VwGH 86/06/0036

VwGH86/06/003611.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Richteramtsanwärter Dr. Spira, über die Beschwerde der HW in B, vertreten durch Dr. Hubert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien I, Opernring 17, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Februar 1986, GZ 03-12 Wa 27-86/12, betreffend einen Abtragungs- und Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Grundlsee, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
BauO Stmk 1968 §57 Abs2;
BauO Stmk 1968 §73 Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
BauO Stmk 1968 §57 Abs2;
BauO Stmk 1968 §73 Abs2;
BauRallg;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Juni 1985 wurde die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin des Grundstückes Nr. n1 der KG X aufgefordert, das bewilligungslos errichtete Bauwerk auf dem genannten Grundstück bis spätestens 31. Juli 1985 zu entfernen. Gleichzeitig seien die Geländeveränderungen so zu sanieren, dass der Urzustand wieder hergestellt werde. Begründend stützte sich der Bescheid auf § 57 der Steiermärkischen Bauordung 1968, wonach die Baumaßnahme unbedingt bewilligungspflichtig sei. Außerdem liege das Bauwerk im Naturschutzgebiet und sei in diesem Gebiet jegliche Baumaßnahme an eine Ausnahmegenehmigung seitens der Naturschutzbehörde (Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 6) gebunden. Da weder eine Baubewilligung seitens der Gemeinde Grundlsee noch eine Ausnahmegenehmigung der Naturschutzbehörde vorliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die ursprünglich vorgesehene örtliche Erhebung wieder unterlassen worden sei, wodurch ihr gegenüber auch der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden sei. Bei vorschriftsmäßiger Abführung eines Ermittlungsverfahrens hätte der Bürgermeister feststellen können, dass es sich um einen von der Bewilligungspflicht im Sinne des § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ausgenommenen geringfügigen Umbau eines landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäudes handle. Weiters bekämpfte sie den Auftrag zur Sanierung von Geländeveränderungen.

Mit Bescheid vom 18. Juli 1985 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung nicht statt und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters vollinhaltlich. Er vertrat die Meinung, dass die Bauführung der Beschwerdeführerin, die ohne bau- und naturschutzrechtliche Bewilligung erfolgt sei, seitens der mitbeteiligten Gemeinde "nicht widerspruchslos zur Kenntnis genommen" werden könne, zumal in unmittelbarer Nähe des gegenständlichen Objektes Baubewilligungen bereits abgelehnt worden seien und die Gemeinde somit in Zukunft keine gerechten Entscheidungen mehr treffen könnte. Hinsichtlich der Nichtdurchführung eines Ermittlungsverfahrens vertrete der Gemeinderat den Standpunkt, dass bereits das gesamte Verfahren einschließlich Ermittlungsverfahren mit dem Gatten der Beschwerdeführerin (dem zweiten Miteigentümer der Liegenschaft) abgeführt worden sei und diesbezüglich bereits rechtskräftige Bescheide vorlägen. Die nunmehrigen an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheide seien als "Formfehlerberichtigungen" anzusehen und bedürften nach Ansicht des Gemeinderates keines eigenen Ermittlungsverfahrens, zumal die Beschwerdeführerin im früheren Verfahren ständig anwesend bzw. zugegen gewesen sei. Mit dem bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 20. Dezember 1979 sei aber das Ansuchen um Widmungsbewilligung abgewiesen worden; dieser Bescheid sei an beide Ehegatten gerichtet gewesen. Alle gesetzten Maßnahmen hinsichtlich einer Bewilligung des erstellten Objektes, erschienen nicht als zielführend, weil eine rechtskräftige Widmungsbewilligung eine der Grundvoraussetzungen für die Baubewilligung sei.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid mangels Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde unter anderem aus: Gemäß § 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung seien vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden sei, zu beseitigen. Der Beschwerdeführerin sei bekannt gewesen, dass für das Vorhaben eine baubehördliche Bewilligung erforderlich sei; das gehe daraus hervor, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten schon 1977 um Widmungs- und Baubewilligung angesucht habe. Das Widmungsansuchen sei mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Dezember 1979 zurückgewiesen worden; ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid sei nicht erhoben worden. Hinsichtlich des Ansuchens um Baubewilligung sei ebenfalls bereits ein ablehnender Bescheid, jedoch nur über das Ansuchen des Ehegatten und Miteigentümers, erlassen worden. Die vorgeschriebene Sanierung der Geländeveränderungen durch Herstellung des Urzustandes könne, da sie von der Baubehörde vorgenommen worden sei, sich nur auf solche Änderungen beziehen, die die Errichtung des bewilligungslosen Bauwerks mit sich gebracht habe. Für den Auftrag zu deren Beseitigung bzw. zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes sei daher wohl die Baubehörde und nicht, wie in der Vorstellung ausgeführt, die Naturschutzbehörde zuständig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anwendung des § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 verletzt, weiters dadurch dass ihr zu Unrecht Geländeveränderungen zur Herstellung des "Urzustandes" ohne Kompetenz aufgetragen worden seien.

Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei verfassten Gegenschriften.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Vorweg ist zu prüfen, ob der Bescheid des Bürgermeisters überhaupt als Bescheid im Rechtssinn anzusehen ist, denn für den Bescheidbegriff ist wesentlich, dass sich der normative Abspruch auf konkrete Rechte oder Rechtsverhältnisse bestimmter Personen bezieht (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1971, Slg. Nr. 6603); für den Bescheidcharakter einer behördlichen Willenserklärung ist in erster Linie maßgebend, ob sie einen die zur Entscheidung stehende Rechtssache bindend regelnden Spruch enthält, der in Rechtskraft erwachsen kann (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1964, Zl. 1529/63). Im vorliegenden Fall hat nun zwar die Baubehörde erster Instanz im ersten Satz des Spruches die Beschwerdeführerin lediglich "aufgefordert", das Bauwerk zu entfernen. Da die Behörde aber keine andere Rechtsfolge für die Nichtbeachtung der "Aufforderung" angedroht hat, kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass im Zusammenhang mit dem 2. Teil des Spruches und mit der Begründung darin gerade noch ein exekutionsfähiger Auftrag zu erkennen ist.

Die Gemeindebehörden haben es aber, ausgehend von ihrer nicht zu rechtfertigenden Ansicht, es handle sich bei dem Verfahren gegen einen zunächst "vergessenen" Miteigentümer nur um die Behebung eines "Formmangels", unterlassen, die zur Beurteilung der Bewilligungspflicht des offenbar erfolgten Umbaus erforderlichen Feststellungen zu treffen. Dies wiegt umso schwerer, als die Beschwerdeführerin ja das Fehlen der Bewilligungspflicht nach § 57 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung geltend gemacht hat, zu deren Beurteilung genaue Feststellungen über Umfang und Verwendungszweck des früheren und des nunmehr bestehenden Gebäudes erforderlich sind. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie schon insoferne ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Weiters wird § 73 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 zwar nach ständiger Rechtsprechung als Grundlage dafür angesehen, Abweichungen von den baurechtlichen Vorschriften zu beheben, die in den Bescheiden der Baubehörden enthaltenen Anordnungen und Auflagen auszuführen und vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, zu beseitigen. Der Gerichtshof kann darin jedoch keinerlei Grundlage dafür erkennen, "Geländeveränderungen so zu sanieren, dass der Urzustand wieder hergestellt wird". Diesem Teil des erstinstanzlichen Bescheides, der zweifellos normativen Charakter hat ("... sind ... zu sanieren ...") fehlt die gesetzliche Grundlage in der Bauordnung. - Der Hinweis des Bürgermeisters, der zweifellos als Baubehörde einschritt, auf Naturschutzvorschriften ist, zumal es sich um eine kompetenzrechtlich anders geartete Materie handelt, nicht recht verständlich.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird allerdings auf folgende Umstände hingewiesen:

Sollte auf dem im Miteigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstück tatsächlich durch Umbau ein Gebäude von 11 m x 12,50 m errichtet worden sein, wie sich dies aus dem im Akt über die Bau- und Widmungsbewilligung erliegenden Plan ergibt, kann von einer Errichtung und dem Umbau "kleinerer ebenerdiger und unbewohnter Bauten von untergeordneter Bedeutung" im Sinne des § 57 Abs. 2, erster Fall, Bauordnung keine Rede sein, geschweige denn, wenn es im wesentlichen als Wochenendhaus ausgestattet ist. Eine derartige Ausstattung würde auch die Heranziehung des letzten Tatbestandes des § 57 Abs. 2 ("geringfügige Zu- und Umbauten bei landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäuden") von vornherein ausschließen; aber auch eine Vergrößerung etwa auf den doppelten Umfang schließt dies (arg. "geringfügige") selbst dann aus, wenn es sich wirklich nur um ein landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude, also Schafstall samt Futterkammer u.dgl., handeln würde.

Die Beschwerdeführerin verkennt überdies auch den Gegenstand eines allenfalls zu erlassenden Abtragungsauftrages. Ist nämlich ein ursprünglich konsensmäßiges Gebäude durch einen Umbau zu einem anderen geworden, dann ist der seinerzeit bestehende Konsens untergegangen und es fehlt für das gesamte neue Gebäude - und nicht etwa nur für den geänderten Teil - der Konsens. Liegt aber keine Baubewilligung (mehr) vor, dann hat die Baubehörde die Abtragung des gesamten neuen Gebäudes (also einschließlich der Altbestandteile) anzuordnen.

Soweit nicht veröffentlichte Erkenntnisse des Gerichtshofes zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 11. September 1986

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