VwGH 86/07/0230

VwGH86/07/02307.7.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde der ML in T, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch, Rechtsanwalt in St. Pölten, Kremser Gasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. August 1986, Zl. Wa-1400/11-1986/Spe, betreffend einstweilige Verfügung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §68 Abs4;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §121;
WRG 1959 §122 Abs1 Satz1;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §50;
WRG 1959 §9 Abs2;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §68 Abs4;
AVG §7 Abs1 Z5;
AVG §7;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §121;
WRG 1959 §122 Abs1 Satz1;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §50;
WRG 1959 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft K vom 16. März 1971 war der Beschwerdeführerin als Eigentümerin einer mit Bescheid derselben Behörde vom 22. Juli 1952 bewilligten Wasserkraftanlage am S-bach unter mehreren Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung unter anderem zur Erhöhung der Staumauer bei dieser Anlage erteilt worden (vgl. in diesem Zusammenhang auch das denselben Parteien gegenüber ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1980, Zlen. 2945, 3324/79).

Mit Bescheid der genannten Behörde vom 6. Juni 1986 wurde gemäß §§ 98 und 122 WRG 1959, gestützt auf die bei einer am 13. Mai 1986 durchgeführten mündlichen Verhandlung abgegebenen Sachverständigengutachten, der Beschwerdeführerin aufgetragen,

unverzüglich den Wasserspiegel im Stauraum bei der Wasserkraftanlage am S-bach in der Gemeinde K abzusenken, und zwar auf die Höhe der ehemaligen Stauhaltung, das ist mindestens drei Meter unter dem derzeit bestehenden Kronenüberfall.

Gleichzeitig wurde einer gegen diesen Bescheid einzubringenden Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. August 1986 wurde sodann die von der Beschwerdeführerin gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, bei der dem erstinstanzlichen Bescheid zugrundeliegenden Verhandlung vom 13. Mai 1986 sei im Beisein je eines Amtssachverständigen für Wasserbautechnik und für Bautechnik ein Ortsaugenschein vorgenommen worden. Nach dem Gutachten dieser Sachverständigen erscheine die Standsicherheit des linken Widerlagers wegen der großen Vernässung und des deutlich bemerkbaren Wasseraustrittes von Umlaufwasser gefährdet; wie im Befund festgehalten und in der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vermerkt, könne ein Versagen der linken Uferböschung nicht ausgeschlossen werden; es wäre daher bis zum Vorliegen ausreichender Bodenaufschlüsse bzw. bis zur Herstellung einer entsprechenden Abdichtung des linken Uferbereiches und des Mauerwiderlagers der Stau so weit abzusenken, dass keine wesentlichen Wasseraustritte mehr auftreten, nämlich auf die Höhe der ehemaligen Stauhaltung; abschließend werde im Gutachten verlangt, die Absenkung unverzüglich vorzunehmen und mindestens 3 m unter den jetzigen Kronenüberfall zu legen. Des weiteren werde auch in der Beschreibung des Zustandes der Wasserkraftanlage, insbesondere der Staumauer samt Felseinbindung, von Undichtheiten und Gefährdungsbereichen gesprochen. Diese von zwei Sachverständigen beschriebenen Missstände seien Basis für deren gutachtliche Äußerung gewesen. Die Berufungsbehörde sehe sich daher nicht in der Lage, diese fachlichen Aussagen auf Grund eines von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachtens des Dipl.-Ing. H. M. vom 28. November 1979 zu negieren.

Dieser Rechtsmittelbescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich die Beschwerdeführerin nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben der getroffenen einstweiligen Verfügung verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Beschwerdeführerin gab hiezu ihrerseits eine Stellungnahme ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 122 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei Gefahr im Verzuge - zur Wahrung öffentlicher Interessen (hierauf wurde im Beschwerdefall Bezug genommen) von Amts wegen, zum Schutze Dritter auf deren Antrag - die erforderlichen einstweiligen Verfügungen treffen.

Die im Beschwerdefall ergangene einstweilige Verfügung wurde auf ein am 13. Mai 1986 vom wasserbautechnischen und vom bautechnischen Amtssachverständigen gemeinsam abgegebenes Gutachten gestützt. Der von der Behörde dabei übernommene Vorschlag der Sachverständigen, unverzüglich eine Absenkung des (Wasserspiegels) auf mindestens 3 m unter den bestehenden Kronenüberfall zu veranlassen, geht auf die Äußerung unter Punkt 7 dieses Gutachtens zurück, der folgenden Wortlaut hat:

Die Standsicherheit des linken Widerlagers erscheint wegen der großen Vernässung und des deutlich bemerkbaren Wasseraustrittes von Umlaufwasser gefährdet. Wie schon im Befund festgehalten, und in der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vermerkt, kann ein Versagen der linken Uferböschung nicht ausgeschlossen werden und wäre bis zum Vorliegen ausreichender Bodenaufschlüsse bzw. bis zur Herstellung einer entsprechenden Abdichtung des linken Uferbereiches und des Mauerwiderlagers der Stau so weit abzusenken, dass keine wesentlichen Wasseraustritte mehr auftreten. (Höhe der ehemaligen Stauhaltung).

Diese Bedenken hat die Beschwerdeführerin erwidert, sie aber nicht entkräftet. Denn ihre eigenen Aussagen sind nicht von gleichem Fachwissen getragen, soweit sie sich aber ihrerseits auf fachliche Stellungnahmen, die das Gegenteil bezeugen sollen, stützte, stammen die jüngsten von diesen Unterlagen - sieht man von einer erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten und daher gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unter das Neuerungsverbot fallenden Äußerung vom 16. Februar 1987 ab, die im übrigen nicht die einstweilige Verfügung, sondern eine "Ersatzvornahme" betrifft - aus dem Jahr 1979. Der Sachverhalt hat sich aber in Hinsicht der Anlage seit jener Zeit geändert. Nicht nur war die (erhöhte) Staumauer, wie in der Beschwerde angeführt, am 30. Oktober 1985 fertig gestellt; es sind auch sonst von der Beschwerdeführerin veranlasste bauliche Änderungen eingetreten, die nach den getroffenen Feststellungen nicht etwa lediglich eine in den ausgeführten Teilen fehlerfreie Verwirklichung eines (1952 bzw. 1971) bewilligten Projektes darstellen. Nach dem Befund liegt die Erhöhung der Staumauer um mindestens 1 m über dem bewilligten Projekt, zeigt die Ausbildung der Überfallkrone der Staumauer im einzelnen näher bezeichnete, als wesentlich gewertete Abweichungen gegenüber dem bewilligten Vorhaben und fanden sich gefährliche Stellen größerer Undichtheiten im Mauerwerkskörper; besonders im Bereich der linken Einbindung der Staumauer in die Uferflanken und abwärts der Mauer wurde ein großflächiger und zum Teil mächtiger Wasseraustritt beobachtet. In der gutachtlichen Stellungnahme des Vertreters der Wildbach- und Lawinenverbauung wurde ebenfalls eine Gefährdung der Standsicherheit der Sperre angenommen und begründet, sowie festgestellt, dass diese nicht nach der dem Projekt zugrundeliegenden statischen Berechnung ausgeführt worden sei.

Übereinstimmenden und schlüssigen Sachverständigengutachten, bezogen auf den Sachverhalt im Mai 1986, standen Behauptungen der Beschwerdeführerin gegenüber, die entweder nicht näher begründet

wurden (aus der Berufung: "Staumauer... absolut in Ordnung", "die

naturgemäßen Hochwässer schaden nicht im geringsten", "diese Wasseraustritte gibt es nicht", "technisch gar nicht mögliche Absenkung des Wasserspiegels") oder Tatsachen als Beleg anführen, die bereits den Erfahrungen des täglichen Lebens über den möglichen Zeitpunkt des Eintrittes von Schadensfällen widersprechen ("der beste Beweis für das falsche Gutachten .... die seit mehr als 7 Monaten stehende ....Staumauer") oder zur Stützung des eigenen Standpunktes auf fachliche Äußerungen Bezug nehmen, die zeitlich überholt sind (etwa deshalb, weil sie sich auf im nun abgeführten Verfahren nicht verwertete, alte Stellungnahmen beziehen) oder denen nach den im Beschwerdefall abgeführten Verfahren eingeholten Gutachten von der Beschwerdeführerin selbst bei der Realisierung ihres Vorhabens nicht Rechnung getragen wurde (was sie in eingeschränktem Maß selbst einräumt: "soweit es die gegebenen Verhältnisse ermöglichten, nach den bewilligten Plänen"); dazu kam die Ankündigung erst künftiger Maßnahmen ("G...wird...dieses geringe Umlaufwasser beseitigen", "der Sachverständige erklärte, die Sanierung sei unschwer möglich"). Die Behauptung der Beschwerdeführerin in der Berufung, einer der beiden Amtssachverständigen wäre wegen seines Auftretens "in der ersten Instanz als Sachverständiger" gemäß § 7 AVG 1950 nicht zugelassen, war schon deshalb unverständlich, weil der mit Berufung bekämpfte Bescheid ohnehin ein solcher erster Instanz war.

Unter solchen Voraussetzungen ist der belangten Behörde rechtens nicht vorzuwerfen, dass sie - soweit dies für die einstweilige Verfügung erforderlich war - den eingeholten gutachtlichen Äußerungen und nicht dem Vorbringen der Beschwerdeführerin folgte.

In der vorliegenden Beschwerde werden weitere Vorwürfe erhoben. So meint die Beschwerdeführerin, eine Einsicht in die Teilpläne hätte den Sachverständigen eine näher beschriebene besondere Fundamentierung der Staumauer zeigen müssen. Die mangelnde Fundamentierung wurde aber im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Maßnahme für die dann erlassene einstweilige Verfügung nicht eigens ins Treffen geführt (siehe oben). Außerdem war bei der mehrfach erwähnten Verhandlung im Befund das Fehlen von Ausführungsplänen beanstandet worden (zu deren Vorlage sich die Beschwerdeführerin noch nicht verpflichtet erklärte), ohne dass damals eine dem Beschwerdevorbringen korrespondierende Äußerung seitens der Beschwerdeführerin abgegeben worden war; dazu kommt, dass die in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen der Beweiskraft ermangeln, weil hiefür ein Sachwissen erforderlich wäre, in dem die Beschwerdeführerin selbst nicht ausgewiesen ist. Die Erklärung der Beschwerdeführerin, sie habe die Absicht, den Wasseraustritt zu beseitigen sowie zwei Gegengutachten vorzulegen, vermag einen Einfluss auf die Beurteilung der Sachlage zur Zeit der Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht auszuüben. Von der mangelnden Stichhaltigkeit des Hinweises darauf, dass die Staumauer noch stehe, war bereits die Rede. Die vielfältigen Bezugnahmen auf andere dieselbe Anlage der Beschwerdeführerin betreffende Vorgänge waren nicht zu behandeln, weil im vorliegenden Fall nur die in Rede stehende einstweilige Verfügung den Gegenstand der Prüfung bildete. In der Beschwerde (Schriftsatz vom 10. März 1987) wird auch behauptet, das ganze mit dem angefochtenen Bescheid beendete Verwaltungsverfahren wäre als "nichtig" anzusehen, weil einer der beiden Amtssachverständigen und die beiden je die Erledigungen vom 6. Juni 1986 (erstinstanzlicher Bescheid) und vom 12. August 1986 (Rechtsmittelbescheid) genehmigenden Organwalter an dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Februar 1980 vorangegangenen Verwaltungsverfahren teilgenommen hätten und alle in diesem Verfahren ergangenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben worden wären. Ohne auf die zuletzt erwähnte Bemerkung einzugehen, ist dem entgegenzuhalten, dass die bezeichneten Tatsachen weder eine Befangenheit nach § 7 (insbesondere Abs. 1 Z. 5 AVG 1950 begründen noch eine derartige Befangenheit zur Nichtigkeit des betreffenden Verfahrens führen würde (vgl. S 68 Abs. 4 AVG 1950).

Ohne Bedeutung ist für den vorliegenden Beschwerdefall, ob und inwieweit von der Wasserrechtsbehörde bereits eine Überprüfung der Anlage der Beschwerdeführerin gemäß § 121 WRG 1959 durchgeführt werden durfte. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist davon nicht abhängig. Ebenso wenig wird die im Beschwerdefall zu behandelnde Frage nach der Gesetzmäßigkeit dieser Verfügung davon berührt, welche Veränderungen an der betroffenen Anlage allenfalls inzwischen (seit dieser Verfügung) vorgenommen wurden oder eingetreten sind.

Durften sich nun, wie gezeigt, die Wasserrechtsbehörden an die erstatteten Gutachten halten, dann konnten sie bei der gegebenen Sachlage auch von einer ein zur Wahrung öffentlicher Interessen (§ 105 WRG 1959) sofortiges behördliches Einschreiten erfordernden Gefahr - wobei die Wahrscheinlichkeit einer solchen genügt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1978, Slg. Nr. 9575/A) - ausgehen. Die einstweilige Verfügung diente einer "vorläufigen" Gefahrenabwehr, die bei der gegebenen Rechts- und Sachlage letztlich in einen wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 WRG 1959 (gegebenenfalls auch nach § 50 WRG 1959) münden könnte; durch eine derartige Verfügung ist die Beschwerdeführerin nicht etwa dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der insofern gegebene Rahmen nicht ausgeschöpft, also nicht eine die bauliche Anlage betreffende Beseitigungsmaßnahme oder eine (dazu ebenso vorläufige, aber) unbedingte Absenkung des Wasserspiegels auf die ganze vormalige Stauhöhe, sondern nur eine solche um "mindestens 3 Meter" vorgesehen wurde.

Von der beantragten Verhandlung wurde im Beschwerdefall gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen, umsomehr als jene nach dem von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag mit einem Lokalaugenschein unter Beiziehung eines objektiven Sachverständigen verbunden sein sollte, der Verwaltungsgerichtshof aber im Rahmen einer Bescheidbeschwerde (§ 41 Abs. 1 im Gegensatz zu Abs. 2 VwGG) eine eigene Sachverhaltsermittlung oder -ergänzung in der Sache nicht vornimmt.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 7. Juli 1987

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