OGH 5Ob10/78

OGH5Ob10/7823.5.1978

SZ 51/71

Normen

ABGB §§825 ff
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §14 Abs1 Z2
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §14 Abs1 Z3
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §15 Abs1 Z2 Wohnungseigentumsgesetz 1975 §15 Abs1 Z3
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §16
ABGB §§825 ff
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §14 Abs1 Z2
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §14 Abs1 Z3
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §15 Abs1 Z2 Wohnungseigentumsgesetz 1975 §15 Abs1 Z3
Wohnungseigentumsgesetz 1975 §16

 

Spruch:

Zu den Angelegenheiten, in denen gemäß § 14 Abs. 1 WEG 1975 die Mehrheit entscheidet, gehört die Bildung einer angemessenen Rücklage als Vorsorge für künftige Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten (§ 16 Abs. 1 WEG 1975), die Aufnahme eines Instandhaltungsdarlehens zur Deckung der durch die Rücklage nicht gedeckten Kosten einer in größeren als einjährigen Abständen wiederkehrenden ordnungsgemäßen Erhaltungsarbeit sowie die Aufbringung der Mittel durch Vorschußzahlungen der Miteigentümer. Eine Anrufung des Außerstreitrichters durch die Mehrheit ist in diesen Belangen daher weder erforderlich noch zulässig; dieses Recht steht nur der Minderheit zu

OGH 23. Mai 1978, 5 Ob 10/78 (LG für ZRS Wien, 41 R 526/77; Bg Innere Stadt-Wien 41 Nc 13/76)

Text

Die Antragstellerin ist Mehrheitseigentümerin des Hauses Wien 2., M-Gasse 1. Die Wohnungen dieses Hauses sind teils vermietet, teils stehen sie im Wohnungseigentum der Antragsgegner.

Zwecks Beschaffung der erforderlichen Geldmittel für notwendige Reparaturarbeiten, die nach Ansicht der Antragstellerin im Hinblick auf die Höhe der damit verbundenen Kosten als wichtige Veränderungen im Sinne des § 835 ABGB zu qualifizieren sind, beantragte sie einerseits zu 41 Msch 21/75 des Erstgerichtes gegenüber den Mietern eine Mietzinserhöhung gemäß § 7 MietG und anderseits im gegenständlichen Verfahren die Ersetzung der Zustimmung der Minderheit zur Durchführung der im Antrag angeführten Instandhaltungsarbeiten durch den Außerstreitrichter. Das Erstgericht verband die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. In der Tagsatzung vom 1. März 1977 stellte die Antragstellerin den Antrag, "den Wohnungseigentümern den Erlag der laut Sachverständigengutachten notwendigen Baukosten als Vorschuß entsprechend den Grundbuchsanteilen aufzutragen, allenfalls der Verbücherung eines Darlehens zur Deckung der Kosten für die Durchführung dieser Arbeiten zuzustimmen".

Das Erstgericht gab dem Antrag, die fehlende Zustimmung der in der Minderheit befindlichen Wohnungseigentümer zur Durchführung der erforderlichen, näher beschriebenen Instandsetzungsarbeiten zu ersetzen, statt, wies aber den weiteren, vorstehend wiedergegebenen Antrag ab.

Aus Anlaß des Rekurses der Antragstellerin und einiger Antragsgegner hob das Rekursgericht den angefochtenen Beschluß sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies beide Anträge zurück. Bei den beabsichtigten Instandhaltungsarbeiten handle es sich um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung, die von der Mehrheit rechtswirksam beschlossen werden könne. Einer Ersetzung der Zustimmung der Minderheit bedürfe es nicht, weshalb jede Grundlage für die Anrufung des Außerstreitrichters fehle. Der weitere Antrag sei als Auftrag zur Bildung einer Rücklage aufzufassen. Ob eine solche zu bilden sei, habe gemäß § 14 Abs. 1 Z. 2 WEG 1975 die Mehrheit zu entscheiden. Es bleibe daher kein Raum für die sofortige Anrufung des Außerstreitrichters, die im übrigen nur durch einen mit dem Mehrheitsbeschluß unzufriedenen Minderheitseigentümer erfolgen könne.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 14 Abs. 1 WEG 1975 gelten für die Verwaltung der gemeinsamen Liegenschaft, mit Ausnahme der im Wohnungseigentum stehenden Wohnungen und sonstigen Räumlichkeiten (§ 13 Abs. 1 WEG 1975), die Bestimmungen des ABGB über das Miteigentum (§§ 825 ff. ABGB), mit den sich aus dem WEG 1975 ergebenden Besonderheiten. Zu den Angelegenheiten, in denen gemäß § 14 Abs. 1 WEG 1975 die Mehrheit entscheidet, gehört insbesondere auch die Bildung einer angemessenen Rücklage (Z. 2 der genannten Bestimmung) als Vorsorge für künftige Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten (§ 16 Abs. 1 WEG 1975). Es ist dies ein gebundenes Vermögen, das nur zur Deckung der Kosten von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten und zur Abstattung eines zu ihrer Deckung aufgenommenen Darlehens verwendet und der Zwangsvollstreckung unterworfen werden darf (§ 16 Abs. 2 leg. cit.). Wirtschaftlicher Zweck der Rücklage ist die Bildung von Eigenmitteln für die in absehbarer Zeit notwendigen und zweckmäßigen Auslagen der vorgenannten Art, um die mit der Aufnahme von Darlehen verbundenen Kosten für Geldbeschaffung und Verzinsung zu vermeiden, die oft eine beträchtliche Höhe erreichen und die Zahlungspflichtigen vielfach empfindlich belasten (EB zu § 14 WEG 1975). Bei dem hier gestellten Verlangen, einen bestimmten Erhaltungsaufwand zu bevorschussen, fehlt zwar der die Rücklagenbildung innewohnende Gedanke des vorausschauenden Ansparens. Es ist dies aber kein für die Entscheidung maßgebender Gesichtspunkt. Zählt doch auch die Aufnahme eines Instandhaltungsdarlehens zur Deckung der durch die Rücklage nicht gedeckten Kosten einer in größeren als einjährigen Abständen wiederkehrenden ordnungsgemäßen Erhaltungsarbeit zu den nach § 14 Abs. 1 WEG 1975 von der Mehrheit zu beschließenden Angelegenheiten (Z. 3 der zitierten Bestimmung). Aus dem Zusammenhalt von § 14 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 WEG 1975 ergibt sich, daß die Form der Aufbringung der Mittel für die zur ordnungsgemäßen Erhaltung der Liegenschaft erforderlichen Arbeiten (s. § 14 Abs. 1 Z. 1 leg. cit.) schlechthin, mag sie nun durch eine Rücklage oder durch die Aufnahme eines Darlehens oder beispielsweise durch Vorschußzahlungen erfolgen, zu den durch Mehrheitsbeschluß zu entscheidenden Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung im Sinne des § 14 Abs. 1 WEG 1975 zählt (vgl. MietSlg. 25 047). In diesem Bereich ist eine Anrufung des Außerstreitrichters durch die Mehrheit nicht erforderlich und daher auch nicht vorgesehen. Dieser Verwaltungsbefugnis der Mehrheit entspricht das der Minderheit nach § 15 Abs. 1 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Z. 3 WEG 1975 eingeräumte Antragsrecht an den Außerstreitrichter. So kann jeder Miteigentümer in den hier fraglichen Angelegenheiten die Entscheidung des Gerichtes darüber verlangen, daß eine angemessene Rücklage gebildet oder die von der Mehrheit beschlossene Rücklage angemessen erhöht oder gemindert wird (§ 15 Abs. 1 Z. 2) sowie daß dem antragstellenden Miteigentümer die Mehrheit die Entrichtung des auf ihn entfallenden Teiles der durch die Rücklage nicht gedeckten Kosten einer in größeren als einjährigen Abständen wiederkehrende Erhaltungsarbeit in angemessenen, den Verteilungszeitraum von zehn Jahren nicht übersteigenden Monatsraten gegen Bestellung einer Hypothek auf seinen Miteigentumsanteil und Zahlung der ortsüblichen Hypothekarzinsen gestattet, soweit ihm die sofortige Entrichtung des auf ihn fallenden Teilbetrages der Erhaltungsarbeiten unmöglich oder unzumutbar ist (§ 15 Abs. 1 Z. 3). Diese gesetzliche Regelung der Verwaltungsbefugnis der Mehrheit einerseits und der Beteiligung der Minderheit an der Verwaltung andererseits schließt entgegen den Rekursausführungen eine gleichsam die Antragstellung der Minderheit vorwegnehmende Anrufung des Außerstreitrichters durch die Mehrheit in dem von ihr gemäß § 14 Abs. 1 WEG 1975 zu entscheidenden Angelegenheiten aus (vgl. Faistenberger - Barta - Call, WEG 1975, 343; 8 Ob 527/77). Das Rekursgericht hat daher zutreffend den Antrag der Mehrheitseigentümerin, den Antragsgegnern den Erlag des zur Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten erforderlichen Vorschusses entsprechend ihren Grundbuchsanteilen aufzutragen oder der Bewilligung eines Darlehens zur Deckung dieser Kosten zuzustimmen, mangels gesetzlicher Grundlage zurückgewiesen.

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