Normen
BauO Wr §135 Abs3;
BauRallg;
WEG 1975 §17;
BauO Wr §135 Abs3;
BauRallg;
WEG 1975 §17;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Oktober 1984 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, als verantwortliche Miteigentümerin des Hauses in Wien 2, Ggasse 1-3, in der Zeit vom 1. August 1984 bis 5. September 1984 insofern nicht für die Erhaltung der Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand gesorgt zu haben, als sie es unterlassen habe, den zu 50 % fehlenden Verputz der gassenseitigen Schauflächen und das in allen Stockwerken lockere Gangpflaster instandzusetzen; sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien begangen, weshalb gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von S 20.000,--, (im Nichteinbringungsfall zwanzig Tage Arrest) verhängt wurde. Begründend führte die Strafbehörde erster Instanz aus, daß es sich bei der angelasteten Tat um ein Ungehorsamsdelikt handle; die Beschwerdeführerin habe aber den Entlastungsbeweis nicht erbracht, weil nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Mai 1978, 5 Ob 10/78, sie als Mehrheitseigentümerin die Instandhaltungsarbeiten des Hauses hätte beauftragen können. Trotz Vorhaltes habe die Beschwerdeführerin auch nicht glaubhaft gemacht, durch welche konkrete Maßnahmen der übrigen Eigentümer sie an der Behebung der Baugebrechen gehindert worden sei. Daher sei sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite erwiesen.
In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, ohnehin Entscheidungen der Schlichtungsstelle beantragt zu haben; nach der von der Strafbehörde erster Instanz zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes seien weder der Umfang der Arbeiten noch die Preise aktuell gewesen, es sei auch erkennbar gewesen, daß die Wohnungseigentümer nicht gewillt gewesen seien, die Reparatur zu bezahlen. Obwohl die Verwalterin des Hauses, Frau Dr. IC, ständig bei den Wohnungseigentümern urgiere und auch geklagt habe, um Reparaturbeiträge zu erhalten, sei bisher weder den Klagen stattgegeben worden noch habe die Verwalterin von den Wohnungseigentümern Reparaturkostenbeiträge erhalten. Es sei ihr unmöglich gewesen, ohne Darlehensaufnahme die Generalreparatur durchführen zu lassen, da ihre finanzielle Leistungsfähigkeit durch die bereits vorgelegten Beträge erschöpft sei. Sie erhalte nicht einmal die Mietzinse, da die Verwalterin diese einbehalte, um die von den Wohnungseigentümern nicht bezahlten Betriebskostenanteile abzudecken. Die Verwalterin habe dem Magistrat schon vor Jahren den Vorschlag gemacht, die Fassade auf dem Weg der Ersatzvornahme instandzusetzen, doch sei dem nicht Rechnung getragen worden, da sich auch die MA 64 nicht auf jahrelange Prozesse mit den Wohnungseigentümern habe einlassen wollen. In einer Ergänzung der Berufung wies die Beschwerdeführerin noch darauf hin, daß die Verwalterin der Liegenschaft das lockere Gangpflaster schon bereits vor Jahren in Ordnung gebracht habe; weiters beschwerte sie sich darüber, daß gegen die übrigen Miteigentümer, die die Reparatur tatsächlich verhindert hätten, keine Verwaltungsstrafe verhängt worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde das Straferkenntnis erster Instanz in der Schuldfrage und hinsichtlich des Ausspruchs der Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges, sie setzte jedoch die Strafe gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 5.000,-- (bei Uneinbringlichkeit fünf Tage Arrest) herab und ermäßigte daher den erstinstanzlichen Kostenbeitrag auf S 500,--. Begründend führte die belangte Behörde aus, es habe niemand einen Rechtsanspruch darauf, daß auch andere Personen bestraft würden. Die Beschwerdeführerin bestreite gar nicht, daß die Verputzschäden nach wie vor bestünden; bezüglich der lockeren Gangpflaster habe sie zwar behauptet, daß sie in Ordnung gebracht worden seien, doch habe ein Vertreter der örtlichen Baupolizei auf Grund einer Ortsaugenscheinerhebung am 5. September 1984 mitgeteilt, daß der Mangel noch nicht behoben sei. Da es sich beim Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien um ein Ungehorsamsdelikt handle, könne der Täter nur dann straflos bleiben, wenn ihm der Beweis gelinge, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Dies sei nur in der Form möglich, daß der Eigentümer bzw. Miteigentümer unter Beweis stelle, alles in seinen Kräften Stehende unternommen zu haben, um das Baugebrechen in kürzester Frist zu beseitigen. Bezüglich der Beschaffung der erforderlichen Geldmittel für notwendige Reparaturen habe der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 23. Mai 1978, 5 Ob 10/78, erkannt, daß die Beschwerdeführerin als Mehrheitseigentümerin Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung selbst entscheiden könne, wozu auch entsprechende Darlehensaufnahmen gehörten. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge dieses Strafverfahrens dargelegt, daß sie am 25. Oktober 1984, somit nach dem im Spruch angelasteten Tatzeitraum, hinsichtlich der ihr gehörigen 51,31 % Liegenschaftsanteile einen Antrag gemäß §§ 18 und 19 des Mietrechtsgesetzes bei der Schlichtungsstelle eingebracht habe. Es könne auch nicht als ausreichendes Bemühen um die rechtzeitige Beseitigung von Baumängeln angesehen werden, wenn der Eigentümer bei der Behörde anregt (ein Antragsrecht stehe ihm überhaupt nicht zu), die Baugebrechen im Wege der Ersatzvornahme zu beseitigen. Somit habe die Beschwerdeführerin nicht dargelegt, welche konkreten Schritte sie zur Beseitigung der im Spruch angeführten Baugebrechen im angeführten Tatzeitraum (und nur dieser Zeitraum sei für das Verfahren maßgeblich) gesetzt habe. Es sei somit nicht erkennbar, daß die Beschwerdeführerin während des Tatzeitraumes alles in ihren Kräften stehende unternommen habe, um die Baugebrechen in kürzester Frist zu beseitigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, entgegen den Bestimmungen der §§ 129 ff der Bauordnung für Wien nicht bestraft zu werden, und durch die Höhe der Strafe verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aus dem im Akt erliegenden Grundbuchsauszug ergibt sich, daß die Liegenschaft, deren Erhaltungszustand Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsstrafverfahrens ist, wenigstens zum Teil im Wohnungseigentum steht (ob die Beschwerdeführerin selbst Wohnungseigentümerin der von ihr vermieteten Objekte ist oder lediglich schlichte Miteigentümerin, ist dem Akt nicht zu entnehmen). Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. Juli 1971, 41 Nc 33/77- 36, dessen Fotokopie im Strafakt erliegt, wurde die Beschwerdeführerin als Verwalterin des Hauses abberufen und ihr als Mehrheitseigentümerin des Hauses aufgetragen, binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses einen neuen Verwalter für dieses Haus auszuwählen und zu bestellen und dem Gericht dessen Bestellung durch geeignete Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen. Wie sich aus dem beigeschafften Akt ergibt, hat die Beschwerdeführerin dem Auftrag insofern entsprochen, als sie am 16. Oktober 1979 die Bestellung der Dr. IC zum Verwalter anzeigte und eine Kopie der dieser erteilten Vollmacht dem Gericht vorlegte. Auch ein Schreiben der Dr. IC an den Gegenvertreter ist in Kopie angeschlossen.
Gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (BO) hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen u. dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Gemäß § 135 Abs. 3 BO ist für Verletzungen der dem Eigentümer auferlegten Pflichten an dessen Stelle derjenige verantwortlich, der die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde.
Der gemäß § 17 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) bestellte Verwalter ist direkter Stellvertreter aller Wohnungseigentümer (also auch der überstimmten Minderheit); seine nach außen unbeschränkbare Formalvollmacht umfaßt alle Angelegenheiten, die die Verwaltung der Liegenschaft mit sich bringt (vgl. Würth in Rummel, ABGB II, Rdz 3 zu § 17 WEG, und die darin zitierte Rechtsprechung), also insbesondere auch die Behebung von Baugebrechen. Im Innenverhältnis, also gegenüber den einzelnen Miteigentümern, ist der Verwalter aus eigenem (nur) zur Vornahme von Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung befugt. Er ist dabei an ordnungsgemäß beschlossene und nicht gesetzwidrige Weisungen der Mehrheit sowie an die Vorschriften des WEG gebunden (a.a.O., Rdz 4 zu § 17 WEG). Durch die Verwalterbestellung werden die Verwaltungsrechte des einzelnen Miteigentümers auf die Selbsthilfe nach § 15 Abs. 2, letzter Satz WEG und die Abwehr von Übergriffen einzelner Wohnungseigentümer und selbst die der Mehrheit auf Weisungen an den Verwalter reduziert (a.a.O., Rdz 5 zu § 17 WEG).
Soweit sich die belangte Behörde auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. Mai 1978, 5 Ob 10/78, stützt, übersieht sie, daß sich die Rechtslage durch die (rechtsgestaltende) Entscheidung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. Juli 1979, 41 Nc 33/77-36, geändert hat und die Ausführungen des Obersten Gerichtshofes insofern überholt sind. Durch die auftragsgemäße Bestellung eines Verwalters nach § 17 WEG sind sämtliche Verwaltungsrechte auf diesen übergegangen; soweit der Verwalter nicht abberufen wurde, was die belangte Behörde nicht geprüft hat, ist dieser nach § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien allein verantwortlich, soweit ihn die Beschwerdeführerin als Mehrheitseigentümerin an den erforderlichen Reparaturarbeiten nicht gehindert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1964, Zl. 537/63), was die belangte Behörde ebenfalls nicht geprüft hat, da sie der Beschwerdeführerin lediglich eine Untätigkeit vorgeworfen hat.
Da die belangte Behörde entscheidungswesentliche Fragen nicht geprüft hat, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, so daß dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985; der Ersatz von Bundesstempeln konnte nur im erforderlichen Ausmaß zuerkannt werden.
Wien, am 23. September 1986
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