VwGH 84/07/0242

VwGH84/07/024226.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde des A Z in A, vertreten durch Dr. Erich Sieder, Rechtsanwalt (nunmehr i.R.) in Enns, Stadlgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. November 1983, Zl. Wa-9686/1-1983/Kes, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs4;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;
VStG §5 Abs1;
WRG 1959 §137 Abs4;
WRG 1959 §38 Abs1;
WRG 1959 §38 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 9.810,-- S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 2. September 1983 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, nach eigenen Angaben vor etwa acht Jahren auf einem näher bezeichneten, in seinem Eigentum stehenden, innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflußbereiches des X-baches gelegenen Grundstück ein Stallgebäude im Ausmaß von ca. 10 m x 20 m errichtet zu haben, obwohl er nicht im Besitz einer hiefür gemäß § 38 Abs. 1 WRG 1959 erforderlichen Bewilligung gewesen sei; hiedurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WRG 1959 begangen; gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 wurde über den Beschwerdeführer-deswegen eine Geldstrafe von 10.000,-- S (sowie eine Ersatzarreststrafe von einer Woche) verhängt. Seine Berufung blieb ohne Erfolg. Mit Bescheid vom 29. November 1983 bestätigte der Landeshauptmann von Oberösterreich das erstinstanzliche Straferkenntnis. Begründend wurde dazu ausgeführt, nach dem Hochwasserereignis im Jahr 1954 seien gemäß § 38 Abs. 3 WRG 1959 auf Anordnung des Landeshauptmannes als Wasserrechtsbehörde die Grenzen des Hochwasserabflusses aufgenommen und in den Katastralmappen der Gemeinde A eingetragen worden. Das betreffende Stallgebäude liege innerhalb des in diesem Gebiet lediglich 50 m breiten Abflußbereiches und somit an der engsten Stelle des Hochwasserabflusses im Gemeindegebiet. Wie bereits aus früheren Verfahren bekannt, habe der Beschwerdeführer konsenslos Anschüttungen im Hochwasserabflußbereich vorgenommen, die sich nachteilig auf diesen auswirkten, und es müsse nach den örtlichen Gegebenheiten angenommen werden, daß das Stallgebäude auf angeschüttetem Gelände errichtet worden sei. Die Lage des Gebäudes sei beim Trassenverlauf der X-bachregulierung zwar soweit berücksichtigt worden, daß sein Bestand bei Ausführung der Regulierung nicht gefährdet würde. Eine entscheidende Verbesserung der Hochwassersituation im Bereich der Liegenschaft des Beschwerdeführers sei aber erst von einem näher bezeichneten Regulierungs-Teilabschnitt zu erwarten, bis zu dessen Verwirklichung noch Jahre verstreichen würden. Was den Hinweis in der Berufung auf andere angeblich im Hochwasserabflußbereich desselben Gewässers gelegene Objekte und erfolgte Baumaßnahmen betreffe, so habe sich die Rechtsmittelbehörde bei ihrer Entscheidung gemäß §§ 38 Abs. 1 sowie 137 Abs. 1 und 4 WRG 1959 ausschließlich auf den ihr vorliegenden Fall zu beziehen. Aufgrund umfangreicher und schlüssiger Fachgutachten stehe fest, daß der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben vor rund acht Jahren auf dem genannten Grundstück innerhalb des ersichtlich gemachten Hochwasserabflußbereiches das in Rede stehende Gebäude ohne wasserrechtliche Bewilligung und somit gegen die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen errichtet habe. Er sei wiederholt auf diese gesetzwidrige Situation aufmerksam gemacht worden. Folglich sei sein tatbestandsmäßiges, vorsätzliches Verhalten erwiesen. Die restlichen Ausführungen in der Begründung betreffen das Strafausmaß, gegen das sich die vorliegende Beschwerde nicht richtet.

Den Rechtsmittelbescheid bekämpfte der Beschwerdeführer zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 25. Juni 1984, B 73/84, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Vor diesem Gerichtshof machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend; nach seinem ganzen Vorbringen erachtet er sich dabei in dem Recht darauf verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt zu werden. Er hält sowohl den Vorwurf vorsätzlichen Handelns für unbegründet als auch die Annahme, das errichtete Gebäude befinde sich innerhalb des Hochwasserabflusses, für unrichtig.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 sind unter anderem Zuwiderhandlungen gegen dieses Bundesgesetz von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretungen zu bestrafen. Gemäß § 137 Abs. 4 WRG 1959 beginnt bei Errichtung oder Änderung einer Wasseranlage - dazu gehören auch Anlagen nach § 38 WRG 1959 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1967, Zl. 1753/66) - ohne behördliche Genehmigung die Verjährung erst nach Beseitigung des konsenswidrigen Zustandes. Gemäß § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zur Errichtung und Abänderung unter anderem von Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflusses fließender Gewässer nebst der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen. Gemäß § 38 Abs. 3 WRG 1959 sind, soweit bei den Gemeinden Abdrucke der Katastralmappen erliegen, die mit der Katastralmappe beim zuständigen Vermessungsamt übereinstimmen, auf Anordnung des Landeshauptmannes vom Amt der Landesregierung die Grenzen der Hochwasserabflußgebiete (Abs. 1) für zwanzig- bis dreißigjährige Hochwässer ersichtlich zu machen; bis dahin sind als Hochwasserabflußgebiete jene Flächen anzusehen, die erfahrungsgemäß häufig überflutet werden.

Soweit der Beschwerdeführer ein tatbildliches Verhalten in Abrede stellt, ist er nicht im Recht.

Sachverhaltsmäßig ist nämlich die belangte Behörde vom Vorliegen der Voraussetzungen des ersten Satzes des § 38 Abs. 3 WRG 1959 sowie davon ausgegangen, daß nach den diesbezüglichen Eintragungen das betroffene Stallgebäude im Hochwasserabflußgebiet errichtet wurde. Diese durch die Aktenlage gedeckte Annahme ist mit dem Beschwerdevorbringen nicht entkräftet worden; die Festlegung der Grenzen des Hochwasserabflusses auf Anordnung des Landeshauptmannes wurde in der Beschwerde ausdrücklich bestätigt; die vom Beschwerdeführer aus der Tatsache, daß eine derartige Festlegung nicht im Landesgesetzblatt kundgemacht wird, gezogene Folgerung, sie sei (für ihn) unverbindlich, und es dürften daher nur jene Flächen zum Hochwasserabflußgebiet gezählt werden, die erfahrungsgemäß häufig überflutet werden, ist unrichtig, da sie der eindeutigen gesetzlichen Regelung unmittelbar widerspricht. Wann das erwähnte Regulierungsvorhaben verwirklicht sein würde, war für die Beurteilung der in Rede stehenden Straftat, anders als der Beschwerdeführer meint, ohne Belang, da es sich dabei um einen außerhalb des spruchmäßig bestimmten Tatvorwurfes liegenden Sachverhalt handelt. Dasselbe gilt für den Hinweis in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf frühere Strafverfahren betreffend konsenslose Anschüttungen. Mit der - im Beschwerdefall zu Recht angenommenen - Verwirklichung der objektiven Tatseite ist ein strafbares Verhalten allerdings noch nicht gegeben.

Zur Schuldfrage enthält das erstinstanzliche Straferkenntnis keine näheren Ausführungen; in dessen Begründung wird die Strafbarkeit bereits aus dem tatbildlichen Verhalten abgeleitet. Im angefochtenen Bescheid wird in bezug auf die subjektive Tatseite lediglich bemerkt, der Beschwerdeführer sei wiederholt auf die gesetzwidrige Situation aufmerksam gemacht worden; hieraus wird sein "vorsätzliches" Verhalten gefolgert. Nun findet sich nach Lage der Verwaltungsakten aber kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerde führer entsprechende, als schuldbegründend angesehene Aufklärungen schon v o r (oder während) der Errichtung der baulichen Anlage erhalten hätte. Der Tatvorwurf lautet jedoch -

in Übereinstimmung mit § 137 Abs. 4 WRG 1959 - lediglich auf Errichtung einer Wasseranlage, trifft also nur die Herbeiführung eines bestimmten gesetzwidrigen Zustandes; er umfaßt nicht auch die rechtswidrige Aufrechterhaltung eines solchen. Das von der belangten Behörde angenommene "Verschulden" n a c h Abschluß des tatbildlichen Verhaltens konnte dem Beschwerdeführer rechtens nicht angelastet werden. Er wurde demnach der bezeichneten Verwaltungsübertretung zu Unrecht schuldig erkannt.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985; die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel verrechnete Stempelgebühren sowie den den gesetzlich pauschalierten Schriftsatzaufwand übersteigenden Betrag.

Wien, am 26. November 1987

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