Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand bis zu seiner Entlassung als Landeslehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Jänner 1979 wurde er des Verbrechens nach § 6 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes schuldig erkannt und über ihn eine Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt. Bereits am 5. Oktober 1978 hatte der Stadtschulrat für Wien den Beschwerderführer vom Dienst suspendiert und am 11. Oktober 1978 seine Bezüge auf zwei Drittel gekürzt. Im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung wurde der Beschwerdeführer im Disziplinarverfahren erster Instanz mit einer Geldstrafe im Ausmaß von vier Monatsbezügen belegt. Auf Grund der Berufung des Disziplinaranwaltes gegen diese Entscheidung hatte die Disziplinaroberkommission mit Erkenntnis vom 27. Juni 1980, zugestellt am 25. August 1980, die Entlassung des Beschwerdeführers ausgesprochen. Dieses Disziplinarerkenntnis wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1982, Zl. 09/3111/80, zugestellt am 24. November 1982, aufgehoben. In der Folge erkannte die Disziplinaroberkommission mit Erkenntnis vom 14. Februar 1983 neuerlich auf Entlassung des Beschwerdeführers.
Mit Bescheid vom 30. August 1983 stellte der Stadtschulrat für Wien über einen Antrag des Beschwerdeführers fest, dass ihm für die Zeit vom 25. August 1980, (Zustellung des ersten "Entlassungsbescheides") bis 24. November 1982 (Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1982, Zl. 09/3111/80) die anlässlich seiner "am 11. 10. 1978 erfolgten Suspendierung vom Dienst gemäß § 72 Abs. 2 BDG 1977 auf zwei Drittel gekürzten Bezüge zustehen". Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher er beantragte ihm für den genannten Zeitraum die vollen Bezüge ohne Kürzung zuzuerkennen. Begründend führte er im wesentlichen aus:
Im erstinstanzlichen Bescheid sei der Sachverhalt zwar richtig dargestellt, doch die daraus abgeleitete rechtliche Schlussfolgerung verfehlt. Die Behörde habe § 42 Abs. 3 VwGG falsch ausgelegt, da sich dieser nur auf die "Rechtssache" als Verfahrensbegriff beziehe. Sie könne keinesfalls so ausgelegt werden, dass durch sie eine Fiktion geschaffen werde, nach der alles so zu betrachten sei, als ob die aufgehobene verwaltungsbehördliche Entscheidung nie bestanden hätte. Andernfalls müsse etwa bei einer Entlassung ohne vorhergehender Suspendierung bei rückwirkender Aufhebung der Entlassungsentscheidung gesagt werden, der Beamte sei unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben.
Das verwaltungsbehördliche Verfahren hätte so angesetzt und weitergeführt werden müssen, als ob es die aufgehobene Entscheidung nicht gegeben hätte, für die materiell-rechtlichen Ausführungen hingegen sei von den wirklichen Gegebenheiten auszugehen gewesen, die darin bestanden hätten, dass eine letztinstanzliche rechtskräftige verwaltungsbehördliche Entscheidung vorgelegen sei, deren Rechtskraftwirkung in jeder Beziehung hätte beachtet werden müssen. Durch die Rechtskraftwirkung des Disziplinarerkenntnisses vom 27. Juni 1980 sei die Dienstverrichtung des Beschwerdeführers vollständig ausgeschlossen gewesen. Sei aber die Leistung des Dienstes ausgeschlossen gewesen, so sei dieser Zustand mangels Dienstleistungspflicht mit dem Begriff der "Suspendierung vom Dienst" unvereinbar. Andererseits habe es durch die Rückversetzung der Rechtssache in den Stand vor der aufgehobenen Entlassungsentscheidung eine rechtskräftige Endentscheidung im Disziplinarverfahren nicht gegeben und das Dienstverhältnis habe somit fortgedauert. Dienstleistungspflicht habe jedoch keine bestanden.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Entlassungsentscheidung Sache des Dienstgebers und das Entstehen des provisorischen Zwischenzeitraumes diesem zuzurechnen sei. Daher habe auch der Genannte und nicht der Dienstnehmer die Folgen zu tragen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde diesem Rechtsmittel keine Folge und führte nach Anführung des § 42 Abs. 3 VwGG begründend im wesentlichen aus:
Vorliegendenfalls stelle das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers unmittelbar vor dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens die Rechtssache dar. Die Entlassung aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis sei ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, durch sie würden auf den entlassenen Beamten andere Rechtsvorschriften anwendbar. Wenn die Rechtssache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG wieder in die Lage vor der Entlassung zurücktrete, bedeute dies, dass "ex tunc" auf den Beamten wieder jene dienstrechtlichen Vorschriften Anwendung fänden, die vor der Entlassung für den Beamten in Geltung gestanden seien.
Die rechtkräftige Entlassung habe kraft Gesetzes den Zustand der verfügten Suspendierung des Beschwerdeführers und damit auch die Bezugskürzung beendet. Wenn im konkreten Fall als Rechtsfolge des § 42 Abs. 3 VwGG für den Beschwerdeführer wieder jene dienstrechtlichen Bestimmungen Anwendung fänden, die vor der Entlassung für ihn gegolten hätten, sei die Frage zu stellen, welche Rechtsvorschriften dies seien. Das Dienstverhältnis des Beamten werde durch Gesetze und Vollziehung derselben, durch Verordnungen und individuelle Verwaltungsakte geregelt. Das bedeute, dass Bescheide, welche in den Rechtsbestand eingegangen seien, ebenfalls Normen darstellten, die das Dienstverhältnis regelten. Daraus ergebe sich zweifellos, dass auf den Beamten als Rechtsfolge des § 42 Abs. 3 VwGG auch alle jene Normen ex tunc Anwendung finden müssten, "die auf Grund von im Rechtsbestand vor der Entlassung befindlichen Bescheiden in Geltung standen und den Beamten zum Normadressat hatten". Daher würden für den Beschwerdeführer wieder die rechtskräftige Verfügung der Suspendierung und der Bezugskürzung gelten, und zwar so lange, bis der Rechtsbestand eine ausdrückliche Änderung erfahren würde. Dies erhelle sich auch daraus, dass als Rechtsfolge des § 42 Abs. 3 VwGG nicht neuerlich alle jene bescheidmäßigen Verfügungen, welche das Dienstverhältnis gewöhnlich begründen oder inhaltlich regeln würden, wie Ernennung, Zuerkennung von Zulagen usw. zu erlassen gewesen seien, sondern dass diese bescheidmäßigen Verfügungen nach Aufhebung der Entlassung durch den Verwaltungsgerichtshof "selbstverständlich wieder in Geltung stehen".
Zu den Einwendungen der Berufung, dass sich § 42 Abs. 3 VwGG auf die "Rechtssache" als Verfahrensbegriff beziehe, sei festzustellen, dass die belangte Behörde nicht zu erkennen vermöge, dass die genannte Gesetzesbestimmung nur die verfahrensrechtliche, nicht aber auch die materiell-rechtliche Seite der Rechtssache erfassen solle.
Es sei sowohl dem § 42 Abs. 3 als auch dem § 63 Abs.1 VwGG zu entnehmen, "dass der gesetzliche Auftrag lautet, auch die Vergangenheit bis zum Zeitpunkt vor der Erlassung der aufgehobenen Entscheidung so zu betrachten", als ob diese "nie ergangen wäre". Selbstverständlich könne das Gesetz nicht die faktisch in der Vergangenheit tatsächlich geschehenen Ereignisse ungeschehen machen, sehr wohl könne es aber rückwirkend für die Vergangenheit Rechtsverhältnisse regeln "und so diesen Rechtsverhältnissen entsprechend faktische Verhältnisse fingieren".
Die Begründung des Beschwerdeführers, dass ein nicht suspendierter, aber entlassener Beamter bei rückwirkender Aufhebung der Entlassung eine gewisse Zeit unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben sei, gehe ins Leere. Denn wie auch derjenige, der in einem solchen Zeitraum auf Grund einer rechtskräftigen Entscheidung eine Berechtigung ausgeübt habe, durch eine rückwirkende Aufhebung dieser Entscheidung nicht rechtswidrig vorgegangen sei, könne der Beamte durch rückwirkende Aufhebung der Entlassung nicht in der Zwischenzeit unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben sein.
Im Streitfall habe, so lange die letztinstanzliche Entscheidung dem Rechtsbestand angehöre, "keine Suspendierung und keine Dienstleistungspflicht" des Beschwerdeführers bestanden. Mit der Aufhebung der in Rede stehenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof seien sowohl die Suspendierung (mit der Verfügung der Bezugskürzung) als auch die Dienstleistungspflicht wieder in Geltend getreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Verletzt sieht sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf, dass die ihm auf Grund seines öffentlich-rechtlichen Landeslehrerdienstverhältnisses gemäß § 45 LDG in Verbindung mit § 1 des Gehaltsgesetzes 1956 gebührenden Bezüge nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 BDG 1979, § 13 des Gehaltsgesetzes 1956 in Verbindung mit den §§ 45 und 56 des Landeslehrer-Dienstgesetzes durch unrichtige Anwendung des § 72 Abs. 2 BDG 1979 verkürzt zu werden. Beantragt wird, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit Gegenanträgen erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach Abs. 2 die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte.
Im vorliegenden Fall steht nicht in Streit, dass bis zur Erlassung des die Entlassung des Beschwerdeführers aussprechenden Erkenntisses der Disziplinaroberkommission vom 27. Juni 1980 auf Grund rechtskräftiger Bescheide des Stadtschulrates für Wien vom 5. Oktober 1978 und vom 11. Oktober 1978 einerseits der Beschwerdeführer vom Dienst suspendiert und andererseits die Kürzung seiner Monatsbezüge auf zwei Drittel verfügt war.
Wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt, behebt ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, das einen angefochtenen letztinstanzlichen Verwaltungsbescheid aufhebt, nur diesen Bescheid, nicht aber Bescheide der Vorinstanzen, weil durch die Aufhebung die gesamte Rechtssache in das Stadium des Verwaltungsverfahrens zurücktritt, in dem sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 2. Juni 1954, Zl. 2482/51, und den Beschluss vom 30. September 1950, Zl. 466/48). Der Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof kommt eine Wirkung "ex tunc" zu (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Oktober 1978, Zlen. 1785-1787/78).
Auf Grund dieser Rechtsauffassung ist durch die Aufhebung des Erkenntnisses der Disziplinaroberkommission vom 27. Juni 1980 durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1982, Zl. 09/3111/80, nicht nur die Berufung gegen das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis bei der letzten Instanz neuerlich anhängig geworden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1956, Zl. 2586/54, Slg. N. F. Nr. 4084/A), sondern auch die Rechtssache in ihrem vollen Umfang in jene Lage zurückversetzt wurde, in welcher sie sich vor der Erlassung des schon mehrfach genannten Erkenntisses der Disziplinaroberkommission befunden hat. Dies bedeutet, dass für den in Rede stehenden Zeitraum auch die rechtskräftigen Bescheide des Stadtschulrates für Wien, betreffend Ausspruch über die Suspendierung und über die Kürzung der Bezüge des Beschwerdeführers, wieder entsprechend zu beachten waren.
Die belangte Behörde hat in der sehr ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides mit Recht darauf hingewiesen, aus der Bestimmung des § 42 Abs. 3 VwGG sei nicht abzuleiten, dass die genannte Bestimmung - wie der Beschwerdeführer vermeint - "nur die verfahrensrechtliche Seite der Rechtssache und hingegen nicht die materiellrechtliche Seite erfassen soll", demnach zwar das Verfahren in den früheren Stand zurücktreten würde, in materiellrechtlicher Hinsicht aber weiterhin von der aufgehobenen Entscheidung auszugehen wäre "und die faktischen Verhältnisse darnach zu berücksichtigen seien".
Dass den Beschwerdeführer im Streitzeitraum zufolge der damals vorliegenden letztinstanzlichen Entscheidung über seine Entlassung keine Verpflichtung zur Leistung von Diensten traf, vermag nichts daran zu ändern, dass nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof für die strittige Zeit wieder der seinerzeitige rechtskräftige Bescheid, betreffend die Kürzung der Bezüge des Beschwerdeführers, zu beachten war; hatte doch dieser Bescheid auch bis zur Erlassung des nunmehr aufgehobenen Erkenntnisses der Disziplinaroberkommission Anwendung gefunden.
Der Beschwerdeführer vermag aber auch aus dem Hinweis nichts für sich zu gewinnen, dass der Verwaltungsgerichtshof etwa in Verfahren, betreffend Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses, die aufschiebende Wirkung nicht gewährt. Geht es doch in diesen Fällen darum, dass durch eine solche Vorgangsweise durch eine dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren eigentümliche Provisorialmaßnahme ein im Falle der Abweisung der Beschwerde auflösend bedingtes öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis eigener Art geschaffen würde, dessen Rechtswirkungen, gleichviel, welchen Ausgang das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nimmt, im Nachhinein nicht mehr aufzuheben wäre. Dass aber der Gesetzgeber auf dem Umweg über die Bestimmung des § 30 Abs. 2 VwGG solche dem Dienstrecht der öffentlichrechtlichen Bediensteten fremden Dienstverhältnis habe einbauen wollen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Demgegenüber ergibt sich aber, wie bereits oben ausgeführt, aus der Bestimmung des § 42 Abs. 3 VwGG eindeutig, dass bei Aufhebung eines angefochtenen letztinstanzlichen Verwaltungsbescheides die gesamte Rechtssache in die Lage zurücktritt, in welcher sie sich vor Erlassung des genannten Bescheides befunden hat.
Da sich demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit belastet erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Wien, am 3. Juni 1985
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