausgehende Ruhepausen anordnen.

Vor dem Hintergrund des genannten Zweckes der Pausenregelung wird das Erfordernis einer solchen Erweiterung der für alle Arbeitnehmer geltenden Ruhepausen dann zu bejahen sein, wenn die zu beurteilenden Arbeiten bei der obgenannten Durchschnittsbetrachtung wegen ihrer - gegenüber der vom Gesetzgeber im Abs. 1 vorausgesetzten durchschnittlichen körperlichen und geistigen Beanspruchung aller Arbeitnehmer - größeren körperlichen und/oder geistigen Schwere oder sonstigen Abträglichkeit für die körperliche und/oder geistige Verfassung der mit diesen Arbeiten befaßten Arbeitnehmer längere Unterbrechungen der Arbeitszeit (als in Abs. 1 verfügt) zur genannten Regenerierung erforderlich machen. Ein "Zustand vollkommenen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens" der in der Satzung der Weltgesundheitsorganisation als Grundsatz "für das Glück, für harmonische Beziehungen für die Sicherheit aller Völker" postuliert wird, ist hingegen - darin ist der Beschwerdeführerin beizupflichten - schon wegen des aufgezeigten Zusammenhanges des Absatzes 7 mit Abs. 1 des § 11 AZG und der gebotenen Durchschnittsbetrachtung kein tauglicher Maßstab für das Ausmaß der Erweiterung der Pausenregelung des Absatzes 1. Ebensowenig setzt aber nach dem dargelegten Zweck der Pausenregelung die Anordnung zusätzlicher Pausen nach Abs. 7 des § 11 leg. cit. voraus, daß, wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde meint, "die Bildschirmarbeit zu Dauerschäden führen würde", während "auftretende Beschwerden reversibler Natur" eine solche Anordnung nicht rechtfertigten. Allein ausschlaggebend für eine solche Anordnung ist vielmehr, ob die danach zu beurteilenden konkreten Arbeiten nach ihrem typischen betrieblichen Ablauf unter Berücksichtigung der konkreten betrieblichen Bedingungen, unter denen sie zu verrichten sind, wegen ihrer gegenüber dem im Abs. 1 vorausgesetzten Maßstab relativ größeren Schwere oder sonstigen größeren gesundheitlichen Abträglichkeit eine über Abs. 1 hinausgehende Zeit der Unterbrechung der Arbeitszeit zur Regenerierung der Arbeitskraft der mit diesen konkreten Arbeiten befaßten Arbeitnehmer erforderlich machen.

Die Entscheidung dieser Rechtsfrage setzt demnach voraus, daß primär die konkreten Arbeiten nach ihrem typischen betrieblichen Ablauf und die konkreten betrieblichen Bedingungen, unter denen sie zu verrichten sind, feststehen und erst dann ein (nach § 52 Abs. 1 AVG 1950 wohl immer beizuziehender) Sachverständiger aus medizinischer Sicht diese konkreten Arbeiten unter Beachtung der oben genannten Durchschnittsbetrachtung daraufhin beurteilt, welcher negative, über die durchschnittliche Beanspruchung der körperlichen und/oder geistigen Kräfte eines Arbeitnehmers hinausgehende Einfluß von diesen Arbeiten auf die körperlichen und/oder geistigen Kräfte der damit befaßten Arbeitnehmer ausgeht und ob demgemäß größere Unterbrechungen der Arbeitszeit als sie in Abs. 1 des § 11 leg. cit. vorgesehen sind (bejahendenfalls: in welchem Ausmaß und in der Regel auch in welcher Lagerung) zur Regenerierung der Arbeitskraft der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich sind.

Daß der Gesetzgeber in der Z. 7 des Art. VII Abs. 2 NSchG Arbeiten "an Bildschirmarbeitsplätzen (das sind Arbeitsplätze, bei denen das Bildschirmgerät und die Dateneingabetastatur sowie gegebenenfalls ein Informationsträger eine funktionelle Einheit bilden), sofern die Arbeit mit dem Bildschirmgerät und die Arbeitszeit an diesem Gerät für die gesamte Tätigkeit bestimmend sind," als eine Bedingung gewertet hat, die Nachtschichtarbeit im Sinne des Abs. 1 des Art. VII NSchG zu Nachtschicht-Schwerarbeit macht, besagt - unter dem Gesichtspunkt der Pausenregelung - nach § 11 Abs. 5 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 AZG zunächst nur, daß in jeder Nachtschicht jedenfalls eine Kurzpause der solchen Arbeitnehmern nach § 11 Abs. 3 leg. cit. "anstelle der Pausen im Sinne des Abs. 1" zu gewährenden "Kurzpausen von angemessener Dauer" mindestens 10 Minuten zu betragen hat. Ob aber solche Arbeiten (gemeint immer "Arbeiten an Bildschirmarbeitsplätzen" in der in Art. VII Abs. 2 NSchG umschriebenen Art), unabhängig davon, ob sie in Nachtschichtbetrieben oder in anderen Betrieben geleistet werden, im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde als "schwere Arbeiten" zu qualifizieren sind, kann auf sich beruhen, da aus einer solchen Qualifizierung (was immer darunter zu verstehen ist) vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen jedenfalls nicht schon kraft Gesetzes folgt, daß dann, wenn solche Arbeiten nicht in Nachtschichtbetrieben geleistet werden, jedenfalls wegen der "Schwere der Arbeit" eine über die Bestimmungen des Absatzes 1 des § 11 AZG hinausgehende (und vor allem welche) Pausenregelung zu treffen sei. Andererseits trifft es aber auch nicht zu, daß, wie die Beschwerdeführerin wegen der Pausenregelung des § 11 Abs. 5 AZG meint, dann, wenn die in Art. VII Abs. 2 Z. 7 NSchG umschriebenen Arbeiten nicht in Nachtschichtbetrieben geleistet werden, "offensichtlich eine sogar über die Schwerarbeit im Sinne des Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetzes hinausgehende Intensität der Schwere der Arbeit" erforderlich sei, weil ja die Pausen in Schichtbetrieben schon durch § 11 Abs. 3 AZG in der oben genannten Weise abweichend von § 11 Abs. 1 leg. cit. geregelt sind. Bemerkt sei schließlich zur Auslegung des § 11 Abs. 7 AZG, daß "die Schwere der Arbeit" und "der sonstige Einfluß der Arbeit auf die Gesundheit der Arbeitnehmer" nicht, wie die belangte Behörde offensichtlich meint, zwei kumulative Kriterien für die Anordnung zusätzlicher Pausen sind, sondern daß es darauf ankommt, ob entweder "die Schwere der Arbeit" oder "der sonstige Einfluß der Arbeit auf die Gesundheit der Arbeitnehmer" eine von § 11 Abs. 1 AZG abweichende Pausenregelung erfordert.

Mit der dargelegten Rechtslage stehen zwar manche Formulierungen der Begründung des angefochtenen Bescheides in Widerspruch. Es ist aber nicht eindeutig erkennbar, wie weit sie auf die Entscheidung der belangten Behörde selbst Einfluß hatten, da die belangte Behörde ja lediglich einerseits auf Grund von (wenn auch nur fragmentarischen) Feststellungen über die konkreten Arbeiten im Betrieb der Beschwerdeführerin und andererseits auf Grund des Gutachtens der Amtssachverständigen Dr. T (es ist trotz der Bezeichnung als "Einsichtsbemerkung der Abteilung VI/4" als Gutachten zu qualifizieren: vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1969, Zl. 1279/68, und vom 10. September 1965, Zl. 770/65) zum rechtlichen Schluß gelangte, daß die verfügte Pausenregelung erforderlich sei.

Diese Feststellungen sind aber in mehrfacher Hinsicht mangelhaft:

Die (nach den obigen Darlegungen) erforderlichen Feststellungen über die konkret zu beurteilenden Arbeiten im Betrieb der Beschwerdeführerin erschöpfen sich einerseits im Verweis auf die von der ersten Instanz durchgeführten Ermittlungen laut Bericht vom 8. Februar 1985, die der Betriebsleiter Ing. A (offensichtlich anläßlich der Betriebsbesichtigung vom 6. August 1985) als den Tatsachen entsprechend erklärt haben soll, andererseits in fragmentarischen Bemerkungen und zum Teil in Feststellungen (zur Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Ermittlungsbericht vom 8. Februar 1985), die sich offensichtlich auch wiederum auf die Betriebsbesichtigung vom 6. August 1985 und hiebei "auch auf die Angaben der damit beschäftigten Arbeitnehmer" stützen.

Abgesehen davon, daß im Akt keine Erklärung des Ing. A der genannten Art protokolliert und im Ermittlungsbericht vom 8. Februar 1985 nur von "Bildschirmarbeit" ohne nähere Konkretisierung die Rede ist, rügt die Beschwerdeführerin mit Recht, daß ihr die Ergebnisse der Betriebsbesichtigung vom 6. August 1985 einschließlich der dabei gemachten Angaben von Arbeitnehmern (die im übrigen im angefochtenen Bescheid nur auszugsweise wiedergegeben werden) entgegen dem § 45 Abs. 3 AVG 1950 nicht zur Stellungnahme übermittelt worden seien. Wenn die belangte Behörde dazu in der Gegenschrift meint, sie habe bei ihrer Erhebung im Betrieb, von deren Abhaltung der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zeitgerecht informiert worden sei, "keine über die erste Instanz hinausgehenden oder andersartigen Feststellungen getroffen" (womit die Ermittlungen laut Bericht vom 8. Februar 1985 gemeint sind), so übersieht sie, daß die Beschwerdeführerin die Ermittlungsergebnisse laut Bericht vom 8. Februar 1985 gerade im zentralen Punkt der Dauer der "Bildschirmarbeit" mit der Begründung bestritten hat, es werde weder definiert, was unter diesem Begriff verstanden werde, noch die Art der tatsächlich stattfindenden Arbeitsabläufe eines Tages dargelegt, die belangte Behörde aber auf Grund der Betriebsbesichtigung vom 6. August 1985 zwar wiederum keine konkreten Arbeitsabläufe festgestellt, aber immerhin doch daraus einzelne Momente herausgestellt hat, wie z.B. "Unterbrechungen ...., die ....zum Arbeitsablauf unbedingt dazugehören" oder "keine wesentlichen Arbeitsunterbrechungen"; dies hätte es nach § 45 Abs. 3 AVG 1950 geboten, die Ergebnisse der Betriebsbesichtigung der Beschwerdeführerin zur Kenntnis zu bringen (daß der Betriebsleiter Ing. A als Bevollmächtigter der Beschwerdeführerin im Sinne des § 10 AVG 1950 eingeschritten sei, ist nicht aktenkundig).

Vor allem aber hat die belangte Behörde keine - entsprechend den obigen rechtlichen Darlegungen ausreichenden - Feststellungen über den typischen Arbeitsablauf an den "Bildschirmarbeitsplätzen" in den Bereichen Fotosatz und Texterfassung des Betriebes der Beschwerdeführerin und über die konkreten Bedingungen, unter denen diese Arbeiten verrichtet werden, getroffen, die erst eine Beurteilung ermöglicht hätten, wie die "Bildschirmtätigkeit", die "Bildschirmarbeit" bzw. die "Arbeit am Bildschirmgerät" an diesen "Bildschirmarbeitsplätzen" typischerweise abläuft. Da es hiebei nicht auf den individuellen Ablauf der Arbeit des einzelnen Arbeitnehmers, sondern auf die typischen Arbeitsabläufe, freilich unter den konkreten betrieblichen Bedingungen, ankommt, hätte die Zuziehung eines berufskundlichen Sachverständigen zweckmäßig sein können. Erst nach Ermittlung der konkreten Arbeiten hätte sie ein ärztlicher Sachverständiger unter Beachtung der oben genannten Durchschnittsbetrachtung aus arbeitsmedizinischer Sicht (in Auseinandersetzung mit der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 30. Mai 1985) daraufhin beurteilen können, welcher negative, über die durchschnittliche Beanspruchung der körperlichen und/oder geistigen Kräfte eines Arbeitnehmers hinausgehende Einfluß von diesen Arbeiten auf die körperlichen und/oder geistigen Kräfte der damit befaßten Arbeitnehmer ausgeht und ob demgemäß größere Unterbrechungen der Arbeitszeit als sie in Abs. 1 des § 11 AZG vorgesehen sind (bejahendenfalls: in welchem Ausmaß und in welcher Lagerung) zur Regenerierung der Arbeitskraft der betroffenen Arbeitnehmer erforderlich sind. Das Gutachten der Amtssachverständigen entspricht diesen Anforderungen nicht. Denn darin befaßt sich die Sachverständige nur ganz allgemein mit den gesundheitlichen Auswirkungen, die "bei Bildschirmarbeit, insbesondere bei Dauerbildschirmtätigkeit", auftreten, und erweisen die angeführten Auswirkungen, daß sie aus einer längerwährenden Bildschirmtätigkeit im Sinne von Arbeiten mit dem Bildschirmgerät resultieren (arg. "ständiger Wechsel der Akkomodation und Adaption des Auges", "Dauerzwangshaltung mit mangelhaftem Positionswechsel", "bei zwei- oder mehrstündiger kontinuierlicher Bildschirmtätigkeit").

Aus den angeführten Gründen war der im Punkt I angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG in diesem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Kostenmehrbegehren auf Ersatz der Stempelgebühren war abzuweisen, da die Beschwerdeführerin als Körperschaft öffentlichen Rechtes nach § 2 Z. 3 Gebührengesetz 1957 von der Entrichtung dieser Gebühren befreit ist.

Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 29. Juni 1987

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